Weidens Kultkneipe
und seine Veteranen
Ein Erinnerungs-Abend im Kunstverein Weiden – mit Inge Rothballer, Hans-Jürgen Bröckl, Steffi Ulbrich, Werner Fritsch, Gerhard Steinbeck, Dietmar Spörl und anderen
Sa 07. Dezember 20 Uhr
Info
Grabstein der Kultur zu sagen, wenn man durch Weiden fährt und das NOC sieht, ist ein bisschen weit hergeholt, auch wenn die Stadt das Angebot des Investors abgelehnt hat, in einem der neuen NOC-Räume ein „Museum of modern Art“ möglich zu machen. Damit hätte man den künstlerischen Potentialen vor Ort eine feste Anlaufstelle geben können. Wie auch immer, gerade jetzt erfühlt hier der gereifte Weiden-Kenner auf der NOC-Fassade eine Inschrift, die ihn nicht ohne einen Anflug von Melancholie in die kulturelle Weidener Vergangenheit zurückbringt.
In den Jahren 1978 bis 1992 existierte just am heutigen NOC-Standort, Ecke Goethe - /Sedanstraße, die berühmte Altstadt-Galerie: Buchladen, Konzertraum, Galerie, Kneipe und Treffpunkt der damaligen Boheme.
Vor 40 Jahren, 1979 war es, ein Jahr nach der Gründung durch die Berlin-Rückkehrer Robby und Inge Rothballer, dass da die fünf Kepler-Gymnasiasten Hans-Jürgen Bröckl, Steff Ulbrich, Alexander Horn und Werner Fritsch eine bemerkenswerte Lesung veranstalteten und ein Textbuch mit dem Titel BUHF herausgaben, das der bildende Künstler Dietmar Spörl illustriert hatte.
Zu hören war Eigenes aus dem Geiste der deutschsprachigen Avantgarde u.a. a la Franz Mon und Oswald Wiener, die den Beweis erbringen sollten: Die Wüste lebt.
Man erinnert sich heute noch. Mit einem Erinnerungsabend, der am Sa 07. Dezember um 20 Uhr im Kunstverein Weiden stattfinden wird, folgt man somit auch einem oft geäußerten Wunsch und einer alten Sehnsucht. Im Zentrum der Veranstaltung soll eine Lesung der damaligen Autoren Bröckl, Ulbrich und Fritsch stehen, letzterer hatte, wie man weiß, aus diesem Kreis heraus eine beachtliche Schriftsteller- und Künstler-Laufbahn gestartet.
Es war eine Weidener Aufbruchs-Zeit, in der Namen wie Franz Joachim Behnisch, der unorthodoxe Lehrer am Kepler - Gymnasium und Autor und Herbert Achternbusch und die „Hammer-Connection“ Akzente setzten. Ebenso brachten Veit Wagner und der Filmclub, Alfred Hertrich und der Jazzzirkel, der früh vollendete Reinhard Tischler, der Multikönner Jeff Beer, natürlich Charly Aichinger und andere und anderes Licht und Klang in die heute fast vergessene Schattenwelt am Eisernen Vorhang. Besonders die Aufzeichnungen des Film-Profis Gerhard Steinbeck, der in besagter Zeit mit einer Studie des mit sich ringenden Max-Reger beeindruckte, versprechen, die alte Stimmung aufleben zu lassen. Sie sollen damit auch die Zungen des Publikums im Sinne des „Weißt Du noch?“ und des „Es war einmal“ lockern.
Wie einst in der Galerie werden sicherlich auch hier die Getränke aus der hausinternen Kneipe „Neues Linda“ den Vorgang beschleunigen, so dass man das Gefühl hat, als wär das alles erst gestern gewesen.
Wolfgang Herzer
»Still got the Blues«
Inge Rothballer erinnert sich
Dieses Lied von Gary Moore hat Radio Ramasuri beim Abschiedsinterview der Galerie gespielt.
Es scheint unglaublich, dass bereits 40 Jahre vergangen sein sollen. Während der Vorbereitungen kam mir so viel Wärme und Herzlichkeit entgegen, dass es ein Muss war, diesen Abend auch durchzuziehen.
Ein kurzer Rückblick: wir befinden uns im Jahr 1979: Das Projekt Altstadtgalerie, ich meine den alternativen Buchladen, schien bereits nach einem knappen Jahr gescheitert, zerbrochen am Desinteresse und der Ignoranz der Weidener Bürger. Man betrachtete uns wohl als schräge Vögel. Unerwartet kam Hilfe. Es kamen die Lehrer Evelyn und Wolfgang Herzer, Veit Wagner, Brigitte und Johnny van de Witt. Und mit den Lehrern kamen die Schüler. Plötzlich war Leben in der Bude. Aber echt!
Wir zeigten Filme und man rückte zusammen. Ich lernte BUHF kennen, die glorreichen literarischen Vier aus dem Kepler, die Ihr gleich im Stumm-Film sehen werdet, und bald war klar, dass wir eine Autorenlesung machen würden. Die ungewöhnlichen, nicht einzuordnenden Künstler hatten ein Büchlein mit ihren Texten gedruckt, illustriert von Dietmar Spörl. Mit einem schäbigen Zettel kündigten wir die Lesung am 15. März 1979 an. Gefilmt wurde dieser besondere Abend von Gerhard Steinbeck.
Bald stellte sich heraus, dass unsere Zukunft in den Händen der Weidner Jugend lag, und sie war orts - und heimatlos geworden. Als das JuZ 1979 geschlossen wurde, baute mir der liebe Fender den Buchladen in eine Kneipe um. Als Fenders Mundschenk fungierte Ernst L. Wittmann, der den Künstler der Wasserrohre mit unzähligen Litern Milch versorgte. Fender verschlief den Eröffnungstrubel völlig erschöpft in einem Schaukelstuhl mitten unter den Gästen. Der Trubel hörte nicht auf, ging Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr weiter:
Bald nach der Lesung machte Werner aus dem Kreis der Vier Aktionskunst mit der berühmten Motorsägeneinlage. Aus seinem Film-Dokument „Passion“ sehen wir gleich einige Sequenzen, die zeigen, was damals abging.
Weiterhin gab es immer wieder Konzerte und Ausstellungen, bis sich der Trend zum reinen Kneipenwesen durchgesetzt hatte. Wir waren dabei aber eine große Adresse geworden. Einige Berühmtheiten wie Otto, Haindling, Ambros, Gottschalk und auch Karel Gott kamen vor ihren Auftritten auf ein Tässchen Jever vorbei. So entstand eine andere Form der Kunst, in der viele, viele Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur so fröhlich miteinander lebten. Ja es war schön, und bevor ich zu heulen anfange, bedanke ich mich bei allen, die dabei waren...
und nicht zuletzt bei Wolfgang, der mit seiner Kompetenz, seinem Engagement und Herzblut diesen heutigen Abend ermöglicht hat.
Inge Rothballer
Weidens Kultkneipe
und seine Veteranen
Ein Erinnerungs-Abend im Kunstverein Weiden – mit Inge Rothballer, Hans-Jürgen Bröckl, Steffi Ulbrich, Werner Fritsch, Gerhard Steinbeck, Dietmar Spörl und anderen
Sa 07. Dezember 20 Uhr
Info
Grabstein der Kultur zu sagen, wenn man durch Weiden fährt und das NOC sieht, ist ein bisschen weit hergeholt, auch wenn die Stadt das Angebot des Investors abgelehnt hat, in einem der neuen NOC-Räume ein „Museum of modern Art“ möglich zu machen. Damit hätte man den künstlerischen Potentialen vor Ort eine feste Anlaufstelle geben können. Wie auch immer, gerade jetzt erfühlt hier der gereifte Weiden-Kenner auf der NOC-Fassade eine Inschrift, die ihn nicht ohne einen Anflug von Melancholie in die kulturelle Weidener Vergangenheit zurückbringt.
In den Jahren 1978 bis 1992 existierte just am heutigen NOC-Standort, Ecke Goethe - /Sedanstraße, die berühmte Altstadt-Galerie: Buchladen, Konzertraum, Galerie, Kneipe und Treffpunkt der damaligen Boheme.
Vor 40 Jahren, 1979 war es, ein Jahr nach der Gründung durch die Berlin-Rückkehrer Robby und Inge Rothballer, dass da die fünf Kepler-Gymnasiasten Hans-Jürgen Bröckl, Steff Ulbrich, Alexander Horn und Werner Fritsch eine bemerkenswerte Lesung veranstalteten und ein Textbuch mit dem Titel BUHF herausgaben, das der bildende Künstler Dietmar Spörl illustriert hatte.
Zu hören war Eigenes aus dem Geiste der deutschsprachigen Avantgarde u.a. a la Franz Mon und Oswald Wiener, die den Beweis erbringen sollten: Die Wüste lebt.
Man erinnert sich heute noch. Mit einem Erinnerungsabend, der am Sa 07. Dezember um 20 Uhr im Kunstverein Weiden stattfinden wird, folgt man somit auch einem oft geäußerten Wunsch und einer alten Sehnsucht. Im Zentrum der Veranstaltung soll eine Lesung der damaligen Autoren Bröckl, Ulbrich und Fritsch stehen, letzterer hatte, wie man weiß, aus diesem Kreis heraus eine beachtliche Schriftsteller- und Künstler-Laufbahn gestartet.
Es war eine Weidener Aufbruchs-Zeit, in der Namen wie Franz Joachim Behnisch, der unorthodoxe Lehrer am Kepler - Gymnasium und Autor und Herbert Achternbusch und die „Hammer-Connection“ Akzente setzten. Ebenso brachten Veit Wagner und der Filmclub, Alfred Hertrich und der Jazzzirkel, der früh vollendete Reinhard Tischler, der Multikönner Jeff Beer, natürlich Charly Aichinger und andere und anderes Licht und Klang in die heute fast vergessene Schattenwelt am Eisernen Vorhang. Besonders die Aufzeichnungen des Film-Profis Gerhard Steinbeck, der in besagter Zeit mit einer Studie des mit sich ringenden Max-Reger beeindruckte, versprechen, die alte Stimmung aufleben zu lassen. Sie sollen damit auch die Zungen des Publikums im Sinne des „Weißt Du noch?“ und des „Es war einmal“ lockern.
Wie einst in der Galerie werden sicherlich auch hier die Getränke aus der hausinternen Kneipe „Neues Linda“ den Vorgang beschleunigen, so dass man das Gefühl hat, als wär das alles erst gestern gewesen.
Wolfgang Herzer
»Still got the Blues«
Inge Rothballer erinnert sich
Dieses Lied von Gary Moore hat Radio Ramasuri beim Abschiedsinterview der Galerie gespielt.
Es scheint unglaublich, dass bereits 40 Jahre vergangen sein sollen. Während der Vorbereitungen kam mir so viel Wärme und Herzlichkeit entgegen, dass es ein Muss war, diesen Abend auch durchzuziehen.
Ein kurzer Rückblick: wir befinden uns im Jahr 1979: Das Projekt Altstadtgalerie, ich meine den alternativen Buchladen, schien bereits nach einem knappen Jahr gescheitert, zerbrochen am Desinteresse und der Ignoranz der Weidener Bürger. Man betrachtete uns wohl als schräge Vögel. Unerwartet kam Hilfe. Es kamen die Lehrer Evelyn und Wolfgang Herzer, Veit Wagner, Brigitte und Johnny van de Witt. Und mit den Lehrern kamen die Schüler. Plötzlich war Leben in der Bude. Aber echt!
Wir zeigten Filme und man rückte zusammen. Ich lernte BUHF kennen, die glorreichen literarischen Vier aus dem Kepler, die Ihr gleich im Stumm-Film sehen werdet, und bald war klar, dass wir eine Autorenlesung machen würden. Die ungewöhnlichen, nicht einzuordnenden Künstler hatten ein Büchlein mit ihren Texten gedruckt, illustriert von Dietmar Spörl. Mit einem schäbigen Zettel kündigten wir die Lesung am 15. März 1979 an. Gefilmt wurde dieser besondere Abend von Gerhard Steinbeck.
Bald stellte sich heraus, dass unsere Zukunft in den Händen der Weidner Jugend lag, und sie war orts - und heimatlos geworden. Als das JuZ 1979 geschlossen wurde, baute mir der liebe Fender den Buchladen in eine Kneipe um. Als Fenders Mundschenk fungierte Ernst L. Wittmann, der den Künstler der Wasserrohre mit unzähligen Litern Milch versorgte. Fender verschlief den Eröffnungstrubel völlig erschöpft in einem Schaukelstuhl mitten unter den Gästen. Der Trubel hörte nicht auf, ging Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr weiter:
Bald nach der Lesung machte Werner aus dem Kreis der Vier Aktionskunst mit der berühmten Motorsägeneinlage. Aus seinem Film-Dokument „Passion“ sehen wir gleich einige Sequenzen, die zeigen, was damals abging.
Weiterhin gab es immer wieder Konzerte und Ausstellungen, bis sich der Trend zum reinen Kneipenwesen durchgesetzt hatte. Wir waren dabei aber eine große Adresse geworden. Einige Berühmtheiten wie Otto, Haindling, Ambros, Gottschalk und auch Karel Gott kamen vor ihren Auftritten auf ein Tässchen Jever vorbei. So entstand eine andere Form der Kunst, in der viele, viele Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur so fröhlich miteinander lebten. Ja es war schön, und bevor ich zu heulen anfange, bedanke ich mich bei allen, die dabei waren...
und nicht zuletzt bei Wolfgang, der mit seiner Kompetenz, seinem Engagement und Herzblut diesen heutigen Abend ermöglicht hat.
Inge Rothballer