PASST XIV —
Krippen und Inseln
Brauchtum im Zeichen des Klimawandels
Zusammenarbeit Krippenfreunde im OWV
Ausstellungsdauer
22.11. 2019 – 19.01.2020
Eröffnung
Fr 22.11.2019 20 Uhr
Öffnungszeiten
Mi – Sa 20.30 – 24 Uhr, So 14 – 18 Uhr
Tag der Offenen Tür
08.12.2019 14 – 18 Uhr
Eröffnungsrede
Liebe Freundinnen und Freunde,
als ich im Juni diesen Jahres mit Stefan Voit beim Vilsecker Künstlersymposion eingeladen war und einen Vortrag über die Erweiterung des dortigen Skulpturenpfades an der Vils hielt, da wusste ich noch nichts davon.
Ich hätte etwas ahnen können, weil ja der Vermieter unseres Hauses mit mir immer wieder mal ins Plaudern gekommen war, über zukünftige Dinge, über dies und das, aber die Hitze des Sommers war so stark, dass einem der Verstand stehenbleiben und verdampfen wollte.
Dabei stand unserem KV eigentlich das Wasser bereits bis zum Hals. Als Titel für PASST XIV war, wie treffend, der Begriff Inseln festgelegt worden. Beim Festessen in der kühlen Vilsecker Burg mehrten sich dann die Zeichen, ohne dass ich das auch schon hätte so deuten können, wie es dann kam. An der langen Tafel, in einer langen Kultur-Ritter- Rinnen und Ritter-Runde, saß ich, wie sich im Gespräch herausstellte, neben dem Chef der örtlichen Krippenschnitzer-Vereinigung.
Wir tauschten Adressen, ich habe ihn und seinen Verein als Gäste zur PASST-Ausstellung 2019 eingeladen. Vielleicht machen die Schnitzer mit, dachte ich. Insgeheim änderte ich den Titel in „Krippen und Inseln“. Das könnte eine interessante, ungewöhnliche Schau werden, dachte ich, die auch zielgenau Kern und Grenzenlosigkeit der Kunst versinnbildlichen würde. Dachte ich.
Und Ihr ahnt schon, dass sich hier im thematischen Werdegang unserer diesjährigen PASST-Ausstellung unaufhaltsam etwas zusammenbraut.
Dies unterschwellig dergestalt Angst verbreitend, dass sich in dieser kühn gehängten Ausstellung mit rund 50 Exponaten gerade mal 20 Teilnehmer/Innen zusammen gefunden haben, zum alljährlichen Segelturn hinaus auf das wilde Meer kreativer Vorstellungen.
Titel und Untertitel haben mit dem Denkanstoß, den die Begriffe Krippe, Insel und Brauchtum, auf dessen Herkunft ich gleich noch eingehen werde, enthalten, meine ich, noch nie so gut gepasst, zur gemeinschaftlichen Bilderwelt in unseren Köpfen, zur Jahreszeit und zur Zeit überhaupt, und unser kunstkultureller Mikrokosmos schien auf der Höhe seines Anspruchs, kritisch-kreativ zu sein, wieder einmal gerettet. Wir Macher und Ihr Mitmacher, wir dürfen uns wieder einmal bestätigt fühlen, dass trotz mancher Unpässlichkeiten unsere Methode doch immer wieder funktioniert.
Und Unpässlichkeiten!? Was ist das schon im Vergleich, wenn in diesem Jahr u.a. unsere letzten drei Sponsoren abspringen und nach mehrfachem Nachhaken nur einer wieder an Bord kommt, ja was ist das im Vergleich mit einem Schlauchboot im Mittelmeer.
Sie wissen, was ich meine, man freut sich allein an der Tatsache, noch am Leben zu sein. Vielleicht ist die schwache Teilnahme bei PASST XIV dadurch zu erklären, dass der nahe Wirklichkeits-Bezug unseres Themas zu schmerzhaft ist, um ihn bildnerisch bändigen zu wollen und zu können. Ja, die Stichworte, die das Thema auslöst, können richtig wehtun, können stechenden Schmerz machen: Flüchtlinge, Anstieg des Meeres-Pegels, CO2-Urlaub in der Karibik, Herbergssuche in Europa, Robinson, Alleskönner im Meer der Digitalisierung, den bald Niemand mehr braucht , Schutzraum Scheune-Insel-Brexit, welche Tiere wären in der Insel-Krippe? Die Fliegen aus dem Buch: Herr der Fliegen?
Dabei hat sich die Themenfindung so heiter angelassen, ihr Abschluss entsprang einer Blödelei zwischen Maria Weber und mir, gepflegter gesagt heißt das Brain-Storming, als wir uns über unsere Mitgliedschaft im Weidener Heimatring unterhielten.
Diese Mitgliedschaft belohnt alljährlich 70 Kultur tragende und Brauchtum pflegende Vereine durch eine städtische Förderung von 450 €, sie verlangt aber auch etwas. Was unsere kunstvereinsspezifische Identität und unser Zugehörigkeits-Gefühl anbelangt, fordert sie zu einer mentalen Grätsche heraus, die zwischen 90% Brauchtum und 0,2 % Gegenwartskunst liegt.
Kein Problem, das ist die wahre Kunst, und während Maria und ich dieser Herausforderung nachgingen, Brain Storming machten über der Frage, wie man aus Teilen ein Ganzes macht, und schließlich bei der jetzigen Thema-Formel ankamen, sorgte Robert mit dem Neuen Linda dafür, dass die beschwingten Publikums-Massen weiterhin bis an die Schwelle der Ausstellungsräume branden und sich überlegen, ob sie die Nachtöffnungszeiten nutzen sollen, und manche tun es dann wirklich, drücken die Klinke und durchwandern mit einem Bier in der Hand unsere Kunstschau. Ihnen sei hier gedankt, ebenso allen anderen Helferlein, auch, wenn sie nur von uns erzählen, und umso mehr, wenn sie Einfälle der Art haben, wie Familie Hys, die eines Abends mit Farbeimer und Pinsel kamen, um die matt gewordenen Wände zu weißeln.
Noch eine Erfreulichkeit: Der erweiterte Kunstbegriff, dem wir anhängen, verdanken wir es, dass die Räume nicht nur von Artefakt-Herstellern belebt sind, alle Vereine und Gruppierungen, die sich dem human-ökologischen Fortschritt verschrieben haben, können hier ein Dach über dem Kopf finden und sich im Zeichen künstlerischer Denk- und Handlungsformen zu Hause fühlen.
Das geschieht immer häufiger und bringt den Kunstverein und das Linda, das mehr als ein Gewerbebetrieb ist, konzeptuell in den Zusammenhang mit Künstlern wie Joseph Beuys und Christine Hill, die durch ihr Volks-Boutique-Konzept bekannt geworden ist, ein Konzept, das den Beuysschen Gedanken, dass jeder Mensch ein Künstler ist, auf das Dienstleisterwesen anwendet. „Service-Art“ heißt das.
Die Einladungskarte, die es auch als Jahresgabe gibt, bricht diese ganze, freilich nicht nur heitere, sondern auch sehr gemischte Ideenlage von der globalen Ebene bis hierher, auf die Weidener Vorstadts-Ebene herunter. Da wird aus Greta Thunbergs Segelboot, das in die Neue Welt steuert, die mobile Krippe und die Zukunft des Kunstverein, die Sechzehnjährige übernimmt die Rolle des Heilsbringers, was mich an den Rio-Raum und die hiesigen FFF-Leute denken lässt, die bei uns Laternen gebastelt haben, und der steigende Meeres-Pegel verlegt Stall und Stern auf ein Eiland mit Klimagipfel. Na, das klingt doch Klasse, da sehe ich schon all die politischen Hirten und Könige aus Weiden, die kurz vor der Wahl am Bildrand auftauchen und der wie neugeborenen Hoffnungskultur in der Krippe, mitten unter den Menschen, jenseits von Arm und Reich ihre Aufwartung machen.
In diesem Sinne haben auch wir selber wieder 2019 einen PASST-Teil eingerichtet, der das gesellschaftlich-kulturell normalerweise eher Getrennte zusammenführt, ähnlich wie das unsere Waben-Aktion schaffte, die 2012 anlässlich unseres 25 jährigen Bestehens die Weidener Vereinswelt im gemeinsamen Projekt „Vereint“ vereinigte. Der diesbezüglich ganz besondere Brücken bildende Beitrag 2019, nämlich echte Volkskunst und Brauchtum von Heute, kommt aus Plößberg, dem Standort der weltweit größten Krippenschau, auf die ich nach dem Such-Impuls aus Vilseck im Internet gestoßen war.
Der Vorsitzende der Krippenfreunde im OWV, Hubert Haubner, und ich sind beide Freunde der Kooperations-Einstellung und verstanden uns sofort. Es handelt sich um eine Leihgabe von zehn klassischen Krippenmotiven in regionaler Kulisse, die in der Ledererstraße auf Wandkonsolen der Schreinerei Haubner stehen und der Ausstellung den besonderen Akzent geben. Das inspiriert Geschnitzte aus der Hand der Krippenfreunde im Oberpfälzer-Waldverein Plößberg bildet dabei einen starken und herausfordernden Gegensatz zu ihrem Umfeld im Ausstellungsraum, das sich an Positionen heutiger Kunstströmungen orientiert.
Doch zugleich hat es auch ergänzenden Charakter und stimmt in die weitgehend abstrakte bildnerische Reflexion der Ausstellung, die über das menschliche Heil und den Weg dorthin geht, mit höchster figurativer Ausdruckskraft ein.
Und ich muss gestehen, was ich da in einem Nebenraum der Haubnerschen Schreinerei gesehen habe, war zuerst ein Schock. Dass es so etwas gibt. Ich war mit den Erwartungen angekommen, die man eben so hat, wenn man Krippe und Volkskunst hört und die Erinnerungen an den üblichen Weihnachtsrummel hochkommen. Was ich da aber sah, hatte mit all dem nichts zu tun.
Es war so tröstlich.
Es war so schön.
So lebendig.
So wunderbar.
Richtig gute Kunst!
Ich muss gestehen, ich habe geheult.
Und ich denke, jetzt sind wir gewappnet und können, was ich eingangs angedeutet habe, ertragen, was sich zusammen gebraut hat, darf jetzt raus. Es senkt sich wie ein schwarzer Meteor dem Krippen-Dach entgegen.
Schwarzer Meteor heißt Kündigung, das häufige Los von Kultureinrichtungen auf Herbergssuche trifft jetzt den Kunstverein. Immerhin hat es 20 Jahre gegeben! Das war für Weiden und uns und die Kunst ein Glücksfall.
Vage hat es sich im Herbst angekündigt, steigerte sich bis zur Gewissheit vor acht Wochen, da gab es ein Gespräch mit dem Vermieter; das Linda-Haus soll weg, zu Gunsten von Eigentumswohnungen, die Räume, wo wir uns gerade befinden, könnten bleiben, der Vorstand hatte bis dahin über ungelegte Eier nicht sprechen wollen. Einen festen Zeitpunkt gibt es allerdings immer noch nicht, es gibt mittlerweile aber eine Gerüchteküche, wo man sogar von Chancen munkelt. Wie auch immer. Allemal ist es an der Zeit, dass Ihr, der Mitglieder - und Freundes-Kreis, erfahrt, was zu erfahren ist, aus erster Hand. Es hat noch nicht das Format, um an die große Glocke gehängt und öffentlich gemacht zu werden, heißt die Medien wollen wir noch außen vor lassen, wir bitten da um Verständnis, Trost und was man sonst noch brauche könnte nach der Vertreibung aus dem Paradies.
Und da sind wir wieder bei der Kunst selber, bei den Mythen und Bildern, die der Verstand braucht, um nicht im Wahnsinn stillzustehen. In Folgendem werde ich das machen, was der eigentliche Sinn einer Laudatio ist, das nämlich nicht, dass da einer den Sinn der Sache herausoperiert, sondern das, dass da einer unter dem blauen Himmel unserer Leitgedanken den Dialog eröffnet und einlädt, auf zarte Art weitere Entdeckungen zu sammeln und Schlüsse zu ziehen, und der nicht unbedingt recht haben will, das überlässt er den anderen, Gedanken-Tennis ist angesagt, ein gutes Spiel soll es werden.
Und wenn ich den Blick auf das schwarze Feld richte, auf das Ismene Resatsch ihr Greta-Bild platziert hat, zuverlässig wie immer mit der Kraft eines Tornados ganze Bilderberge vor sich hertragend, sehe ich nicht schwarz, sondern die Tafel, auf der unser Thema steht. Dieses Jahr waren die meisten Teilnehmer mit ihren Arbeiten sehr dicht am Thema, Bei Ismene kein Thema! Sie lässt kein Thema aus, so wie man die Seiten der Zeitung wendet, wendet sie die Leinwände, Wind und Segel, wir stechen in See.
Michaela Bios Foto-Performance Jeanne d`Arbre, oder auf deutsch: die Johanna der Bäume, gibt sich, wenn man mit der Autorin spricht, zum einen als Zeichen eines persönlichen Selbstfindungs-Vorgangs zu erkennen. Zum anderen aber bezieht sich die Arbeit auch unabhängig vom persönlichen Zusammenhang, auf verschiedene Schöpfungsmythen, die den Ursprung des Menschen nicht in die unbelebte Lehm-Natur der biblischen Überlieferung legen, sondern in die lebendige Baum-Natur der nordischen Kulturen.
Die Natur setzt sich immer durch, heißt es da bei Christine Coscins Farbstift-Zeichnung und führt uns zur Anschauung einer ähnlichen Polarität, hier ist es dabei nicht die menschliche Anatomie bzw der Mensch in seinem Körper, der auf heilende Art der Naturform folgt, was die Autorin den Betrachter bei intensiverem Betrachten sehen lässt, ist die Verschmelzung bzw Auflösung einander begegnender technoider und biologischer Strukturen, Heilssuche heißt hier Balance-Findung.
Petra Heimanns dunkel gehaltenen, lichtaufblitzenden Fotografien arbeiten mit Überblendungen, in denen der Anblick der Lagunenstadt mit ihrem Wasserwege-Netz die Suggestion eines Organismus entwickelt, dabei wird die Betrachtung nicht nur auf den naturalen Ursprung des Menschen gelenkt. Mit dem Goldgrund, der den Himmel analog zur mittelalterlichen Kunst im Sinne einer Geist-Räumlichkeit füllt, treten auch christlich-abendländische Her- und Zukünfte in den Fokus, die symbolische Bedeutung der Fortbewegungsmittel Gondel und Straßenkreuzer in diesem Rahmen liegt auf der Hand.
Eva Herzer endlich, sticht mit ihrem Keramik-Schiff unter der Glasvitrine in See, es ist, so wie der Körper des Harpuniers Queequeg aus Moby Dick mit Tätowierungen bedeckt ist, mit einer ornamentalen Bemalung von paradiesisch floraler Natur überzogen, zur Abschreckung der bösen Geister, zur Feier der Totem-Tiere, die auf den Inseln darauf warten, ihre Botendienste, die mit den jenseitigen Welten jenseits von G5 versöhnen sollen, wieder aufnehmen zu dürfen.
Ist das eine naive Hoffnung? Nicht weit davon platziert sich Wolfgang Herzers Flaschenpost in der Flaschenpost in der Flaschenpost, hier wird ein Insel- und Flaschenpost-Comic aus Everywen, aus der Welt der Lückenknüllerkids erzählt und in einer Flasche auf den Weg gebracht. Adresse: Alle Kind-Gebliebenen und solche, die es wieder werden wollen. Progressive Regression, zurück zur Natur, zurück zu den Wurzeln.
Bärbel Hornung verbindet in ihrem astronomischen Reisebild, das qua feinst gestufter altmeisterlicher Ölmalerei in das modern-erforschte Weltall führt, Verschiedenes zu einem komplexen Ausdeutungs-Angebot: Das alles umfassende Männchen-Ideogramm , das vielleicht die Größe und Grenze menschlicher Erkenntnis meint, die Schwärze von Nachthimmel und Schwarzem Loch, die technoide Form und der licht-physikalische Code des Sternen-Scheins und die Ölmalerei selber als kultur-und religionsgeschichtlicher Topos, als Formel-Element einer Weltanschauung, die in der Renaissance den Himmel auch im Irdischen der Erde zu entdecken erlaubte.
Rosemarie Hys schenkt uns seit vier Jahren mit Forsetzungen eines Foto-Comics, der von der stürmischen Suche eines Rambo-Manschkerls nach beständigen Werten erzählt. Der große Vorlage-Stallone-Rambo, der sein Leben einer großen nationalen Idee opferte und von den Repräsentanten dieser Idee verraten wurde, schickt hier sein Däumling-Double in verfremdenden Bildausschnitten rund um den steinernen Tisch Richtung Fischerberg auf Herbergssuche, leider ist das ehemalige Zollhaus am Rand des Fischerbergwaldes seit langem geschlossen, Klein-Rambo muss weiterziehen, bis zum nächsten Jahr, bis zum Vierlingsturm.
Olga Kelbig: „Der Mensch auf der Suche“ titelt die Künstlerin ihr großes Akryl-Gemälde, das aus der Ferne Buntheit zeigt, vielleicht die Buntheit, die liberale Gemeinwesen anstreben sollten, in der Nahsicht wird ein Gemenge einzelner, aufgereihter Figuren erkennbar, ihre stempelartige Serialität könnte an Andy Warhols Marylins und deren Versprechen denken lassen, dass auf der Spitze für jede und jeden Platz ist, Platz genug, um einmal im Leben 5 Minuten lang ein Star zu sein.
Hella Kirschners „Der letzte Eisberg“ ist eine düstere Vision in Brettspiel-Größe, die einmal den Menschen in den Fesseln seiner Handels-Konsequenzen zeigt, und einmal im Gestus des Buddha unter dem Baum der Erkenntnis nahe der grünen Zündschnur. Interessant in dem Zusammenhang auch der Wandel der Material-Symbolik, die mit der Styropor-Scholle und dem Kunststoff überhaupt gegeben ist. Die einstigen Tupperware-Träume vom perfekten Haushalt und von der besten Wärme-Dämmung sind zum Entsorgungs-Alptraum geworden, die rote Linie ist überschritten, die Grüne Zündschnur glimmt.
Uwe Müllers Seidenmalerei „Inseln des Lebens“ versammelt viele Motive seines Netzwerk-Programms, in dem der Kopf-Füßler EWU, eine Art Selbstbildnis und eine bildnerische Verdichtung der Kopf und Bauch-Balance, die Weichen stellt. Die Struktur erinnert an die Gsellmannsche Weltmaschine, die nach Jahrzehnte langer Montage, als sie in Betrieb genommen werden konnte, das Maschinen-Wesen ad absurdum geführt hat und etwas produzierte, wovon man nie genug bekommen kann, Welt, eine eigene Welt, die nichts wieder als nur wieder Welt herstellen kann. Wenn man die hat, fügt sich alles andere wie von selber. Aufbruch ist Ankunft.
Frank Nickley hat auch dieses Jahr wieder den Weg aus Bamberg nicht gescheut, um uns und sich selber zu überraschen, ob und wie er hier immer noch rein-Passt. Er passt. Aber pst! Wer ist denn da auf dem Wasserweg unterwegs?
Eine humorig ausgelegte Bibelpassage klärt uns auf: Johannes der Täufer auf dem Weg zur Arbeit, eine Örtlichkeit, in der sich himmlisches Blau mit dem Regen - oder sind es Tränen - verbindet, der Logik des Arrangements entsprechend müsste das dritte Bild das „Traute Heim“ des Täufers markieren, insgesamt eine starke Herausforderung an die tiefsitzenden klerikalen Muster unserer Weltsicht, noch dazu, wenn der Autor aus einer Bischofsstadt kommt.
Margarete Seers Beitrag „Weihnacht“ ist Teil einer nicht nur überlieferten, sondern einer tatsächlichen Suchaktion, die Suche nach den Herbergssuchern, das Original der Marien-Mutter, das der Künstlerin vor kurzem als so passend für diese Ausstellung wieder in die Erinnerung gekommen war, war vor langem gemalt und glücklich veräußert und vergessen worden. Welche Bedeutung religiöse Motive im Werk von MS haben, weiß ich nicht. Vielleicht gibt es nur dieses eine Bild. Und jetzt diese Ausstellung, wo es wirklich gepasst hätte: zu spät! Nur noch Erinnerungs-Bild. Alles Grübeln und Suchen half nichts. Glücklicherweise gibt es Fotos und die Hoffnung, dass Maria anderswo auch nicht schlechter als hier angekommen ist. Die Hoffnung verschwindet zuletzt.
Soweit ich sehe, liebt Axel T Schmidt die Polarität von Masse und Individuum und ihre Verbindung in herdenmäßigen Atavismen. Da werden Kennzeichen des Individuellen in feiner und feinster Ausdifferenzierung - man denke an seine heißen ins Eis schießenden farbigen Wachswurzeln - mit verschiedenen normierten Prägerahmen verbunden. Gemeint sind Einhausungen architektonischer, gesellschaftlicher, materieller Art, die der Kenner Schmidts unter den Bezeichnungen Tunnel, Schrift und Eisblock und anderem kennt.
Unter den Worten „Nur-Für-Dich“, die beides sein können: Schlager-Klischee und einsame Hingabe, werden die Stellen des beschriebenen Musters wie folgt besetzt: Mit der Nachbildung einer offenen Norm-Badekabine aus dem speziellen Weidener Schätzlerbad, hier wandelt sich der Passanten-Modus von Männern und Frauen in den Badegast-Modus. Der soziale Körper häutet sich. Diese Transformationszelle hat, wie deutlich zu erkennen, eine besondere Nummerierung, so klein die Bild-Größe der Ziffern auch ist, sie verkörpert eine Menge, an ihr ist individuell menschliche Verortung festgemacht, im Raum von Massen-Betrieb, Anstaltsreglement, Geschlechtlichkeit, personaler Intimität, Identität und Voyeurismus. Nr 125. Eine Nummer unter vielen. DIE eine, und einzige.125. Only you!
Was das Zahlensystem der genannten Badekabinen ist, ist bei Tone Schmid ein Feld aus mehreren Magneten, deren Anziehungs - und Daseinsfelder miteinander konkurrieren, sie sind unsichtbar in der Deckel-Platte eines Sockels eingelassen und bewegen ein darüber hängendes Objekt auf unvorhersehbaren Wegen.
Ein im Fluss abgeschliffenes Stück Wurzel, knorrig und knurrig ist es, wie ein Schweinehund, das ist der Titel, dazu noch entsprechend abenteuerlich appliziert und mit einem Blindenstock ausgerüstet, der sich mittels einer Feder bewegt und die Sockelkante in immer wieder neuen An- und Abläufen abtastet.
Eine Situation, die ganz in der Art Becketts aus der Quadratfeldkante den Schimmer eines Hoffnungshorizontes holt. Auch an Moses, der in der Wüste mit seinem Stab den Wasserfelsen peitscht, darf gedacht werden, zu allerderst musste ich aber an den einbeinigen Piraten John Silver aus der „Schatzinsel“ denken ... Tock, Tock, Tock. Herbergssuche, Schatzsuche.
Marille Singer arbeitet in ihren Darstellungen in der Regel material-betont und setzt figürliche Lineamente als Grattagen ins Bild, in denen sich Bildinhalt und reine Textur die Waage halten. Dabei gewinnen die malerischen und zeichnerischen Bereiche ein inhaltlich offenes Eigenleben, das die erzählerische Fantasie in ganz verschiedene Richtungen bewegen kann. In „Letzte Vision“, so der Titel des ausgestellten Hochformats, treten die Ausdrucks- und Symbolwerte der Farbe Blau in den Vordergrund, das ist die Farbe, die die deutende Sicht spontan mit Wasser, Himmel, Gesetz und Ordnung verbindet, wie wir auch von der Autobahn-Beschilderung her wissen.
In der aufstrebenden orthogonal-architektonischen Gliederung des Bildes, die sich vage nach dem Muster einer kolossalen Wächtergestalt formt, festigt sich dieser auch kühle und intellektuelle Eindruck, er wird zum Gehege einer gegensätzlichen Emotion, die in dem kleinen roten Elemente im Bild-Basis-Bereich ihre Verkörperung findet.
Manfred Ullrich, ist ein figuratives Meistertalent, das uns vor längerem mit unvergesslichen Kopien der Nachtwache und des Mannes mit Goldhelm beeindruckt hat, wir durften Große Pinakothek spielen.
Aber da war der Rembrandt-Fan längst schon wieder zu neuen Ufern unterwegs, zurück zu den kunst-physiologischen Quellen, zur emotionsgeladenen Bewegung, zur reinen Farbe und zu den Kontrast- und Verbindungsregeln, die wie der Philosoph sagt, nicht zuletzt auch unsere Sicht auf den Sternenhimmel und das moralische Gesetz in uns in gleicher Grundsätzlichkeit bestimmen.
Kunst als Orientierungshilfe und Wegweiser auf dem Weg zu sich selbst. Wenn man mit Manfred spricht, merkt man, das ist ein Weg voller Herausforderungen, Turbulenzen und kannibalischen Inseln, der von manchen Rembrandt-Fans gerne als leichter eingeschätzt wird, als er ist.
Auch Stefan Ullrich ist auf dem Weg und fasst nach den Sprossen der Kunstgeschichte. In dem Gemälde auf Leinwand-kaschierter Platte „Purple Field – leading into the distance“ tritt die ästhetische Idee, die ihn motiviert, ganz besonders deutlich hervor. Wir haben dies durch ein graues Umfeld verstärkt. Die illusionistische Realitätsnähe wird in Form und Farbe weit gehend reduziert, bis auf den Kern des rein Optischen, den Fleck, der in ahnungsvoller Unbestimmtheit im Flächen-Raum schwebt.
Beachten Sie das Leuchten, in dem die reine Farbnatur der Farbe zur Erscheinung kommt, bei sich selber ankommt und zum reinen Klang wird, um mit Kandinsky, dem Zivilisations-Kritiker, zu sprechen. In dessen Wahrnehmung haben wir es mit einem magischen Klangzeichen zu tun, das auf das zivilisatorisch verloren gegangene Bewusstsein für die innere Natur der Dinge verweist. Dass Stefans Bild, das mit der Präsentation der konkreten Farbnatur auch die Natur im Allgemeinen meint, die Assoziationen mit der industriellen Landwirtschaft in den Umrissen der Farbfelder zulässt, ist Konzept. Siehe auch das kleine Bild „Roller“, das in diesem Zusammenhang „Maschine und Farbnatur“ heißen könnte.
Victor Volodarsky und Olga Volodarska präsentieren jeweils Arbeiten mit den Vergänglichkeits-Atmosphären von Dämmerung, Nacht, und Herbst.
Der kraftvoll elegante, auch kalligraphische Farbauftrag bei Olga Volodarska lässt in der Dunkelheit Erinnerungen an die Bewegungsmuster aller Natur-Sphären zu. Wind, Bäume, Wasser, Wellen. Der Wunsch nach einer Insel, nach einem festen Hafen ist groß.
Die Herbst-Inseln von Victor Volodarsky, die über den herbstbraunen Untergrund verstreut sind, der immer dunkler und unansehnlicher wird, sind vergoldete Blätter. Die Natur wird zur Heiligen Schrift. Gold ist beständig, krisenfest, behält seinen Wert, ist ewig, und, wenn man einen derart unromantischen Link wagen möchte, nicht nur ein spirituelles, sondern auch ein ökonomisches Kreislauf-Stabilisierungs-Symbol für den Banker.
Irene Fritz hat das Papier-Falt-Schiffchen zum Kennzeichen ihrer verschiedenen künstlerischen Arbeitsfelder gemacht, in denen die Jugend-und Kinder-Arbeit eine zentrale Rolle spielt. Drei Tondos, außerkünstlerisch auch Pappteller geheißen, mit Seefahrts-Motiven setzen quer durch die Räume Akzente.
Bildung von Kindesbeinen an im Gegensatz zu funktioneller Schulung ist dabei ein hohes Ziel, wenn die Erwachsenen überfordert sind und ihrer Vorbild-Funktion nicht mehr gerecht werden. Das ist die Botschaft. Um so ermutigender ist es, wenn man im Fall der FFF-Bewegung erlebt, dass in der Klima- und Zukunftsfrage die Kids selber ein ausreichendes Selbsthilfe-Potential haben und auf vorbildliche Art nutzbar machen können. Die Rundformate, die hier den Blick lenken, sind nicht nur dekorative Unterlagen, sie wollen auch, dass wir ihre Inselform als symbolische Verkörperungen der Kunst sehen, die sich allen Diskursen als Friedens - und Freiheitsraum öffnet.
Sind wir nicht alle reif für die Insel? Leider steigt der Meeresspiegel jährlich um 3,9 mmm. Wir müssen uns beeilen.
Claudia Kneidl bricht und mischt die Weihnachtsgeschichte mit ihrem zentralen Motiv der Herbergssuche, die zum Stall führt, mit 3 Bildern heutiger Stallkultur, die weit entfernt von der biblischen Utopie einer Gemeinschaft liegt, die Tier und Mensch ebenso wie Arm und Reich verbindet.
Auf einem langen Textband, auf dem der Original-Text informativ und nüchtern wie auf einem Presseticker durch das Bildfeld zieht, treten mehrmals die in sich sanft bewegte Mutter-Kind- und die Stallsilhouette in Erscheinung, wobei sich letztere nach klassischer Märchen-Art 3x als Vorhof zum Schlachthaus outet.
Das letzte, 4. Bild lässt endlich doch noch durchatmen. Gerettet. Dann kommt die Flucht nach Ägypten. Ich kann mich noch an mein erstes Weihnachten in der Oberpfalz erinnern, da war ich sieben, gerade mal der Krippe entsprungen. Ich lebte in der Seifenblase unendlichen Unwissen darüber, dass es vor mir eine andere Zeit, ja überhaupt Zeit und einen Weltkrieg gegeben hatte.
In der Arbeit von Professor Dietmar Spörl, „Halt mal die Luft an“, wird die Formatgröße selber zum bildnerischen Ausdrucksmittel. Die Farbe hat Wucht. Sie tritt uns entgegen. Wahre den Abstand! Sie stellt in der gegebenen Ausgedehntheit eine unmittelbar körperlich-physische Beziehung mit dem Betrachter her, sie wird Subjekt, das ihn in Bann schlägt, ihm in allen seinen Positionierungen im Raum folgt.
Außerdem verstärkt das Bild die grundlegende Eigenschaft, über die darstellende Bild-Funktion hinaus auch ein Teil der Wand zu sein, in dem sie in kleinen rechteckigen Akzenten die Orthogonalität der äußeren Raum-Architektur mit der inneren Bildarchitektur verschränkt. Damit ist eine Bühne gegeben, deren gleichwohl minimalistische Ausstattung, die stilistisch in die Konkretion geht, einen sprechenden, prologischen Charakter hat.
Die Atmosphäre, die vorherrscht, ist existentialistisch und steigert sich hier im heftig gestikulierenden Auftritt der Darsteller, einem roten, verletzten Herz, das mit dem heftigen Schwung einer Möve in die Höhe davonschwebt, drei kreischenden Möven und einer männlichen, aus Wischbewegungen zusammengesetzten Figur, die bis in jede Faser Eile suggeriert und sich im freien Fall befindet.
Sie könnte Spörls Hauptdarsteller sein, aber um mich da festzulegen, kenne ich sein Werk nicht gut genug. Das Ganze ist vielleicht aber auch, und das würde mir gefallen, als Paneel eines großen Francis Bacon-Comic zu lesen.
Maria Weber: "Ganz einfach, halt..." Keramik, Papier handgeschöpft, Pflanzen, Holz. So der Beipack-Zettel. Ja, liebe Maria, ganz leicht ist es, auch wenn es nie leicht ist, wenn man genug Rückhalt hat, und vielleicht hast Du den in Deiner kreativen Neigung, die Dich immer wieder zum Naturschönen führt.
Von diesem Rückhalt habe auch ich bei diesem Ausstellungs-Aufbau sehr profitiert, und es blieb spannend, bis zur letzten Minute, bis endlich heraus war, welcher Art Dein Kunstwerk werden würde. Sorgfalt, Umsicht, ästhetischer Sachverstand, Hartnäckigkeit und tiefe Verbundenheit mit der Kunst und dem Künstlervolk hat hier nun eine Gedenkstelle erhalten. Besten Dank. Diese Ecke im Ausstellungsraum ist mittlerweile Dein Stammplatz geworden, und dass Du heute dort eine Art Altar errichtest, mit Keramik-Kerzenhaltern in der schlanken Gestalt von Genien, das sind Schutzgeister, und Blumenkindern, die an das Bild „Aurora - die Morgenröte“ von Phillipp Otto Runge denken lassen, das ist im Kontext unserer Vereinsgeschichte schlüssig.
Hilde-Lindner-Hausner. Schwimmende Inseln der Hoffnung: Dir Hilde, möchte ich meinen ganz besonderen Dank aussprechen, dafür dass Du mitgemacht hast, als eine der tragenden Repräsentantinnen der hiesigen Umweltbewegung hast Du eigentlich genug anderes zu tun, doch ohne Träume fehlt halt die Kraft zum Kämpfen.
Kunst ist Traumpflege. Dementsprechend steckt in jeder Deiner Baumscheiben-Inseln ein Stück Hambacher Forst und Weiden-West. Jede dieser Inseln ist eine Traum-Kraft-Tankstelle, völlig CO2-frei.
Hilde selber erläutert: Inseln für Vertriebene, Geflüchtete, Gerechtigkeitssuchende, Menschenrechtsschützende, Klima-, Friedens-, Umweltbewegte, Verzweifelte, Haltlose, Herbergssuchende.... die im Neubeginn den Fortbestand suchen.
Die steigende Flut kann ihnen nichts anhaben auf ihren schwimmenden Inseln
Danken möchte ich nun zum Abschluss auch Steff Ulbrich und Hans Jürgen Bröckl, dass wir Bilder von Ihnen haben, Ihnen wird im Zusammenhang einer Extra-Veranstaltung, die Inge Rotballer mit dem KV durchführen wird, richtig Raum gegeben. Die angesprochene Veranstaltung findet am 7. Dezember statt und führt das Publikum in das Jahr 1989, als Inge Rothballer die berühmte Altstadtgalerie, vielleicht die Vorgängerin des Linda, betrieb und das war auch so eine Art Stall-Herberge und sie, die Inge, war so eine Art Muse und Mutter Gottes für Junge Künstler: Besonders für Hans Jürgen Bröckl, Steff Ulbrich, Alexander Horn und Werner Fritsch, sie lasen da aus eigenen Schriften. Es gibt auch einen Film darüber, den wir dann sehen können.
Lang ist es her. Und dann war es zu Ende. Und dann war es zu Ende. Zu Ende, zu Ende ... Und dann geht es weiter. Immer weiter.
Wolfgang Herzer
PASST XIV —
Krippen und Inseln
Brauchtum im Zeichen des Klimawandels
Zusammenarbeit Krippenfreunde im OWV
Ausstellungsdauer
22.11. 2019 – 19.01.2020
Eröffnung
Fr 22.11.2019 20 Uhr
Öffnungszeiten
Mi – Sa 20.30 – 24 Uhr, So 14 – 18 Uhr
Tag der Offenen Tür
08.12.2019 14 – 18 Uhr
Eröffnungsrede
Liebe Freundinnen und Freunde,
als ich im Juni diesen Jahres mit Stefan Voit beim Vilsecker Künstlersymposion eingeladen war und einen Vortrag über die Erweiterung des dortigen Skulpturenpfades an der Vils hielt, da wusste ich noch nichts davon.
Ich hätte etwas ahnen können, weil ja der Vermieter unseres Hauses mit mir immer wieder mal ins Plaudern gekommen war, über zukünftige Dinge, über dies und das, aber die Hitze des Sommers war so stark, dass einem der Verstand stehenbleiben und verdampfen wollte.
Dabei stand unserem KV eigentlich das Wasser bereits bis zum Hals. Als Titel für PASST XIV war, wie treffend, der Begriff Inseln festgelegt worden. Beim Festessen in der kühlen Vilsecker Burg mehrten sich dann die Zeichen, ohne dass ich das auch schon hätte so deuten können, wie es dann kam. An der langen Tafel, in einer langen Kultur-Ritter- Rinnen und Ritter-Runde, saß ich, wie sich im Gespräch herausstellte, neben dem Chef der örtlichen Krippenschnitzer-Vereinigung.
Wir tauschten Adressen, ich habe ihn und seinen Verein als Gäste zur PASST-Ausstellung 2019 eingeladen. Vielleicht machen die Schnitzer mit, dachte ich. Insgeheim änderte ich den Titel in „Krippen und Inseln“. Das könnte eine interessante, ungewöhnliche Schau werden, dachte ich, die auch zielgenau Kern und Grenzenlosigkeit der Kunst versinnbildlichen würde. Dachte ich.
Und Ihr ahnt schon, dass sich hier im thematischen Werdegang unserer diesjährigen PASST-Ausstellung unaufhaltsam etwas zusammenbraut.
Dies unterschwellig dergestalt Angst verbreitend, dass sich in dieser kühn gehängten Ausstellung mit rund 50 Exponaten gerade mal 20 Teilnehmer/Innen zusammen gefunden haben, zum alljährlichen Segelturn hinaus auf das wilde Meer kreativer Vorstellungen.
Titel und Untertitel haben mit dem Denkanstoß, den die Begriffe Krippe, Insel und Brauchtum, auf dessen Herkunft ich gleich noch eingehen werde, enthalten, meine ich, noch nie so gut gepasst, zur gemeinschaftlichen Bilderwelt in unseren Köpfen, zur Jahreszeit und zur Zeit überhaupt, und unser kunstkultureller Mikrokosmos schien auf der Höhe seines Anspruchs, kritisch-kreativ zu sein, wieder einmal gerettet. Wir Macher und Ihr Mitmacher, wir dürfen uns wieder einmal bestätigt fühlen, dass trotz mancher Unpässlichkeiten unsere Methode doch immer wieder funktioniert.
Und Unpässlichkeiten!? Was ist das schon im Vergleich, wenn in diesem Jahr u.a. unsere letzten drei Sponsoren abspringen und nach mehrfachem Nachhaken nur einer wieder an Bord kommt, ja was ist das im Vergleich mit einem Schlauchboot im Mittelmeer.
Sie wissen, was ich meine, man freut sich allein an der Tatsache, noch am Leben zu sein. Vielleicht ist die schwache Teilnahme bei PASST XIV dadurch zu erklären, dass der nahe Wirklichkeits-Bezug unseres Themas zu schmerzhaft ist, um ihn bildnerisch bändigen zu wollen und zu können. Ja, die Stichworte, die das Thema auslöst, können richtig wehtun, können stechenden Schmerz machen: Flüchtlinge, Anstieg des Meeres-Pegels, CO2-Urlaub in der Karibik, Herbergssuche in Europa, Robinson, Alleskönner im Meer der Digitalisierung, den bald Niemand mehr braucht , Schutzraum Scheune-Insel-Brexit, welche Tiere wären in der Insel-Krippe? Die Fliegen aus dem Buch: Herr der Fliegen?
Dabei hat sich die Themenfindung so heiter angelassen, ihr Abschluss entsprang einer Blödelei zwischen Maria Weber und mir, gepflegter gesagt heißt das Brain-Storming, als wir uns über unsere Mitgliedschaft im Weidener Heimatring unterhielten.
Diese Mitgliedschaft belohnt alljährlich 70 Kultur tragende und Brauchtum pflegende Vereine durch eine städtische Förderung von 450 €, sie verlangt aber auch etwas. Was unsere kunstvereinsspezifische Identität und unser Zugehörigkeits-Gefühl anbelangt, fordert sie zu einer mentalen Grätsche heraus, die zwischen 90% Brauchtum und 0,2 % Gegenwartskunst liegt.
Kein Problem, das ist die wahre Kunst, und während Maria und ich dieser Herausforderung nachgingen, Brain Storming machten über der Frage, wie man aus Teilen ein Ganzes macht, und schließlich bei der jetzigen Thema-Formel ankamen, sorgte Robert mit dem Neuen Linda dafür, dass die beschwingten Publikums-Massen weiterhin bis an die Schwelle der Ausstellungsräume branden und sich überlegen, ob sie die Nachtöffnungszeiten nutzen sollen, und manche tun es dann wirklich, drücken die Klinke und durchwandern mit einem Bier in der Hand unsere Kunstschau. Ihnen sei hier gedankt, ebenso allen anderen Helferlein, auch, wenn sie nur von uns erzählen, und umso mehr, wenn sie Einfälle der Art haben, wie Familie Hys, die eines Abends mit Farbeimer und Pinsel kamen, um die matt gewordenen Wände zu weißeln.
Noch eine Erfreulichkeit: Der erweiterte Kunstbegriff, dem wir anhängen, verdanken wir es, dass die Räume nicht nur von Artefakt-Herstellern belebt sind, alle Vereine und Gruppierungen, die sich dem human-ökologischen Fortschritt verschrieben haben, können hier ein Dach über dem Kopf finden und sich im Zeichen künstlerischer Denk- und Handlungsformen zu Hause fühlen.
Das geschieht immer häufiger und bringt den Kunstverein und das Linda, das mehr als ein Gewerbebetrieb ist, konzeptuell in den Zusammenhang mit Künstlern wie Joseph Beuys und Christine Hill, die durch ihr Volks-Boutique-Konzept bekannt geworden ist, ein Konzept, das den Beuysschen Gedanken, dass jeder Mensch ein Künstler ist, auf das Dienstleisterwesen anwendet. „Service-Art“ heißt das.
Die Einladungskarte, die es auch als Jahresgabe gibt, bricht diese ganze, freilich nicht nur heitere, sondern auch sehr gemischte Ideenlage von der globalen Ebene bis hierher, auf die Weidener Vorstadts-Ebene herunter. Da wird aus Greta Thunbergs Segelboot, das in die Neue Welt steuert, die mobile Krippe und die Zukunft des Kunstverein, die Sechzehnjährige übernimmt die Rolle des Heilsbringers, was mich an den Rio-Raum und die hiesigen FFF-Leute denken lässt, die bei uns Laternen gebastelt haben, und der steigende Meeres-Pegel verlegt Stall und Stern auf ein Eiland mit Klimagipfel. Na, das klingt doch Klasse, da sehe ich schon all die politischen Hirten und Könige aus Weiden, die kurz vor der Wahl am Bildrand auftauchen und der wie neugeborenen Hoffnungskultur in der Krippe, mitten unter den Menschen, jenseits von Arm und Reich ihre Aufwartung machen.
In diesem Sinne haben auch wir selber wieder 2019 einen PASST-Teil eingerichtet, der das gesellschaftlich-kulturell normalerweise eher Getrennte zusammenführt, ähnlich wie das unsere Waben-Aktion schaffte, die 2012 anlässlich unseres 25 jährigen Bestehens die Weidener Vereinswelt im gemeinsamen Projekt „Vereint“ vereinigte. Der diesbezüglich ganz besondere Brücken bildende Beitrag 2019, nämlich echte Volkskunst und Brauchtum von Heute, kommt aus Plößberg, dem Standort der weltweit größten Krippenschau, auf die ich nach dem Such-Impuls aus Vilseck im Internet gestoßen war.
Der Vorsitzende der Krippenfreunde im OWV, Hubert Haubner, und ich sind beide Freunde der Kooperations-Einstellung und verstanden uns sofort. Es handelt sich um eine Leihgabe von zehn klassischen Krippenmotiven in regionaler Kulisse, die in der Ledererstraße auf Wandkonsolen der Schreinerei Haubner stehen und der Ausstellung den besonderen Akzent geben. Das inspiriert Geschnitzte aus der Hand der Krippenfreunde im Oberpfälzer-Waldverein Plößberg bildet dabei einen starken und herausfordernden Gegensatz zu ihrem Umfeld im Ausstellungsraum, das sich an Positionen heutiger Kunstströmungen orientiert.
Doch zugleich hat es auch ergänzenden Charakter und stimmt in die weitgehend abstrakte bildnerische Reflexion der Ausstellung, die über das menschliche Heil und den Weg dorthin geht, mit höchster figurativer Ausdruckskraft ein.
Und ich muss gestehen, was ich da in einem Nebenraum der Haubnerschen Schreinerei gesehen habe, war zuerst ein Schock. Dass es so etwas gibt. Ich war mit den Erwartungen angekommen, die man eben so hat, wenn man Krippe und Volkskunst hört und die Erinnerungen an den üblichen Weihnachtsrummel hochkommen. Was ich da aber sah, hatte mit all dem nichts zu tun.
Es war so tröstlich.
Es war so schön.
So lebendig.
So wunderbar.
Richtig gute Kunst!
Ich muss gestehen, ich habe geheult.
Und ich denke, jetzt sind wir gewappnet und können, was ich eingangs angedeutet habe, ertragen, was sich zusammen gebraut hat, darf jetzt raus. Es senkt sich wie ein schwarzer Meteor dem Krippen-Dach entgegen.
Schwarzer Meteor heißt Kündigung, das häufige Los von Kultureinrichtungen auf Herbergssuche trifft jetzt den Kunstverein. Immerhin hat es 20 Jahre gegeben! Das war für Weiden und uns und die Kunst ein Glücksfall.
Vage hat es sich im Herbst angekündigt, steigerte sich bis zur Gewissheit vor acht Wochen, da gab es ein Gespräch mit dem Vermieter; das Linda-Haus soll weg, zu Gunsten von Eigentumswohnungen, die Räume, wo wir uns gerade befinden, könnten bleiben, der Vorstand hatte bis dahin über ungelegte Eier nicht sprechen wollen. Einen festen Zeitpunkt gibt es allerdings immer noch nicht, es gibt mittlerweile aber eine Gerüchteküche, wo man sogar von Chancen munkelt. Wie auch immer. Allemal ist es an der Zeit, dass Ihr, der Mitglieder - und Freundes-Kreis, erfahrt, was zu erfahren ist, aus erster Hand. Es hat noch nicht das Format, um an die große Glocke gehängt und öffentlich gemacht zu werden, heißt die Medien wollen wir noch außen vor lassen, wir bitten da um Verständnis, Trost und was man sonst noch brauche könnte nach der Vertreibung aus dem Paradies.
Und da sind wir wieder bei der Kunst selber, bei den Mythen und Bildern, die der Verstand braucht, um nicht im Wahnsinn stillzustehen. In Folgendem werde ich das machen, was der eigentliche Sinn einer Laudatio ist, das nämlich nicht, dass da einer den Sinn der Sache herausoperiert, sondern das, dass da einer unter dem blauen Himmel unserer Leitgedanken den Dialog eröffnet und einlädt, auf zarte Art weitere Entdeckungen zu sammeln und Schlüsse zu ziehen, und der nicht unbedingt recht haben will, das überlässt er den anderen, Gedanken-Tennis ist angesagt, ein gutes Spiel soll es werden.
Und wenn ich den Blick auf das schwarze Feld richte, auf das Ismene Resatsch ihr Greta-Bild platziert hat, zuverlässig wie immer mit der Kraft eines Tornados ganze Bilderberge vor sich hertragend, sehe ich nicht schwarz, sondern die Tafel, auf der unser Thema steht. Dieses Jahr waren die meisten Teilnehmer mit ihren Arbeiten sehr dicht am Thema, Bei Ismene kein Thema! Sie lässt kein Thema aus, so wie man die Seiten der Zeitung wendet, wendet sie die Leinwände, Wind und Segel, wir stechen in See.
Michaela Bios Foto-Performance Jeanne d`Arbre, oder auf deutsch: die Johanna der Bäume, gibt sich, wenn man mit der Autorin spricht, zum einen als Zeichen eines persönlichen Selbstfindungs-Vorgangs zu erkennen. Zum anderen aber bezieht sich die Arbeit auch unabhängig vom persönlichen Zusammenhang, auf verschiedene Schöpfungsmythen, die den Ursprung des Menschen nicht in die unbelebte Lehm-Natur der biblischen Überlieferung legen, sondern in die lebendige Baum-Natur der nordischen Kulturen.
Die Natur setzt sich immer durch, heißt es da bei Christine Coscins Farbstift-Zeichnung und führt uns zur Anschauung einer ähnlichen Polarität, hier ist es dabei nicht die menschliche Anatomie bzw der Mensch in seinem Körper, der auf heilende Art der Naturform folgt, was die Autorin den Betrachter bei intensiverem Betrachten sehen lässt, ist die Verschmelzung bzw Auflösung einander begegnender technoider und biologischer Strukturen, Heilssuche heißt hier Balance-Findung.
Petra Heimanns dunkel gehaltenen, lichtaufblitzenden Fotografien arbeiten mit Überblendungen, in denen der Anblick der Lagunenstadt mit ihrem Wasserwege-Netz die Suggestion eines Organismus entwickelt, dabei wird die Betrachtung nicht nur auf den naturalen Ursprung des Menschen gelenkt. Mit dem Goldgrund, der den Himmel analog zur mittelalterlichen Kunst im Sinne einer Geist-Räumlichkeit füllt, treten auch christlich-abendländische Her- und Zukünfte in den Fokus, die symbolische Bedeutung der Fortbewegungsmittel Gondel und Straßenkreuzer in diesem Rahmen liegt auf der Hand.
Eva Herzer endlich, sticht mit ihrem Keramik-Schiff unter der Glasvitrine in See, es ist, so wie der Körper des Harpuniers Queequeg aus Moby Dick mit Tätowierungen bedeckt ist, mit einer ornamentalen Bemalung von paradiesisch floraler Natur überzogen, zur Abschreckung der bösen Geister, zur Feier der Totem-Tiere, die auf den Inseln darauf warten, ihre Botendienste, die mit den jenseitigen Welten jenseits von G5 versöhnen sollen, wieder aufnehmen zu dürfen.
Ist das eine naive Hoffnung? Nicht weit davon platziert sich Wolfgang Herzers Flaschenpost in der Flaschenpost in der Flaschenpost, hier wird ein Insel- und Flaschenpost-Comic aus Everywen, aus der Welt der Lückenknüllerkids erzählt und in einer Flasche auf den Weg gebracht. Adresse: Alle Kind-Gebliebenen und solche, die es wieder werden wollen. Progressive Regression, zurück zur Natur, zurück zu den Wurzeln.
Bärbel Hornung verbindet in ihrem astronomischen Reisebild, das qua feinst gestufter altmeisterlicher Ölmalerei in das modern-erforschte Weltall führt, Verschiedenes zu einem komplexen Ausdeutungs-Angebot: Das alles umfassende Männchen-Ideogramm , das vielleicht die Größe und Grenze menschlicher Erkenntnis meint, die Schwärze von Nachthimmel und Schwarzem Loch, die technoide Form und der licht-physikalische Code des Sternen-Scheins und die Ölmalerei selber als kultur-und religionsgeschichtlicher Topos, als Formel-Element einer Weltanschauung, die in der Renaissance den Himmel auch im Irdischen der Erde zu entdecken erlaubte.
Rosemarie Hys schenkt uns seit vier Jahren mit Forsetzungen eines Foto-Comics, der von der stürmischen Suche eines Rambo-Manschkerls nach beständigen Werten erzählt. Der große Vorlage-Stallone-Rambo, der sein Leben einer großen nationalen Idee opferte und von den Repräsentanten dieser Idee verraten wurde, schickt hier sein Däumling-Double in verfremdenden Bildausschnitten rund um den steinernen Tisch Richtung Fischerberg auf Herbergssuche, leider ist das ehemalige Zollhaus am Rand des Fischerbergwaldes seit langem geschlossen, Klein-Rambo muss weiterziehen, bis zum nächsten Jahr, bis zum Vierlingsturm.
Olga Kelbig: „Der Mensch auf der Suche“ titelt die Künstlerin ihr großes Akryl-Gemälde, das aus der Ferne Buntheit zeigt, vielleicht die Buntheit, die liberale Gemeinwesen anstreben sollten, in der Nahsicht wird ein Gemenge einzelner, aufgereihter Figuren erkennbar, ihre stempelartige Serialität könnte an Andy Warhols Marylins und deren Versprechen denken lassen, dass auf der Spitze für jede und jeden Platz ist, Platz genug, um einmal im Leben 5 Minuten lang ein Star zu sein.
Hella Kirschners „Der letzte Eisberg“ ist eine düstere Vision in Brettspiel-Größe, die einmal den Menschen in den Fesseln seiner Handels-Konsequenzen zeigt, und einmal im Gestus des Buddha unter dem Baum der Erkenntnis nahe der grünen Zündschnur. Interessant in dem Zusammenhang auch der Wandel der Material-Symbolik, die mit der Styropor-Scholle und dem Kunststoff überhaupt gegeben ist. Die einstigen Tupperware-Träume vom perfekten Haushalt und von der besten Wärme-Dämmung sind zum Entsorgungs-Alptraum geworden, die rote Linie ist überschritten, die Grüne Zündschnur glimmt.
Uwe Müllers Seidenmalerei „Inseln des Lebens“ versammelt viele Motive seines Netzwerk-Programms, in dem der Kopf-Füßler EWU, eine Art Selbstbildnis und eine bildnerische Verdichtung der Kopf und Bauch-Balance, die Weichen stellt. Die Struktur erinnert an die Gsellmannsche Weltmaschine, die nach Jahrzehnte langer Montage, als sie in Betrieb genommen werden konnte, das Maschinen-Wesen ad absurdum geführt hat und etwas produzierte, wovon man nie genug bekommen kann, Welt, eine eigene Welt, die nichts wieder als nur wieder Welt herstellen kann. Wenn man die hat, fügt sich alles andere wie von selber. Aufbruch ist Ankunft.
Frank Nickley hat auch dieses Jahr wieder den Weg aus Bamberg nicht gescheut, um uns und sich selber zu überraschen, ob und wie er hier immer noch rein-Passt. Er passt. Aber pst! Wer ist denn da auf dem Wasserweg unterwegs?
Eine humorig ausgelegte Bibelpassage klärt uns auf: Johannes der Täufer auf dem Weg zur Arbeit, eine Örtlichkeit, in der sich himmlisches Blau mit dem Regen - oder sind es Tränen - verbindet, der Logik des Arrangements entsprechend müsste das dritte Bild das „Traute Heim“ des Täufers markieren, insgesamt eine starke Herausforderung an die tiefsitzenden klerikalen Muster unserer Weltsicht, noch dazu, wenn der Autor aus einer Bischofsstadt kommt.
Margarete Seers Beitrag „Weihnacht“ ist Teil einer nicht nur überlieferten, sondern einer tatsächlichen Suchaktion, die Suche nach den Herbergssuchern, das Original der Marien-Mutter, das der Künstlerin vor kurzem als so passend für diese Ausstellung wieder in die Erinnerung gekommen war, war vor langem gemalt und glücklich veräußert und vergessen worden. Welche Bedeutung religiöse Motive im Werk von MS haben, weiß ich nicht. Vielleicht gibt es nur dieses eine Bild. Und jetzt diese Ausstellung, wo es wirklich gepasst hätte: zu spät! Nur noch Erinnerungs-Bild. Alles Grübeln und Suchen half nichts. Glücklicherweise gibt es Fotos und die Hoffnung, dass Maria anderswo auch nicht schlechter als hier angekommen ist. Die Hoffnung verschwindet zuletzt.
Soweit ich sehe, liebt Axel T Schmidt die Polarität von Masse und Individuum und ihre Verbindung in herdenmäßigen Atavismen. Da werden Kennzeichen des Individuellen in feiner und feinster Ausdifferenzierung - man denke an seine heißen ins Eis schießenden farbigen Wachswurzeln - mit verschiedenen normierten Prägerahmen verbunden. Gemeint sind Einhausungen architektonischer, gesellschaftlicher, materieller Art, die der Kenner Schmidts unter den Bezeichnungen Tunnel, Schrift und Eisblock und anderem kennt.
Unter den Worten „Nur-Für-Dich“, die beides sein können: Schlager-Klischee und einsame Hingabe, werden die Stellen des beschriebenen Musters wie folgt besetzt: Mit der Nachbildung einer offenen Norm-Badekabine aus dem speziellen Weidener Schätzlerbad, hier wandelt sich der Passanten-Modus von Männern und Frauen in den Badegast-Modus. Der soziale Körper häutet sich. Diese Transformationszelle hat, wie deutlich zu erkennen, eine besondere Nummerierung, so klein die Bild-Größe der Ziffern auch ist, sie verkörpert eine Menge, an ihr ist individuell menschliche Verortung festgemacht, im Raum von Massen-Betrieb, Anstaltsreglement, Geschlechtlichkeit, personaler Intimität, Identität und Voyeurismus. Nr 125. Eine Nummer unter vielen. DIE eine, und einzige.125. Only you!
Was das Zahlensystem der genannten Badekabinen ist, ist bei Tone Schmid ein Feld aus mehreren Magneten, deren Anziehungs - und Daseinsfelder miteinander konkurrieren, sie sind unsichtbar in der Deckel-Platte eines Sockels eingelassen und bewegen ein darüber hängendes Objekt auf unvorhersehbaren Wegen.
Ein im Fluss abgeschliffenes Stück Wurzel, knorrig und knurrig ist es, wie ein Schweinehund, das ist der Titel, dazu noch entsprechend abenteuerlich appliziert und mit einem Blindenstock ausgerüstet, der sich mittels einer Feder bewegt und die Sockelkante in immer wieder neuen An- und Abläufen abtastet.
Eine Situation, die ganz in der Art Becketts aus der Quadratfeldkante den Schimmer eines Hoffnungshorizontes holt. Auch an Moses, der in der Wüste mit seinem Stab den Wasserfelsen peitscht, darf gedacht werden, zu allerderst musste ich aber an den einbeinigen Piraten John Silver aus der „Schatzinsel“ denken ... Tock, Tock, Tock. Herbergssuche, Schatzsuche.
Marille Singer arbeitet in ihren Darstellungen in der Regel material-betont und setzt figürliche Lineamente als Grattagen ins Bild, in denen sich Bildinhalt und reine Textur die Waage halten. Dabei gewinnen die malerischen und zeichnerischen Bereiche ein inhaltlich offenes Eigenleben, das die erzählerische Fantasie in ganz verschiedene Richtungen bewegen kann. In „Letzte Vision“, so der Titel des ausgestellten Hochformats, treten die Ausdrucks- und Symbolwerte der Farbe Blau in den Vordergrund, das ist die Farbe, die die deutende Sicht spontan mit Wasser, Himmel, Gesetz und Ordnung verbindet, wie wir auch von der Autobahn-Beschilderung her wissen.
In der aufstrebenden orthogonal-architektonischen Gliederung des Bildes, die sich vage nach dem Muster einer kolossalen Wächtergestalt formt, festigt sich dieser auch kühle und intellektuelle Eindruck, er wird zum Gehege einer gegensätzlichen Emotion, die in dem kleinen roten Elemente im Bild-Basis-Bereich ihre Verkörperung findet.
Manfred Ullrich, ist ein figuratives Meistertalent, das uns vor längerem mit unvergesslichen Kopien der Nachtwache und des Mannes mit Goldhelm beeindruckt hat, wir durften Große Pinakothek spielen.
Aber da war der Rembrandt-Fan längst schon wieder zu neuen Ufern unterwegs, zurück zu den kunst-physiologischen Quellen, zur emotionsgeladenen Bewegung, zur reinen Farbe und zu den Kontrast- und Verbindungsregeln, die wie der Philosoph sagt, nicht zuletzt auch unsere Sicht auf den Sternenhimmel und das moralische Gesetz in uns in gleicher Grundsätzlichkeit bestimmen.
Kunst als Orientierungshilfe und Wegweiser auf dem Weg zu sich selbst. Wenn man mit Manfred spricht, merkt man, das ist ein Weg voller Herausforderungen, Turbulenzen und kannibalischen Inseln, der von manchen Rembrandt-Fans gerne als leichter eingeschätzt wird, als er ist.
Auch Stefan Ullrich ist auf dem Weg und fasst nach den Sprossen der Kunstgeschichte. In dem Gemälde auf Leinwand-kaschierter Platte „Purple Field – leading into the distance“ tritt die ästhetische Idee, die ihn motiviert, ganz besonders deutlich hervor. Wir haben dies durch ein graues Umfeld verstärkt. Die illusionistische Realitätsnähe wird in Form und Farbe weit gehend reduziert, bis auf den Kern des rein Optischen, den Fleck, der in ahnungsvoller Unbestimmtheit im Flächen-Raum schwebt.
Beachten Sie das Leuchten, in dem die reine Farbnatur der Farbe zur Erscheinung kommt, bei sich selber ankommt und zum reinen Klang wird, um mit Kandinsky, dem Zivilisations-Kritiker, zu sprechen. In dessen Wahrnehmung haben wir es mit einem magischen Klangzeichen zu tun, das auf das zivilisatorisch verloren gegangene Bewusstsein für die innere Natur der Dinge verweist. Dass Stefans Bild, das mit der Präsentation der konkreten Farbnatur auch die Natur im Allgemeinen meint, die Assoziationen mit der industriellen Landwirtschaft in den Umrissen der Farbfelder zulässt, ist Konzept. Siehe auch das kleine Bild „Roller“, das in diesem Zusammenhang „Maschine und Farbnatur“ heißen könnte.
Victor Volodarsky und Olga Volodarska präsentieren jeweils Arbeiten mit den Vergänglichkeits-Atmosphären von Dämmerung, Nacht, und Herbst.
Der kraftvoll elegante, auch kalligraphische Farbauftrag bei Olga Volodarska lässt in der Dunkelheit Erinnerungen an die Bewegungsmuster aller Natur-Sphären zu. Wind, Bäume, Wasser, Wellen. Der Wunsch nach einer Insel, nach einem festen Hafen ist groß.
Die Herbst-Inseln von Victor Volodarsky, die über den herbstbraunen Untergrund verstreut sind, der immer dunkler und unansehnlicher wird, sind vergoldete Blätter. Die Natur wird zur Heiligen Schrift. Gold ist beständig, krisenfest, behält seinen Wert, ist ewig, und, wenn man einen derart unromantischen Link wagen möchte, nicht nur ein spirituelles, sondern auch ein ökonomisches Kreislauf-Stabilisierungs-Symbol für den Banker.
Irene Fritz hat das Papier-Falt-Schiffchen zum Kennzeichen ihrer verschiedenen künstlerischen Arbeitsfelder gemacht, in denen die Jugend-und Kinder-Arbeit eine zentrale Rolle spielt. Drei Tondos, außerkünstlerisch auch Pappteller geheißen, mit Seefahrts-Motiven setzen quer durch die Räume Akzente.
Bildung von Kindesbeinen an im Gegensatz zu funktioneller Schulung ist dabei ein hohes Ziel, wenn die Erwachsenen überfordert sind und ihrer Vorbild-Funktion nicht mehr gerecht werden. Das ist die Botschaft. Um so ermutigender ist es, wenn man im Fall der FFF-Bewegung erlebt, dass in der Klima- und Zukunftsfrage die Kids selber ein ausreichendes Selbsthilfe-Potential haben und auf vorbildliche Art nutzbar machen können. Die Rundformate, die hier den Blick lenken, sind nicht nur dekorative Unterlagen, sie wollen auch, dass wir ihre Inselform als symbolische Verkörperungen der Kunst sehen, die sich allen Diskursen als Friedens - und Freiheitsraum öffnet.
Sind wir nicht alle reif für die Insel? Leider steigt der Meeresspiegel jährlich um 3,9 mmm. Wir müssen uns beeilen.
Claudia Kneidl bricht und mischt die Weihnachtsgeschichte mit ihrem zentralen Motiv der Herbergssuche, die zum Stall führt, mit 3 Bildern heutiger Stallkultur, die weit entfernt von der biblischen Utopie einer Gemeinschaft liegt, die Tier und Mensch ebenso wie Arm und Reich verbindet.
Auf einem langen Textband, auf dem der Original-Text informativ und nüchtern wie auf einem Presseticker durch das Bildfeld zieht, treten mehrmals die in sich sanft bewegte Mutter-Kind- und die Stallsilhouette in Erscheinung, wobei sich letztere nach klassischer Märchen-Art 3x als Vorhof zum Schlachthaus outet.
Das letzte, 4. Bild lässt endlich doch noch durchatmen. Gerettet. Dann kommt die Flucht nach Ägypten. Ich kann mich noch an mein erstes Weihnachten in der Oberpfalz erinnern, da war ich sieben, gerade mal der Krippe entsprungen. Ich lebte in der Seifenblase unendlichen Unwissen darüber, dass es vor mir eine andere Zeit, ja überhaupt Zeit und einen Weltkrieg gegeben hatte.
In der Arbeit von Professor Dietmar Spörl, „Halt mal die Luft an“, wird die Formatgröße selber zum bildnerischen Ausdrucksmittel. Die Farbe hat Wucht. Sie tritt uns entgegen. Wahre den Abstand! Sie stellt in der gegebenen Ausgedehntheit eine unmittelbar körperlich-physische Beziehung mit dem Betrachter her, sie wird Subjekt, das ihn in Bann schlägt, ihm in allen seinen Positionierungen im Raum folgt.
Außerdem verstärkt das Bild die grundlegende Eigenschaft, über die darstellende Bild-Funktion hinaus auch ein Teil der Wand zu sein, in dem sie in kleinen rechteckigen Akzenten die Orthogonalität der äußeren Raum-Architektur mit der inneren Bildarchitektur verschränkt. Damit ist eine Bühne gegeben, deren gleichwohl minimalistische Ausstattung, die stilistisch in die Konkretion geht, einen sprechenden, prologischen Charakter hat.
Die Atmosphäre, die vorherrscht, ist existentialistisch und steigert sich hier im heftig gestikulierenden Auftritt der Darsteller, einem roten, verletzten Herz, das mit dem heftigen Schwung einer Möve in die Höhe davonschwebt, drei kreischenden Möven und einer männlichen, aus Wischbewegungen zusammengesetzten Figur, die bis in jede Faser Eile suggeriert und sich im freien Fall befindet.
Sie könnte Spörls Hauptdarsteller sein, aber um mich da festzulegen, kenne ich sein Werk nicht gut genug. Das Ganze ist vielleicht aber auch, und das würde mir gefallen, als Paneel eines großen Francis Bacon-Comic zu lesen.
Maria Weber: "Ganz einfach, halt..." Keramik, Papier handgeschöpft, Pflanzen, Holz. So der Beipack-Zettel. Ja, liebe Maria, ganz leicht ist es, auch wenn es nie leicht ist, wenn man genug Rückhalt hat, und vielleicht hast Du den in Deiner kreativen Neigung, die Dich immer wieder zum Naturschönen führt.
Von diesem Rückhalt habe auch ich bei diesem Ausstellungs-Aufbau sehr profitiert, und es blieb spannend, bis zur letzten Minute, bis endlich heraus war, welcher Art Dein Kunstwerk werden würde. Sorgfalt, Umsicht, ästhetischer Sachverstand, Hartnäckigkeit und tiefe Verbundenheit mit der Kunst und dem Künstlervolk hat hier nun eine Gedenkstelle erhalten. Besten Dank. Diese Ecke im Ausstellungsraum ist mittlerweile Dein Stammplatz geworden, und dass Du heute dort eine Art Altar errichtest, mit Keramik-Kerzenhaltern in der schlanken Gestalt von Genien, das sind Schutzgeister, und Blumenkindern, die an das Bild „Aurora - die Morgenröte“ von Phillipp Otto Runge denken lassen, das ist im Kontext unserer Vereinsgeschichte schlüssig.
Hilde-Lindner-Hausner. Schwimmende Inseln der Hoffnung: Dir Hilde, möchte ich meinen ganz besonderen Dank aussprechen, dafür dass Du mitgemacht hast, als eine der tragenden Repräsentantinnen der hiesigen Umweltbewegung hast Du eigentlich genug anderes zu tun, doch ohne Träume fehlt halt die Kraft zum Kämpfen.
Kunst ist Traumpflege. Dementsprechend steckt in jeder Deiner Baumscheiben-Inseln ein Stück Hambacher Forst und Weiden-West. Jede dieser Inseln ist eine Traum-Kraft-Tankstelle, völlig CO2-frei.
Hilde selber erläutert: Inseln für Vertriebene, Geflüchtete, Gerechtigkeitssuchende, Menschenrechtsschützende, Klima-, Friedens-, Umweltbewegte, Verzweifelte, Haltlose, Herbergssuchende.... die im Neubeginn den Fortbestand suchen.
Die steigende Flut kann ihnen nichts anhaben auf ihren schwimmenden Inseln
Danken möchte ich nun zum Abschluss auch Steff Ulbrich und Hans Jürgen Bröckl, dass wir Bilder von Ihnen haben, Ihnen wird im Zusammenhang einer Extra-Veranstaltung, die Inge Rotballer mit dem KV durchführen wird, richtig Raum gegeben. Die angesprochene Veranstaltung findet am 7. Dezember statt und führt das Publikum in das Jahr 1989, als Inge Rothballer die berühmte Altstadtgalerie, vielleicht die Vorgängerin des Linda, betrieb und das war auch so eine Art Stall-Herberge und sie, die Inge, war so eine Art Muse und Mutter Gottes für Junge Künstler: Besonders für Hans Jürgen Bröckl, Steff Ulbrich, Alexander Horn und Werner Fritsch, sie lasen da aus eigenen Schriften. Es gibt auch einen Film darüber, den wir dann sehen können.
Lang ist es her. Und dann war es zu Ende. Und dann war es zu Ende. Zu Ende, zu Ende ... Und dann geht es weiter. Immer weiter.
Wolfgang Herzer