40 Jahre Fluxus
Joseph Beuys, B. Johannes Blume, George Brecht, Henning Christiansen, Robert Filliou, Ludwig Gosewitz, Al Hansen, Dick Higgins, Dorothy Iannone, Jo Jones, Milan Knizak, Alica Knowles, Arthur Köpcke, George Macunias, Yoko Ono, Nam June Paick, Dieter Roth, Takako Saito, Thomas Schmit, Ben Vautier, Wolf Vostell, Robert Watts, Emmett Williams. Eine Ausstellung zum 40-jährigen Bestehen von Fluxus. Die Ausstellung begleitet dei Max-Reger-Tage Weiden 2002.
Kurator der Ausstellung: J. Schweinebraden, Frh. v. Wichmann-Eichhorn, Mit freundlicher Unterstützung von BMW Niederlassung Regensburg und Stadtsparkasse Weiden, E.ON Bayern AG
30.08.—13.11.02
Info
Fluxus lebt, ist im 40. Jahr seiner Entstehung ebenso wahr, wie im öffentlichen Bewusstsein zugleich unsichtbar.
Seine innere Verwandtschaft mit "UNSEREM" Oberpfälzer Avantgarde-Beitrag "Gruppe Spur", deren Mitglieder als "Spaßguerrilleros" in den Sechziger Jahren Schwabing verunsicherten und deren Polit-Protagonist Kunzelmann das Berlin der Studenten-Bewegung maßgeblich inspirierte, macht aus dieser Ausstellung fast eine Familienfeier und eine Wurzelbehandlung im Geiste!
Außerdem wird der Kunstverein Weiden den runden Geburtstag in Zusammenarbeit mit den Weidener Max-Reger-Tagen, der Dauer-Hommage an einen Unbequemen unserer Stadt, begehen, die unter dem Motto "Aufbruch in die Moderne" John-Cage Interpretationen der Pianistin Claudia Birkholz und des Tenoren Gunnar Brandt zur Vernissage beisteuern werden.
Angetreten, um gegen den Geist künstlerischer Ve-krustung, gegen die Vereinnahmung der abstrakten Kunst durch Ideologien zu revoltieren und im Gefolge von DaDa(ismus) Geist, Spiel und Lust auch in der Kunst wieder zu Ansehen zu verhelfen, schlossen sich ab 1962 mit Ausgangspunkt Wiesbaden Einzel-personen in loser Form zu einer global agierenden Gruppe Gleichgesinnter zusammen. Was bei all ihren Unternehmungen bis heute herausgekommen ist, verbindet eines: es ist bewußt ungeordnet, antiautoritär, individualistisch, chaotisch und oppositionell. Inseln selbstinduzierter, kontrollierter Verrücktheit im Mahlstrom einer technischen Vernunft, die außer Kontrolle geraten zu sein scheint.
Konsequenterweise bewegte man sich dabei auf allen Feldern künstlerischer Manifestationen: neben der bildenden Kunst auch auf dem Feld der Literatur, des Theaters und vor allem der Musik. Bei musikalischen Darbietungen gab es hin und wieder eine in einer groben Partitur festgehaltene Struktur - an die sich jedoch letztlich kaum jemand gebunden fühlte.
Fluxus war greifbar nur im Augenblick des Ge-schehens, der Inszenierung, des Spielens, des Dialoges zwischen Künstlern und Betrachtern, die meist zu Mitakteuren wurden. Der Baustoff dieser "Kunstwerke", deren markanteste Rahmendaten Prager Frühling und Vietnamkrieg (Vostell) bildeten, war die Fülle intensivierter Lebenszeit, ein Kapital, das sich eben nicht akkumulieren, sondern im Sinne Batailles nur verschwenden lässt.
Was blieb, waren wenige Dokumentationen, auch einige materielle Hervorbringungen; häufig sind diese nur im Besitz von Sammlern zu finden, die zumeist Besucher solcher Events waren oder deren Kollektionen sich aus der persönlichen Freundschaft zu den Künstlern / Akteuren entwickelten. Der Raritäten- Charakter dieser "Kunstwerke", der auch daher rührt, daß sich die Künstler selbst der Vereinnahmung durch die Museen widersetzten bzw. sich dieser absichtsvoll entzogen, wirft ein bezeichnendes Licht auf Fluxus. Fluxus war - und ist - vor allem eine Lebens- und Gemeinschafts-Haltung, wie sie sich in einer extremen Form z.B. in der "Sozialen Plastik" von Joseph Beuys manifestierte. Ihre marktbezügliche Askese ist noch heute, in der Ära des Total- Marketings, im Bewusst-sein und der Arbeit einiger Künstler durchaus präsent.
So ist es auch Konzept dieser Ausstellung, neben einigen Objekten der Hochzeit von Fluxus (Anfang der 60er bis Ende der 70er Jahre), als historischer Reminiszenz, Stücke zu präsentieren, die den Geist und die Haltung von Fluxus in der Gegenwart verdeutlichen sollen und können. Spröde sind sie und zugleich hintersinnig wie eine Valentin'sche Sentenz.
Als 1962 auf dem Wiesbadener "Festival für Neueste Musik" fünf Männer, darunter der Spiritus Rector, der Amerikaner George Macunias, den Gedanken, neue Klangräume zu öffnen, wörtlich nahmen und ein Klavier zersägten, schienen für die breitere Öffentlichkeit nur all die Befürchtungen wahrzuwerden, daß nach Kaugummi und Coca Cola noch Schlimmeres aus Amerika kommen würde. Doch mittlerweile genießt diese brachiale Aufkündigung des klassischen waren- und werkgestützten Kunstbegriffes die Anerkennung als einer Art künstlerischen TÜVs und ist zum Gegen-stand der Schulbücher geworden. Ihre "Souvernirs", die, wie Bill Ramsey in den 60ern sang, "das Salz in der Lebenssuppe " sind, machen eine Philosophie des engagierten Andersseins deutlich. Diese gibt dem ge-zielten Chaos in der Gesellschaft eine friedliche Chance, ohne "Kulturrevolutionen", die nur Chaos hin-terlassen, das Wort zu reden. In den Fluxus-Objekten begegnet der Betrachter Äußerungen einer Bewe-gung, die die Individualität des ungehorsam wachen Geistes immer wieder in die Opposition zu den vorgestanzten Ich-Klischees der Konsumwelt setzt.