110 Jahre Augustinus–Gymnasium
Schüler/innen und ihre Lehrer/innen: Patricia Desing, Manfred Dirscherl, Irene Fritz, Thomas Hart, Eva Haubelt,
Wolfgang Herzer, Ulrike Hess, Thomas May, Eva Pietzcker, Roland Taubenberger,
Thilo Westermann, Birgit Zimmermann: Leitung Manfred Dirscherl
20.09.—29.09.13
Info
Sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich dem AGW ganz herzlich zum 110 Geburtstag gratulieren, die Jugend, die sich in ihm tummelt, zeigt, dass es ein Jung-Sein im Altwerden gibt, Anpassungen sind da mitunter notwendig.
Sie müssen dem Kern nicht schaden, zu meiner Zeit gab es dann die Wahlmöglichkeit zwischen Griechisch und Französisch, ich wählte die Sprache des gewesenen deutschen Erzfeindes, gegen den mein Großvater mit Ernst Jünger noch ins Feld gezogen war,
er war enttäuscht, als ich kein Griechisch wollte, tja und ich fühle mich dem humanistischen Geiste heute mehr denn je verbunden. Ostern war ich auf Kreta.
Mit einem Ausstellungsbeitrag ist der Kunstverein nicht zum ersten Mal ins Fest-Geschehen des AGW eingebunden.
Auf unseren Ausstellungsbeitrag und die speziellen Aussteller werde ich weiter unten eingehen.
Es sind einstige und noch aktive Kunst-Lehrer/innen, Schüler- und Schülerinnen, die nach dem Prinzip des „ der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ etwas aus sich gemacht haben und dieses hier nun zeigen.
Aber davon nachher.
Dies noch: Mea Culpa!
Übersetzt heißt das: es tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe, einen Kontakt zur Familie meines damaligen, mittlerweile verstorbenen Kunstlehrers Herrn Schörner herzustellen und das gleiche im Falle meiner Kunstlehrerin Frau Speiser, die ich vor 30 Jahren auf einer Ausstellung in Deggendorf traf, ja, das tut mir leid.
Ihre Stellen bleiben im Kunstmuseum leer.
Übrigens, die Ausstellung in Deggendorf, da wollte die ehemalige Lehrerin sehen, was ihr ehemaliger Schüler so alles künstlerisch treibt, zu dieser Zeit gehörte zur Kunstlehrer - Qualifikation auch eigenes Künstlertum und Tun, heute ist das, will ich mal vorsichtig sagen - auch nicht verboten.
Das AGW als lebendiges Museum, ist einer der Titel, unter denen das Programm zum 110. Jubiläum des Augustinus-Gymnasiums durchgeführt wird,
es ist ein Titel der mir persönlich als hier anwesender dienstältester Augustinus-Schüler und als Vertreter des Kunstverein Weiden besonders gut gefällt,
in der zum Titel konzipierten Veranstaltung, in der der alte humanistische Bildungsgedanke seit der Antike Platons und Ciceros, der Paideia und des mens sana in corpore sano, über den Renaissance-Humanismus eines Erasmus von Rotterdam, und über die bürgerliche Aufklärung der Gebrüder Humboldt bis heute ewige Jugend beweist, haben die Augustinus-Leute eine inspirierende Raum-Form geschaffen, ein Labor des geschichtlichen Werdens, darin sich der Mensch zum Menschen bilde.
Also, in diesem Natur-Rechts-Gedanken des „Schaffe Dich selbst“, der zu meiner Zeit allerdings auch von großväterlich sozialer und einer religiösen Auserwähltheits-Attitüde konterkariert wurde, war so ein schwärmerisches Moment, das mich als Zeitzeugen der 1960er-Jahre nicht minder mitriss als die Beatles und die Rolling-Stones, auf Lateinisch, bitte schön !, in den Confessiones des Augustinus, ganz klassisch, von meinen nicht minder klassischen Leiden unter den Gegebenheiten der damaligen Bildungsstätte erzähle ich jetzt nichts.
Bleiben wir beim großen Gedanken, der auch zum 110ten einen guten Klang gibt: Individuelle Autonomie in geschichtlicher Bindung, ein schöpferischer Prozess ist damit gemeint, der keineswegs idealistisch säuerlich geworden und museal verstaubt ist, wenn man bedenkt - und da wären wir bei dem, was dem Kunst-Vereins-Mann so gefällt - , dass Joseph Beuys, eine wesentliche Bezugs-Person unserer Kunst-Vermittlungs-Arbeit, unter diesen Gedanken einen wesentlichen Beitrag zu deutschen und zur Welt-Kunst des 20 Jahrhunderts gemacht hat.
Sie kennen seine berühmten Aussagen: jeder Mensch ist ein Künstler, das Kunstwerk, das zu schaffen er berufen ist, ist die humane, ökologische Gesellschaft, die soziale Plastik.
Im Geiste des Historismus geht somit die oben genannte Veranstaltung “das AGW als lebendiges Museum“ über das Event- und Ex-and-Hop-Mäßige der heute global herrschenden Verbrauchs - und Abfeier-Kultur hinaus und beansprucht etwas, das ideelle Nachhaltigkeit heißen könnte, und in eben diesem Geiste erlaube ich mir, den Gedanken des lebendigen Museums mit zu benützen und für die Dauer unserer ausstellerischen Verbundenheit mit dem AGW am Kunstverein den Glanz eines lebendigen Weidener Kunstmuseums zu genießen.
Kunst als elementare, freie, selbst-zweckhafte und Zweck enthobene Ausdrucksform des schöpferischen Geistes, dessen Manifestationen anregen und mitreißen sollen, hat im humanistischen Kontext, der den Begriff des Schöpferischen über die Nachfrage an und die Produktion von – in unserem Fall, bildnerische - Flachware hinaus erweitert, einen besonderen Stellenwert.
Die Hege - und Pflege - Bedürftigkeit des zarten Pflänzchens, das die Kunst freilich ist, wenn man sie nicht auf staats-repräsentativer musealer Ebene, sondern auf engagierter lebens-unternehmerischer Künstler- und der speziellen Kunsterzieher-Ebene betrachtet, ist darin berücksichtigt.
Kunst, ein Phänomen, das sich von sich aus der formelhaften Festlegung entzieht und seismografisch sensibel dem immer schneller werdenden ideengeschichtlichen Wandel begleitet, braucht besonderen Schutz.
Und dies im Zuge allgemeiner Rationalisierung, allgemeiner Effektivierungs - und Merkantilisierungs - Maßnahmen, die zunehmend auch auf das Schul- und Bildungswesen übergreifen.
Dem entspricht in Bayern immer noch der glückliche Umstand, dass man an den Akademien der Bildenden Künste Kunst und Kunstpädagogik für das Lehramt am Gymnasium im Doppelfach studiert und anderen Vorstellungen Absagen erteilt werden konnten. Es muss kein weiteres Fach studiert werden. Die Zwei-Fächer-Verbindung für Kunst ist nicht obligatorisch.
Damit nimmt man wenigstens im Ausbildungs-Zusammenhang Rücksicht auf den hohen künstlerischen Arbeitsaufwand und folgt der Feststellung von Karl Valentin: dass Kunst schön ist, aber viel Arbeit macht. Im pädagogischen Ausführungs-Zusammenhang heißt es dann allerdings Stundenkürzungen.
Doch lassen wir das als Streiflicht darauf stehen, dass nicht alles schön ist an den Schönen Künsten, und wenden wir uns nun nachdrücklich dem Schönen und ihren Hersteller/innen und Vermittler/innen zu, die heute ausstellen.
Und es stellen aus: Patricia Desing, Manfred Dirscherl, Irene Fritz, Thomas Hart, Eva Haubelt, Wolfgang Herzer, Ulrike Heß, Thomas May, Eva Pietzcker, Roland Taubenberger, Thilo Westermann, Birgit Zimmermann
Das AGW war einigen Startpoint einer auswärtigen künstlerischen Berufslaufbahn, anderen ist bzw war es Arbeitsplatz und die chronologische Reihe, die sie als temporäre Heimkehrer, als Hiesige und „Zu - g`roaste“ miteinander bilden ...
reicht mit Roland Taubenberger und mir, beides Lehramtler, kurz LAs, von den 1940er-Jahre-Jahrgängen, die noch im Banne des Avantgarde-Gedankens der Moderne und des auratischen Kunstwerks der Klassik gestanden waren ...
reicht über die 1960/70er Jahrgangs-Jahre,
deren Vertreter/innen Manfred Dirscherl, LA, Irene Fritz, Eva Pietzcker, beide freiberuflich, alle folgenden sind im LA bzw sind pädagogisch und freiberuflich tätig: Patricia Desing, Thomas Hart, Ulrike Hess, Thomas May und Birgit Zimmermann,
ihre künstlerische Sozialisation in den Kontexten von Post-Minimalismus, neuer Figuration und Wilder Malerei und dem Anything Goes der Postmoderne erfuhren ...
reicht bis zu den beiden, die in den 1980er Jahren das Licht der Welt erblickten, Eva Haubelt und Thilo Westermann, und das war dann das Licht nicht mehr einer Ersten Welt, sondern einer globalen Welt, in der sich Europa und seine freiheitlich - kulturellen Errungenschaften als nur mehr eine Kultur unter anderen zu behaupten hat.
12 Künstlerinnen und Künstler, Manfred Dirscherl und ich haben uns die Anzahl unter thematischen Gesichtspunkten geteilt, und wir möchten Ihnen nun die einzelnen Positionen in zwei Six-Packs präsentieren.
Manfred Dirscherl, am AGW tätig, schon mittel-alte Garde, zeigt auf der linken Querwand eine Portraitreihe, Wachsmalerei ist das, ein kompliziertes Procedere mit Warm-Wasserbad und Fein-Stupfern, die einen stillen Geist und ein ruhigs Herz verlangen, es sind Bildnisse von Freunden und Verwandten, Ausdruck des Intimen, der Nähe, des Vertrauens, dessen kunstgeschichtliches Urbild sich in Biedermeier und Spätromantik formte, damals war es Ausdruck des Rückzugs aus der politischen Vor-März-Ohnmacht ins Private.
Auch Thomas Harts stark graphisch - ornamental akzentuierten Gemälde gleich daneben, sind im politischen Zusammenhang zu lesen, doch der knorrig-eckige Realismus, der proklamative Gestus der Figuren und Schriftzüge, der an die Revolutionsmalerei Diego Riveras erinnern kann, drängt in den Öffentlichen Raum und fordert humanistischen Widerstands-Geist.
Der Bezug zur politischen Welt in den Arbeiten von Irene Fritz, z.Z. am AGW tätig, und Wolfgang Herzer ist nicht direkt angesprochen oder stilistisches Zitat. Die allgemeine Reflexion aber führt gradlinig hin.
Von der lyrischen Abstraktion kommend, einem Verfahren, das farbige Fläche gegen Linie setzt, figürlich - räumliche Andeutung mit einander durchdringenden Atmosphären verbindet, entwickelt Irene Fritz ein ganz persönliches Repertoire an Schemata und Umriss-Zeichen, mit denen sie Szenen eines privaten Arkadiens fast tagebuchartig aufschreibt, die Idylle, das Staunen, den Schrecken, Et in Arkadia Ego.
Wolfgang Herzer malt Stillleben, die vom Grundgedanken her zu Spoerries Fallenbilder führen, zum schmutzigen Geschirr nach einer Mahlzeit, die Tassen und Teller, die das sind, bekommen im Wirken eines magischen Realismus mit karikierenden Einschlägen und viel linearem EIgenleben Physiognomien, Seele, die mit anderen Seelen in Kontakt tritt und kommuniziert. Das Geschirr, das so leicht zu Bruch geht, Messer, Gabel, Schere, Licht, die nichts für kleine Kinder sind, werden zu Verkörperungen von Emotionen, von bewegt-bewegenden Körperzuständen, und von huschenden, stürmenden, derben und feinen Gesten des sozialen Zusammenhalts.
Birgit Zimmermann, z.Z. am AGW tätig, ist Foto- und Video-Künstlerin, sie zeigt im gelben Durchgangs-Raum zum Lokal Neues Linda qua Beamer zwei Kurzfilme nach Texten von Alexander Kluge, in denen auch die Weidenerin Miriam Wagner mitspielt, Menschen im Atombunker, eine Arbeit mit nachdrücklich politisch-sozialem Akzent, die sich auch hier wieder im weitesten Sinne auf ein Generalthema von Birgit Zimmermann beziehen lässt, die Gender-Frage, die Frage nach dem gesellschaftlichen Gemachtsein von Mann und Frau.
Das Ungemachte, Eigene, Eigentliche und Natürliche, hier nicht im Raum gesellschaftlicher Prägungen sondern im Raum kunst-immanenter Untersuchungen, ist das Thema von Ulli Hess, dem sie mit Beharrlichkeit seit mehr als zehn Jahren nachgeht.
Was ist Malerei, fragen ihre schwarz-weißen Werke, wieweit lassen sich Material und ästhetischer Inhalt eines Gemäldes reduzieren, wann visualisiert sich nach Weglassung und Ausklammerung der Abbildungs- und Kompositions-Arbeit eines Bildes der reine Malerei-Begriff.
Malerei als gemaltes Malen. Das Bild in seiner reinen Bild-Natur.
Damit wäre ich am Übergang zu Thilo Westermann angelangt, dem es ebenfalls um Natur geht, um das Natur-Abbild, die Natur-Widerspiegelung und das Medium der Hinterglas-Malerei.
Davon und von der Arbeit weiterer fünf Künstler/innen wird Ihnen nun der Kurator der ganzen Ausstellung Manfred Dirscherl berichten.