Gärten - Bildnerische Arbeit als Metapher, ästhetisches Denken
Roland Schön (Neudrossenfeld), Uwe Schäfer (Stuttgart),
Petra Johanna Barfs (Frankfurt), Barbara Camilla Tucholski (Kiel),
Franz Pröbster Kunzel (Freystadt), Xue Liu (Frankfurt), und Thomas May (Nürnberg)
04.03.—01.04.16
Info
Schon 2005 hat sich der Kunstverein an dieses Thema gemacht. Die domestizierte Natur.
Dieses Thema übt auf manche Oberpfälzer eine geheimnisvolle Anziehung aus, die über das Interesse des Bewohners an Wald und Wiese hinausgeht.
Das liegt am zeitgeschichtlichen Rahmen, in dem die hiesige Nachkriegs-Generation erwachsen wurde und Kinder bekommen hat.
Mittlerweile gibt es die Kinder der Kinder.
Ein bepflanzter Blumentopf kann im Kontext Oberpfalz dieser Zeit zum Symbol werden, das in der schlichten tönernen Handelsware ein hoffnungsvoll magisches Wesen weckt, das unsere Region mit dem globalen Raum verknüpft.
Um 1989, als der Eiserne Vorhang zwischen den weltpolitischen Blöcken fiel und man meinte, das Schlimmste hinter sich zu haben, war das ehrenwert und utopisch, es folgte dem Motto: „Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen“. Das ist lange her.
Heute, gut dreißig Jahre später, fürchten die Alten angesichts der katastrophalen weltpolitischen und klimatischen Lage, dass das Schlimmste noch kommt und der Einstieg ins Mut-Träumen nur im Alptraum ankommen kann. Und die Jungen haben gar keine Erinnerung an den Fast-Sünden-Fall im Garten Oberpfalz, den wir verhindert haben.
Die Struktur des utopischen Denkens, die dem Kunstwerk innewohnt, hat sich darüber nicht verändert und steht vor uns wie ein Karussell im Winter.
Nach dem Sinn, sich in diesem Denken qua Kunstbetrachtung zu üben, sollte man nicht fragen, ein Sinn-Versprechen analog dem Rosengarten, von dem der Schlager singt, gibt es nicht, hat es nie gegeben, du solltest es, wenn du nichts anderes zu tun hat, einfach tun. Das hat Geschichte. Jung und Alt.
2005 geschah das versuchsweise mit Oberpfälzer Kunst-Student/innen, die unter dem Titel „Quite Early One Morning“ im Nachwuchs-Förder-Programm des Kunstvereins tätig waren.
Unter anderem brachten sie zusammen mit Kolleginnen der Akademie Prag unter dem Titel „Baum-Raum“ eine historische Buchen- und Eichen-Allee zum Sprechen.
Bei dieser Aktion im Landkreis Neustadt an der Waldnaab halfen Studenten der Hochschule für angewandte Wissenschaften Weiden/Amberg mit ihrem Elektronik-Know-How.
Das besondere Movens in diesem Projekt war die innere und in der Historie praktisch erprobte Verbundenheit des Kurators mit der Region.
Garten ist dabei ein grundlegendes Thema, das mit einer Ausstellung und einem Projekt nicht ausgeschöpft ist, gerade in einer Region wie der granit-grau-grün-hügeligen Oberpfalz nicht, die vor dreißig Jahren nur knapp dem Umbau zum „atomaren Entsorgungs-Park“ entgehen konnte.
Euphorisch war dieser Plan von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik als ein Höhepunkt der fortschritts-ideologischen Vorstellung begrüßt worden, dass das sogenannte friedliche naturwissenschaftliche Wissen als natürlicher Nachvollzug der göttlichen Ordnung zu verstehen wäre, und als Auftrag, sich, wie es in der Bibel steht, die Erde untertan zu machen.
Das Thema Natur, Begriffsfeld zwischen Gäa, Gentechnik und Kern-Spaltung, ein Synonym für Oberpfalz?
Energie ohne Ende! Irdisches Paradies! Selbst der große Philosoph Ernst Bloch schwärmte davon, biss in den verführerischen Paradies-Apfel. Vor der Kulisse malerischer bayerisch-böhmischer Natur war hier in den 1980er Jahren der Bau einer Atom-Fabrik geplant und begonnen worden, die aus den innersten Bausteinen der Natur Zukunfts-Bausteine machen sollte.
Was als Aufstieg und Lösung des größten Menschheitsproblems, als sicherer Weg zur globalen Sicherung der Energie-Versorgung gedacht war, wird hier vor Ort als Sündenfall entlarvt.
Die Menschen-Natur muss sich in ihrer Vorstellung, Maß aller Dinge zu sein, kritisch befragen lassen. Der von unabhängiger Wissenschaft gestützte bürgerlich-alternative- und autonome Widerstand in Wackersdorf setzt in Verbindung mit der internationalen Anti-Atom-Bewegung menschlicher Machbarkeit Grenzen.
Der Tourismus-Garten Oberpfalz, mit dem heute geworben wird, kann gerettet werden, der Traum von einer Oberpfalz als Öko-Pfalz, als Regenerativ-Energie-Paradies, für das es konzeptionelle und praktische Ansätze gibt, aber geht im zurückkehrenden Alltag unter.
Das Denken, das die Protest-Aktionen diesbezüglich zu Prozessionen des ökologischen Geistes machte, kommt erst 30 Jahre später ans Ziel, als die Politk in Deutschland die Nuklear - Katastrophe von Fukushima als Wende-Signal zu begreifen versteht.
Die Jahre 1982 bis 89 sind im Gedächtnis des Oberpfälzers vorwiegend als eine Zeit des Aufbegehrens verbucht. Das spektakuläre Bild der Arena, in dem sich Staats-Gewalt und Bürger-Wille unversöhnlich gegenüberstehen, verdeckt allerdings ein anderes Bild, dessen Inhalte in Wackersdorf und anderswo ebenfalls real stattgefunden haben, wenn auch nicht in der Bewusstsein prägenden Weise, die wünschenswert gewesen wäre.
Es ist das Bild des Symposions, des Wissens-Wettstreits. Die antike Kulturtechnik zur gemeinschaftlichen Wahrheitssuche, bei der an Orten wie Wackersdorf endlich auch die Natur und ihre Ansprüche als gleichwertige Größe zum Mahl geladen war, bestimmte jahrelang den öffentlichen und privaten Diskurs in der Region.
Man denke an die vielen Seminare, Vorträge, Workshops zu ökologischem Landbau, Solar-Energie und vielen anderen Themen, die von den neuen sozialen Bewegungen zur Sprache gebracht wurden.
Spuren davon sind erhalten. Vorwiegend im Verborgenen und Privaten.
Denkmäler mit öffentlicher Zentralität aber fehlen.
Gedenken, Danken und Mahnen, wie es sich allenthalben in den heute noch sichtbaren mittelalterlichen Pestsäulen verkörpert, findet trotz der analogen Vergleichslage, die durch die Halbwertszeit von Plutonium gegeben ist, nicht statt.
Einen besonderen Hinweis verdient das kellergroße Archiv des Schwandorfers Wolfgang Noak, der große Teile seiner Dokumente-Sammlung an das neu entstehende Heimat-Museum in Regensburg übergibt.
Erwähnenswert auch das Werk des Schwandorfer Künstlers und Lebens-Kunstwerkers Max Bresele, dessen Nachlass seit seinem Tod 1998 im Besitz des Kunstvereins ist.
Das Garten-Motiv als Frage-Symbol bezüglich der grundlegenden Mensch-Natur-Beziehung hat in der Oberpfalz eine zeitgeschichtlich nahe und existenziell grundlegende Verankerung.
Breseles Arbeit hat diesbezüglich verdichtende, symbolische Qualität und eine identitätsstiftende Funktion, die verdrängte Selbst-Bild-Teile der Region aktualisiert und in das allgemeine Bewusstsein zurückführt.
Eine kleine Sonderausstellung mit gärtnerischen Objekten und Fotografien unter dem Titel „ Mein Garten, in dem ich ganz Schwester sein kann“ soll das Gedächtnis an Bresele und seine Zeit auffrischen und das Bewusstsein für die Aktualität der damals vor Ort gelebten Ideen schärfen.
In diesem Sinne lädt Breseles Werk als ein zentraler Topos der Oberpfälzer Kunstwelt zum Symposion ein. Im Geist des Hüttendorfes im Taxöldener Wald gruppieren sich die verschiedenen Ausstellungsteile zum kommunizierenden Ganzen, bei dem es, wenn es „um die Theorie und die Erfahrungen über die Behandlung des Bodens und die Erziehung der Gewächse im Küchen-, Obst- und Blumengarten“ geht, nicht nur um diese geht, sondern vor allem um das, was den Genuss der Arbeits-Frucht erst erlaubt, das rechte Verhältnis von Erdung und Höhenflug des Menschen in der Akzeptanz seiner Grenzen qua Geschlecht, Lebenszeit und Vergessen.
Und der Apfel? Die Frucht, die im vollkommenen Genuss Vollkommenheit verspricht? Was damit ist, das müssten wir längst wissen!
Betrachten wir nun mit Breseles Augen, den Augen des Aussteigers, der in seinem lebenskunstwerklichen Elementarismus vorgeschichtlich ist und nicht nur an die pflanzlichen Wurzeln geht, betrachten wir mit ihm den Garten, die Natur im Gehege.
Der ökologische Oikos, der hier unter Breseles Händen entsteht, der Haushalt, in dem die Natur mit am Tisch sitzt, hat es im Miniatur-Maßstab bereits zur Zeit der Jäger und Sammler gegeben. Bresele verkörpert eine heutige Variante dieser Lebensform.
Innerhalb dieser frühen, dabei in sich perfekten Wirtschaftsform besaß dieser Klein-Garten, so lässt sich vermuten, nur eine ergänzende ökonomische Effizienz. Damit könnte der Garten in seinem antropologischen Kern nicht nur als Vorstufe des Ackerbaus zu betrachten sein, als Ankündigung des zweiten großen Kultur - Raumes in der Geschichte, der des sesshaften Bauerntums.
Er könnte auch Ausdruck dafür sein, dass dem Menschen eine Vorstellung von Ordnung und Geometrie angeboren ist, die von sich aus in die ordnende und schmückend aufwertende Gestalt-Werdung will. Sie überträgt das Bild der dunklen abgemessenen Leerflächen in den Stern-Parzellen vom nächtlichen Himmel auf die Erde und füllt sie mit irdischem Leben.
Die Variationen, die im Laufe der menschlichen Symbol - und Kulturgeschichte diesem Muster entspringen, markieren Stationen des Wandels; die Einstellung des Homo Sapiens zu seiner Fremd-, Außen-, Innen- und Eigen-Natur verändert sich, dies geschieht im Zusammenhang mit dem Blickwinkel seiner unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionierung.
Dem sozialgeschichtlichen Zusammenhang entsprechen unterschiedliche Gartentypen wie Atrium-Garten, Klostergarten, Burggarten, Schlossgarten, Lustgarten, Bauerngarten, Armengarten, Eisenbahnergarten, Arbeitergarten, Klein - und Schrebergarten, Neubau-Siedlungs-Zier-und Nutzgarten, urbaner Fenster-,Zimmer- und Balkongarten, Urban Gardening, Guerilla Gardening.
Jeder Garten-Typ für sich ist strukturell ein Weltmodell.
Neben dem Moment der Aneignung von Natur als geordnete Nutzsphäre, die das Jäger- und Sammler- Wesen als Wirtschaftsform ablöst und sich im Kontext von Ackerbau und Viehzucht zu kulturtragender Größe entwickelt, enthält die scheinbar zeitlose Garten-Kultur, derer sich schon die Blattschneiderameisen befleißigen, exquisit auch die Dimension des Schönen und Freien, vielleicht als kompensatorische Reminiszenz an das „verlorene Paradies“ und an die paradiesische Unschuld, als Lamm und Löwe noch beieinander lagen, jenseits von Krieg und Konkurrenz-Prinzip.
Der blühende Garten, der alle Jahreszeiten mit seinem farbigen Strahlen begrüßt, wird in seinen vielfältigen Gebautheits - Formen zum Tageslicht-Nachbild des Nacht-Himmels und seiner interstellaren Ordnung, seiner Fixpunkte, Bewegungen und Fluchten und wird dazu zum Wechselbild aus nährwert-schwerer Nutz-Arbeit und blüten-leichtem Kunst-Selbstzweck.
Die Schau der sieben Künstler/innen, die aus dem ganzen Bundesgebiet stammen und mit denen in den letzten zwei Jahren auf unterschiedliche Weise Kontakt entstanden ist, lebt aus dem starken Gegensatz und den unterschiedlichsten Referenzen zu historischen, philosophischen und ästhetischen Kontexten.
Die Ausstellung reflektiert die Motive wilder und gestalteter Natur unter Blickwinkeln, die zur Idee des Schrebergartens ebenso wie zur Philosophie des absolutistischen Barock-Gartens, des englischen Landschaftsgartens und zur Aura deutscher Nationalmystik führen und wartet dabei mit großer methodisch-inhaltlicher und technischer Vielfalt auf.
In der Zusammenschau der unterschiedlichen Kunstwerke, die der Betrachter auf seinem Rundgang herstellt, soll sich, das ist der Wunsch des Kurators, das Bild eines Symposions bilden, bei dem nun wir, die Menschen, am Tisch der Natur sitzen.
An Speis und Trank und anregendem Austausch, der die Beteiligten zum Kreis zusammenschließt, fehlt es nicht, das alles ist in Fülle gegeben, schließlich ist es die zwei-einheitliche Natur als erzeugende und erzeugte selber, die als Gastgeberin auftritt.
Dass die Sprache, die hier gesprochen wird, vorbegrifflich-vormenschlichen Charakter hat, ist klar; genug, um das Wesentliche zu verstehen, lernt man in den Kunstwerken, beim Schauen mit allen Sinnen.
Da berührt beim Durchwandern der Ausstellung die Körper-Empfindung des Betrachters mit jedem Schritt eine Seite im Buch der Natur, bei jeder Berührung kommt ein Hauch Blüten - Staub an, den wir weitertragen wie unsere Schwestern die Bienen.
1. Petra Johanna Barfs,
geboren 1974 in Emden
1996 bis 2000 Studium in Interdisziplinärer Kunst bei Ton Mars und Sef Peeters, Akademie Minerva in Groningen, Niederlande.
2000 bis 2002 Aufbaustudium »Elektronische Medien« bei Prof. Bernd Kracke, HfG Offenbach.
Gaststudium in der Filmklasse von Prof. Monika Schwitte, Städelschule, Frankfurt.
Mit dem Autor Peter Härtling, dessen Beitrag »Erinnerung an die Erinnerung« in dem Katalogbuch Black Forest abgedruckt ist, verbindet die Künstlerin eine langjährige Freundschaft.
Lebt und arbeitet in Frankfurt a. M.
Die Arbeiten von Petra Johanna Barfs, die der Kunstverein Weiden in seiner Ausstellung „Gärten“ zeigt, stellen dem Betrachter schroffe Felswände entgegen. Es handelt sich um Collagen aus unterschiedlichen Druck-Erzeugnissen zum alpinen Thema, die in ihrem verwaschenen Schwarz-Weiß und der spezifischen Bildkörnung eine antiquarische Aura bzw die Aura des Schattenhaften und Vergänglichen verströmen. Diese Aura führt in die Zeit der Großeltern und Urgroß-Eltern, in die bis heute nicht aufgeräumten Tabu-Zonen der deutschen Befindlichkeit und Geschichte.
Die Wege, die dabei begangen werden, weichen schlafwandlerisch sicher den thematisch bekannten Wegzeichen aus und vermeiden souverän die Nähe zum plakativen Klischee: die gegebenen historische Referenzen treten als geistige Hintergrundstrahlung und assoziativer Impuls in die Wahrnehmung.
Die Collage ist das tragende Medium im Werk der Künstlerin. Es gibt Collagen auf Papier und Leinwand.
Die ausgestellten Collagen werden in tiefer Rahmung präsentiert, die den Objekt-Charakter der nur punktuell am Bildträger befestigten Papiere zu einer eigenständigen Darstellung bringt. Die Fragilität der Arbeiten, die sich gegen ihre Fixpunkte wölben und wellen, wird selber zum Bild, zu einem skulpturalen Bild, das mit seiner haptischen, den Körper unmittelbar betreffenden Wertigkeit die fotografisch visuellen, auf Distanz vermittelten Bild-Inhalte verstärkt.
Bei diesen geht es um Fragen der Kindererziehung, die im 19. Jahrhundert häufig mit Zwangsmitteln nach der Obst-Baum-Pflanz-Methode gelöst wurden, Pflanz-Pfahl und Fest-Binden schützen vor Krumm-Wuchs und Windbruch.
Renate Rasp, die Tochter des Ufa-Schauspielers hat zu diesem urdeutschen Struwel-Peter-Thema 1967 das Buch „ Ein ungeratener Sohn“ geschrieben. Aus einem Kind soll da ein Baum werden!
Petra Johanna Barfs ist aufgewachsen in einer zeitgeistig unangepassten Familie, in der die SPD-Zugehörigkeit des Großvaters wider das Nazitum und der rationale Geist der Aufklärung über die Zeiten hinweg bestimmende mentale Größen waren. Die oben genannten Tabuzonen und anderer massenpsychologischer Magnetismus sind es, die zum Thema der Künstlerin werden.
Betrachtet man die Arbeiten der Künstlerin, die auch Cineastin ist und sich selber als Fan der kitschigen Nachkriegs-Heimat-Filme bezeichnet, genauer, so fällt ein Muster auf, in dem sehr häufig Einzel-Personen gegen Gruppen-Momente sozialer, architektonischer und landschaftlicher Art gestellt sind.
Da stehen Berggruppen gegen Baumgruppen gegen Wälder gegen Menschengruppen gegen Sissy und Gudrun Ensslin.
Was die Glieder dieser Kette verbindet, ist der Ausdruck schicksalhaften Angezogenseins, das in sich ambivalent ist und eine subtile Balance zwischen affirmativer Sehnsucht und kritischem Abstand hält.
Die Metaphorik dieser Empfindungswelt enthält in Andeutungen die bekannte Sinnbilder-Sammlung heroischer Verwurzelung und alpenglühend eiserner Heimat-Treue, gleichwohl bleibt diese Welt dem geradlinig groben Schwarz-Weiß-Denken unzugänglich; der Betrachter, der hier hineinfindet, gerät in ein luzides Erkenntnis-Licht, das ihn beunruhigend tief in die Bergwerksstollen der kollektiven und der eigenen Seele führt.
Und die Metaphorik, die sich unter Barfs auslegendem Zugriff aus den foto- und film-geschichtlichen Vorgaben bildet, schafft Räume, in denen sich zum heimischen Topos wie dem des „deutschen Mädels“ amerikanische Gegenfiguren wie der von Bonny aus der Geschichte von Bonny und Clyde assoziativ traum-schlüssig einstellen.
Da sind Adler im Kontrast zu Kolibri,-Schwärmen, die an Hitchcocks „Vögel“ gemahnen, Berg-Bauernhof im Kontrast zum Bau-Rationalismus der Moderne, Trachtenanzug und Sportgewand der 1930er Jahre im Kontrast zu Borsalino-Trägern, die in kleinen und größeren Gruppen stehen, abwarten und Hinweise auf das Thema Herrschafts-Gewalt in staatlicher und krimineller Art enthalten, und weiterhin sind da Bergwände, in denen König Laurins Rosengarten blühen könnte, Felsen, die den Appell zur Körperertüchtigung und die Willens-Entwicklung zu stählerner Härte enthalten.
Diese überschaubare Anzahl von Elementen stellt Petra Johanna Barfs zu symbolischen Landschaften bzw Spielaufstellungen für Gedankenspiele im Kontext Geistes-Geschichte zusammen. Aus diesem Grundmuster bildet die Künstlerin eine Vielzahl von Variationen, die unter dem Titel „Dark Forest“ zusammengefasst sind.
Obgleich die Heterogenität der hier zusammengefügten Versatzstücke unübersehbar ist, sind die einzelnen Bilder jedes für sich insgesamt von einer zwingenden Kohäsion beherrscht, die die Wahrnehmung der Risse und Brüche nicht nur überspielt sondern integriert und um- und eindeutet.
Zum einen gelingt das formal durch die virtuose Durchsortierung des Bildmaterials nach den Mustern der Größen - und der Staffel-Perspektive. Aus der schroffen Disparität der Bildbestandteile entsteht der Sachverhalt von Gedränge und Enge.
Was der Betrachter miterlebt, ist das innere Drängen von Geschichten, deren Elemente von der Unumkehrbarkeit chemischer Prozesse zusammengeführt werden und wie unter Hypnose einer undurchschaubaren Folgerichtigkeit folgen.
Bäume, Felsen, Berge, Menschen, Kruzifixe nach Herrgotts-Schnitzer-Art, Bauwerke werden von einem Blickwinkel aus wahrgenommen, in dem sich der Realismus der Dinge als Maskerade einer Geisterwelt einsamer Monaden offenbart, die sich nicht berühren. Sie funktionieren. Organe eines ideologischen Körpers. Die 1000 Augen des Dr. Mabuse.
Besondere physiognomische Präsenz übt in diesem Setting das Waldmotiv aus.
Der schwarze, mauerdichte Nadelwald ist das Binde - Träger - und Trennmittel der Szenerien. Es geht mit den Brüchen und Rissen der Collage einher und staut in sich eine stumme, wenn man sich den Verweis auf die Biographie der Künstlerin erlauben darf, den Geist der Aufklärung verschlingende Bedrohlichkeit an. Das bleibt Ahnung.
Petra Johanna Barfs hat hier ein Mythologem geschaffen, in dem sich auch Siegfrieds Ermordung im Odenwald mit dem „wandelnden Wald“ von Macbeth verbinden könnte und sich vielleicht der Widerhall von Brechts Zeilen aus dem "Arturo Ui “ verliert: “ Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch...“. Aber auch das bleibt unausgesprochen und unausgekrochen.
Unter den sieben Exponaten, die in der Ausstellung zu sehen sind und alle dem Zyklus „Black Forest“ entstammen, sind vier, mit denen die Künstlerin einen besonderen Topos aus dem Reich deutscher Verirrungen und Absonderlichkeiten pädagogischer und ideologischer Art einführt, der ausgesprochen gut zum Ausstellungs-Thema passt.
Vor der Kulisse aus finster strengem National-Gehölz und willens-hartem Fels wird geturnt, wird der Körper ertüchtigt, wird der Sexual-Trieb kanalisiert, werden Leib und Seele des Heranwachsenden geformt, und zwar nach den deutsch-national ideologischen Maßgaben und Körper-Form-Geräten des Schreber-Garten-Namens-Gebers und Arztes Daniel Gottlob Moritz Schreber.
Nach Ansicht der Schweizer Psychologin Alice Miller ist er als Hauptvertreter der sogenannten „Schwarzen Pädagogik“ anzusehen. Er begriff sich selber als gottähnlichen Schöpfungs - Verbesserer. Der Menschen war für ihn Erziehungsmaterial und Baustoff zum Bau des deutschen Volks-Körpers.
Die collagierten Abbildungen: „Freischwinger“, „Junge mit Rückenhalter“, „Kopf mit Halter“, „Mädchen im Bett“ stammen aus Schrebers orthopädischen Lehrbüchern. Es sind Sach-Buch-Zeichnungen, denen sachgemäß jeder Anflug von Empathie fehlt, in ihrer Herstellungs-Zeit mögen sie als nationales Hoffnungszeichen gegolten haben.
Von Hoffnung ist in der Mimik der Kinder, die das Kunstwerk aus dem historischen Rahmen löst, nichts zu sehen, und auch sonst nichts, es sind ernste, leere Gesichter von Kindern, die sich fügen. Auf Petra Johanna Barfs Collagen wird der Lehrbuch-Kontext mit dem Bild vom offenen Natur-Raum verbunden, der sich auch als Sinnbild ihrer Deutungs-Offenheit betrachten lässt. Die Zeit, in der Petra Johanna Barfs Geschichten ereignen, ist der Konjunktiv.
In der ikonologischen Offenheit der Darstellung könnte auf dieses Bild auch ein Titel wie „Bergwald mit Trimm-Dich-Pfad“ passen, der auf heutige Vorstellungen zum Thema Volksgesundheit und auf die Entwicklungen seit Schreber verweist.
Die Poesie der Darstellungen bleibt davon unberührt, sie nährt sich aus dem Schwebe-Zustand des Indefiniten und der Möglichkeit. In die Gesichter der Kinder könnte Leben kommen, die Fesseln könnten sich lockern.
Die Collagen, auf denen dieser Change stattfinden könnte, haben ein amorphes, unregelmäßiges Format, das an Inseln erinnert, oder vielleicht an Flecken, Flecken auf der weißen Tischdecke.
Mein Gott, Dr. Schreber!
2. XUE LIU
1981 geboren in Chong Qing, China
2000 - 2004 Malerei an der Sichuan Kunstakademie in China
2006 - 2011 Bühnen- und Kostümbild bei Prof. Rosalie an der HfG Offenbach am Main,
2007 - 2010 Freie Malerei an der Hochschule für bildende Künste, Städelschule in Frankfurt am Main mit Abschluss als Meisterschüler von Christa Näher
2010 Städelschule Rundgang: Förderpreis für eine herausragende Einzelleistung im Bereich Malerei
lebt und arbeitet in Frankfurt am Main
... lebt seit rund 15 Jahren geographisch in Frankfurt und verweilt dabei mit seiner Malerei im Raum der Kunstgeschichte stilistisch und thematisch nahe der Stelle, an der sich im Kontext der Moderne Ost und West im 19. Jahrhundert getroffen haben, Xue Lius Malerei bewegt sich im Rahmen einer tendenziell impressionistischen Auffassung.
Der Betrachter diagnostiziert dabei in der Zerlegung der Motive in zusammenfassende, charakterisierende Farb-Akkord-Kürzel auch eine Neigung zum barocken Clair Obskur, auch die schmalflächigen, bewegungsbetont groben Strichmuster, die den lichten Augenblick mit Emotionalität und Erden-Schwere verbinden, entsprechen nicht ganz dem historischen Vollbild der Augenblicks-Malerei, und wenn die subtile kalligraphische Präzision das Bildgeschehen steuert, dann bildet die pastose Faktur eigenständige physiognomische Keil-Schrift-Texte, die uns von der Unruhe des künstlerischen Unterwegssein erzählen, die nicht festzuhalten ist.
Das Impressionistische ist da, es ist vor allem da zu finden, wo sich Xue Lius Lebens-Einstellung auftut, es ist eine Haltung, die der des Flaneurs ähnelt, er ist Entdecker, der nicht sucht, sondern findet. Er ist Sammler.
Im Fall der Ausstellung im Kunstverein Weiden sind es Pinsel-Schnappschüsse aus einem Frankfurter Park. Hier liegen ausschnitthaft Hinweis-Zeichen vor, die mit Kruzifix und Brunnen-Nymphe auf die Stadt-Historie im Kontext des christlichen Abendlandes und seines Wandels anspielen.
Mit dem Portrait einer Enten-Familie erhält die Geschichtslosigkeit der Natur ein biedermeierliches Bild. Es fehlen die Heute-Bilder der Banken und Banker, von denen er in einem Interview spricht, vielleicht, vielleicht schwingen sie in der Serie der Portraits virtuell mit, die Xue Liu vor einiger Zeit von den Clochards aus dem Bahnhofsviertel ausgeführt hat. Der Künstler ist ein Sammler, eine Sammlung lebt durch ihre Lücken.
Was ist das eigentlich Spannende aber, meint der Kurator, das wir in der fokussierenden Betrachtung dieser verstreuten Details entdecken? Es ist nicht nur, dass sich der Künstler mit seiner Malerei al prima vor der Natur situiert und Emile Zolas Forderung folgt, die da lautet: Ein Kunstwerk ist ein Stück Natur, gesehen durch ein Temperament!
Es ist insbesondere der letztendlich durch das Zuspiel des Zufalls gegebene Umstand, dass sich Xue Lius Tätigkeit in einem medien-historischen Spannungsfeld abspielt, das dem des Impressionismus entspricht, der Ursprungs-Zeit der Fotografie.
Traf man sich im Paris der frühen Avantgarde bei Nadar, dem Fotografen, der unmittelbar mit Licht malte, so befindet sich der Künstler, der in jedem Menschen steckt, via Face-Book und Handy-Kamera überall und unentwegt im Zentrum einer globalen mit Wellen und Teilchen malenden Massenbewegung.
Xue Liu arbeitet in Serien, auf Papier, Leinwand, installatorisch, er ist ein Spaziergänger, der im Großstadt-Raum Frankfurts, an den Reibungs- und Entzündungs-Flächen der Finanz- und Weltmetropole ebenso unterwegs ist. Ebenso wie auf den künstlerischen Saumpfaden, die das von Zola propagierte künstlerische Naturell, den Handwerker und Poeten, neben den Haupt-Straßen und Sackgassen der Kunstwelt ins Eigene bringen.
Er ist aufgeschlossen, kontaktfreudig, mittendrin, ohne Spezielles zu suchen, die unterschiedlichsten Anlässe finden ihn.
Er ist geschwind und sicher genug, um zuzugreifen, fast so geschwind wie der Schnappschuss und er bewegt sich dabei als ein Gegenbild zu C. D. Friedrichs stehendem Mönchen am Meer, bewegt sich hin und her vor der Brandung der Bilderflut.
Hier steht nicht nur einer, hier stehen alle. Die Bilderwut, die den Betrachter aus dem World-Wide-Web anspringt und sekundiert von Face-Book und Video als Welt-Wirklichkeit und Lebens-Raum auf die Bühne der Wahrnehmung drängt, ist nicht nur kunstkategorial unerforschte Terra incognita.
Die Bilder, die wir dort sehen, sagen, dass auch die Face-Book- und- Internet-Welt ein Gelände, zum Flanieren ist, zum Forschen nach Lebensform. Die dort unendlich wogenden Weiten aus Daten und Bildern und einem Anschluss-Potenzial, das sich exponentiell vergrößert, sind bereits voller Spaziergänger. Es ist ein gefährliches Gelände, es wird von einem gewaltigen elektronischen Ernte-Maschinen-Betrieb ausgekämmt, den die Weltmächte aus Wirtschaft und Geheimdienst bedienen.
Da muss man schon sehen, wie einem das Selbst nicht unter die Räder kommt und wie man sich nicht verirrt und verliert, da kann der Blick auf ein handgemaltes Bild in mittlerem bis kleinem Format ein Blick auf den Kompass sein. Und diesen Blick, der von einer zitternden Welten-Magnet-Nadel zur anderen führt, gibt es als bildnerische Manifestation wirklich, er ist ein Stück von Xue Lius bisher realisierter Werk-Wirklichkeit.
Das künstlerische Bild als Lebens-Kompass ist der ungeschrieben Unter-Titel einer größeren Serie von Xue Liu, die „Old Boy“ heißt und die in Öl gemalte Video-Thek des Künstlers wiedergibt. Die Gemälde spiegeln die Titelseiten von Video-Covers, die den Betrachter zu einem Nostalgie-Trip durch die Welt des „Besonderen Films“ entführen. Vorbildhaft wird hier mögliches Leben, wird hier Handlungsanweisung, wird hier Haltung sichtbar.
Das hat nicht nur Portrait-Charakter gegenüber dem Künstler, das ist vor allem auch eine transmediale Thema-Neuauflage vom Bild im Bild und dem Verhältnis von Bild und Wirklichkeit im Social-Media-Kontext.
Der Film „American Splendor“, der das Leben des amerikanischen Comic-Künstlers Harvey Pekar zeigt, der sein Leben von anderen Künstlern zeichnen lässt, treibt das Thema auf die Spitze. Bild und Leben verschmelzen in sich gegenseitig formender Symbiose. In der tonigen Malerei von Xue Liu heute mischt sich das Licht der alten Film-Projektoren mit dem Hell-Dunkel Rembrandtscher Provenienz und dem Schimmern und Spiegeln des Displays.
Die Inhalte, die hier vor dem Ansturm der globalen Bilderflut gesagt werden, retten sich wie blind und orientierungslos in die nicht virtuelle Realität der Leinwand, denken Sie an ein Floß, in pastigem Akryl auf Leinwand sind besagte Inhalte nicht mehr nur dem Auge sondern auch dem Tast- und Körper-Sinn unmittelbar zugänglich.
So wird der Pinsel des Malers zur Kompass-Nadel und zum Blindenstock in einer übervisualisierten Welt, in der man vor lauter Bildern in Gefahr laufen kann, kein Bild mehr zu sehen.
3. Franz Pröbster Kunzel
1950 geboren in Forchheim/Opf.
Hauptschule in Forchheim.
Landwirtschaftliche Berufsschule in Berching.
Berufsfachschule in Neumarkt.
Seit 1975 freischaffender Künstler (Autodidakt).
Installationen, Malerei, Zeichnung, Performance.
Arbeit an einem Gesamtkunstwerk im
“Garten des Hl. Irrsinns” und dem “Haus der Schreine”.
Aus gesundheitlichen Gründen gezwungen
die Landwirtschaft aufzugeben.
der Bauernhof wird seit 1996 nicht mehr bewirtschaftet
Franz Pröbster Kunzel zeigt in der Ausstellung „Gärten“ Fotografien aus seinem „Garten des Heiligen Irrsinns“, Material-Akkumulationen (Weidenringe) und Objekte.
Franz Pröbster Kunzel kommt 1950 in der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders als Bauernsohn zu Welt, er macht in der 1960er Jahren, der Zeit der Hippies, der Beatles, der Studenten-Unruhen eine Ausbildung als Landwirt.
Wer nicht weiß, was diese Berufs-Perspektive in der Zeit existentiell bedeuten konnte, hat die Möglichkeit, sich mittels der TV - Kultserie „irgendwie und sowieso“ von Franz X. Bogner umfassend zu informieren.
Der gelernte Landwirt übernimmt den elterlichen Hof im winzigen Forchheim bei Neumarkt und gerät nach der Berührung mit der regionalen Kunstszene in eine tiefgreifende Lebenskrise, aus der er gestärkt als „Bauernkünstler“ hervorgeht, der sich nach 40 Jahren konsequenter künstlerischer Arbeit einen Namen gemacht hat.
Beispielhaft als Ausstellungsadressen unter vielen seien nur genannt das germanische Nationalmuseum und die Kunsthalle Schweinfurt.
„Bauernkünstler“ ist ein Begriff , der in der Theorie der Bildenden Kunst nicht vorkommt, im Gegensatz zum Begriff der Landart, der gerne auf Franz Pröbster Kunzel angewendet wird, aber im Ursprung den Transfer von städtischer Minimal Art in die Leere und Weite der amerikanischen Landschaft bedeutet, während Kunzel auf besondere Art auf dem Lande bleibt, auf dem Hof bleibt und Bauer bleibt.
In dem Sinn ist Bauernkünstler die präzisere Bezeichnung, FPK konvertiert vom Baywa-Jünger zum Frei-Geist-Farmer, der aus Feld und Scheune ein Gesamt-Kunstwerk hergestellt, oder, wenn wir dem Kunst-Theoretiker Paolo Bianchi folgen, dann ist Kunzel ein LKW, ein Lebenskunstwerk im ländlichen Raum.
Die Scheune hat den Namen „Haus der Schreine“ und das Feld heißt „ Garten des Heiligen Irrsinn“, beides bietet sich einem regen Publikums-Betrieb analog zur Anti-Kunst der 1960er Jahre als Teile eines „anti-landwirtschaftlichen Museums an,
Kunzel bleibt der Scholle unmittelbar verbunden, doch seine Arbeit vollzieht sich auf der umgekrempelten materiell-ökonomischen Seite des bäuerlichen Betriebes, auf der ideell-spirituellen und ganzheitlich-emphatischen Seite.
Ihre Verkümmerung tritt heute im ruinösen Zug der agrar-industriellen Entwicklung seit den 1950er Jahren in aller Deutlichkeit zu Tage, das ist Kunzels Thema, Gäa ist krank, seine Diagnose ist die Vergessenheit des Menschen bezüglich seines Seins in der Zeit, zielloser Fortschritts-Glaube und heillose Profit-Maximierung der Lebensmittel-Industrie haben die natürliche Kreislauf-Zeit in die Gerade des High-Speed-Zeitstrahls gebogen, der die Lichtgeschwindigkeit überholen soll.
In diesem Sinne reduziert Kunzel das Gesamtbild des bäuerlichen Lebens und Wirkens, das er in seiner Arbeit wiedergibt, auf die Wiedergabe und Hervorhebung der Zeitform, auf Takt und Rhythmus nach Maßgabe der natürlichen Kreisläufe, wie sie in der Beschaffenheit der Erde, der sprießenden Gewächse, der geschnittenen Hölzer, der verwitternden Steine, des gefrorenen, rieselnden und strömenden Wassers, der rostenden und klingenden Metalle in Erscheinung treten.
Sein „Garten des Heiligen Irrsinns“, Zielort prozessionsartiger Begehungen zu den Jahreszeiten ist eine ehemalige von Gras und Kräutern überwachsene Nutzfläche, die seit Jahrzehnten der natürlichen Sukzession überlassen ist.
Eingefasst von Büschen, Stauden, Hecken, Bäumen wird hier die Natur zum Schauplatz ihrer selbst. Wo früher Getreide, Gemüse, Spargel angebaut wurde, Lebensmittel für den menschlichen Konsum, bietet sich nun dem Betrachter der Schauplatz natürlicher Selbst-Konsumierung in Echtzeit, Andy Warhols künstlerische Großstadt-Antipode „Empire State-Building“ zu Kunzels Oberpfälzer Natur lässt grüßen.
Kunzel ist ihr Schamane, er beherrscht ihre Hieroglyphen-Sprache, die dem Senkrecht-Waagrecht-Muster in all seinen Variationen folgt, und bringt sie im schamanischen Dreher-Tanz auf der Rindentrommel akustisch, visuell und körperlich-kinästhetisch zum Klingen, ebenso beim Schaben von Steinen, von Metallen, von Hölzern, beim Fließen-Lassen von Wasser im Rahmen spezieller Wasser-Installationen, beim Auslegen von Kalkstein-Platten und dem Flechten und Schichten von Weidenringen.
Das Flechten von Weidenringen betreibt Kunzel seit rund 10 Jahren zur Weidenschnitt-Schnitt-Zeit zwischen November und Februar. Mittlerweile sind es 192 000 Zeitzeichen. Zeichen meditativer Versenkung, in der die Ringe die Qualität von Gebets-Perlen gewinnen.
Und Kunzel ist der Dolmetscher der Natur, der die verfließenden Kreislauf-Zeichen ewigen Werdens und Vergehens in der Verdichtung zu elementaren Ordnungs-Formen lesbar macht, in den Häufungen, Schichtungen, Streuungen, Stapelungen, Verflechtungen, Teilungen, Reihungen ... von Hölzern, Steinen, Metallen ... liegend, stehend, stützend, klemmend, tragend, haltend ...
Großen Raum innerhalb Kunzels Produktion sind die Zeit-Blätter und Lebens-Bretter, die im Atelier-Bereich des Hauses der Schreine angefertigt werden. Linien und Kerben repräsentieren auf unterschiedlichen Papier-Formaten und Brettern Augenblicke und Tage, die stehende Zeit, die in ihrer Verbindung von Linie zu Linie, von Kerbe zu Kerbe Bilanz-Räume menschlicher Daseins-Verbundenheit und Selbst - Vergewisserung bildet.
Das scheint wenig zu sein, denkt man an die Banker-Bilanz und ihren Grundsatz: Zeit ist Geld. Doch indem der Markierungsstrich, der über den Augenblick hinaus nichts als die ihm gegebene Weile will, den gespannten Lebensfaden zum Schwingen und Klingen bringt, berührt diese Maßnahme die interkulturelle Grundlage allen Reichtums und erneuert das Wissen über deren Pflege.
Das Haus der Schreine insgesamt beinhaltet eine pittoreske, fremdartige und visuell kaum durchdringbare Sammlung von Zeit-Ernte- und Anbau-Geräten, sie können Wasser tropfen lassen, Kiesel rollen lassen, Eisen rotieren lassen, Peitschen schnalzen lassen, Ringe häufen lassen, Hörner stoßen lassen, Rinden schnarren lassen, Platten klappern lassen und können all das lassen, um in der Ruhezone, die im Haus der Schreine gegeben ist, die Ruhe der Ruhe zu erfahren und ihren Herzschlag zu spüren.
So poetisch und weltabgewandt wie das jetzt vielleicht klingt, ist es nicht, wenn man daran denkt, dass Franz Pröbster Kunzel gelernter Landwirt ist, der Zeiten kennt, in denen er seinen Lebensunterhalt aus der Herstellung von Getreide, Gemüse und Spargel bezog. Diese Zeiten sind ein fundamentaler Teil seines Körpergedächtnisses, das in jedem Zeitstrich-Zeichnen den Bück-Rhythmus beim Spargel-Stechen aktualisiert und damit Bewusstsein für die Verbindlichkeit der Bodenhaftung jedweden Gedankens und Denkens schärft.
4. Uwe Schäfer
24.4.1965 in Bamberg geboren
wohnt in Stuttgart
1987-93 Studium Freie Grafik/Freie Malerei an der Staatlichen Akademie
der bildenden Künste Stuttgart bei den Professoren Moritz Baumgartl und Rudolf Schoofs
1990-93 Lehrauftrag für Radierung an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg
seit1998 Dozent an der Kolping-Kunstschule in Stuttgart
1995 Gründung der Künstlergruppe „Die Weissenhofer“, heute mit Matthias
Beckmann und Jörg Mandernach
Uwe Schäfer, geboren 1965 in Bamberg, ist nicht nur bildnerisch-schöpferisch in Landschaften auf Leinwand unterwegs, zu den Tools seiner Künstlerexistenz gehören auch die Wanderschuhe, und auf den Spuren der Romantiker Thieck und Wackenroder haben sie nicht nur den Gebirgs-Boden der fränkischen Liliput-Schweiz an den Sohlen, sie kennen das Schöpfungs- und Natur-Schauspiel der Schweizer Alpen mit ihren Viertausendern ebenso und darüber hinaus andere Adressen in Lappland, England und Frankreich, wo das Erhabene herrscht, eines der unbezwingbaren Gefühle, das seit der Antike als mächtiger Impulsgeber der menschlichen Selbst-Findung bekannt ist.
Den einsamen Besuch von Orten, die in ihrer Schroffheit und Weite dieser ästhetischen Kategorie entsprechen, empfiehlt uns auch schon Friedrich Schiller aus Gründen der moralischen Bildung in seiner kleinen Schrift über das Erhabene“ 1801.
Die Beweggründe, die Schäfer und Freunde wie den Mitstudenten in Stuttgart Roland Schön auf den Weg bringen, sind zum einen bildungsbürgerliche Traditionsverbundenheit mit den historischen Spazierengehern und schlicht die private Lust am Lust-Wandeln und Wandern, die auch unabhängig von den geistes-geschichtlichen und weltanschaulichen Paradigmen den mentalen Horizont weitet, hinter dem unsere menschlich-eigene Herkunft aus den Weiten des Naturraumes spürbar wird.
Struktur und Lehre des Spaziergangs und des Wanderns, die sich auf die Intention von Schäfers Malerei übertragen lassen, sind das ziellose Sich - Ergehen in Zeit und Raum, das auf der intentionalen Ebene des Gehenden Augenblick für Augenblick und Schritt für Schritt in sich zurückkehrt und den Weg, das Hier- und Jetzt, zum Ziel macht. Davon sind Schäfers Bilder mit ihrem die Perspektiven auflösenden All-Over bildnerische Äquivalente. An die Stelle der im Ursprung theologischen Raum-Form, die zum zentralperspektivischen Zielpunkt lenkt, tritt ein Ankommen im offenen Überall.
Das Gemälde von Caspar David Friedrich „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ von 1818 ist in diesem Sinne strukturell und inhaltlich programmatisch.
Der Vergleich zeigt Schäfers Arbeit als rückgreifende Adaption von Elementen einer geschichtlich festgeschriebenen Station, die auf dem Weg der sich wandelnden Bild-Raum-Bildungen und unaufhörlichen Menschen- Bild - Baustellen herausragt. Es ist die Stelle, wo die Zeit des mathematisch-wissenschaftlichen Raum-Konzeptes der Renaissance zu Ende geht.
Der geschlossene Raum, der sich zwischen göttlichem Fluchtpunkt und menschlichem Aug-Punkt als logisch-kohärente All-Einheit öffnet, bleibt hinter Friedrichs Rückenfigur zurück.
Was sich vor ihr ausbreitet sind ein labiles Mikado-System zufällig gebrochener Fluchtlinien und eine Collage heterogener Raum-Segmente.
Schäfers Landschaften sind prinzipiell menschenleer, dabei sind sie von einer Wärme und Weichheit und in einer insgesamt die Empathie stimulierenden Farb-Psychologie und Transparenz gehalten, die der Vermutung: Keine Seele da! keinen Raum gibt; der Farb-Raum-Farb-Traum-Forscher forscht weiter, er entdeckt in Form ferner Gebäude - Schäfer mag Gebäude mit Flüchtigkeits-Charakter und Mobilität wie Baracken, Bienenkästen, Hirtenwagen, Zelte und Bauwagen - Hinweise darauf, dass sie ist.
Das, was die Rückenfigur des Wanderers bei Caspar David Friedrich verkörpert, gibt es bei Schäfer auch, den Link auf die Geschichte im allgemeinen und die Kunstgeschichte im speziellen und auf das Vergehen der Zeit als existenzielles Wirk - und Werde – Mittel des Seins.
Da sind zum einen die informellen Lineamente. In ihrem summativ - verallgemeinernden Gestus entspringen sie den realistischen Formgegebenheiten und folgen einem eigenen ornamentalen Drang. Kunsthistorisch führt das über eine Position, die wir beim naturkundlich interessierten Kirkeby finden, in die Zeit des abstrakten Expressionismus, der Farbe nicht als Darstellungs-Mittel wahrnimmt sondern als die Spur der sich selbst erzeugenden Natur pur.
Zum anderen entsteht das Zeit-Erlebnis dadurch, dass Schäfers Bilder gemalte Wanderungen sind, auf denen der Betrachter den Künstler begleitet. Es ist ein Sich-Ergehen im Raum einer synthetischen Ideal-Landschaft.
Dieser Raum bildet sich aus dem flächenparallelen, wimpernschlag-schnellen Zoom landschaftlicher Prospekte, die der Künstler in verschiedenen Bild-Einstellungsgrößen übereinander blendet und zu psychologischen Ereignis - Räumen verdichtet. Hier treten die Stimmungsträger aller Jahreszeiten und Formgeber von Landschaft auf, der Wunsch-Welten-Bauer ist am Werk und hält die Waage zwischen Pathos und Ironie.
Dabei ist es die Suggestion der Vogelperspektive, des Blicks aus luftiger Höhe, der Schwebe, die das Raumerlebnis beherrscht. Die gegenständliche Anmutung wechselt zwischen Kristallin-geologisch und Pflanzlich-Organisch in unterschiedlichen Abstraktions-Graden.
Die Ansichten, die hier zwischen Totale und Nahaufnahme verwendet werden, fotografiert der Künstler auf seinen Reisen. Im Atelier wird das, was jenseits des menschlichen Sehvermögens in der Tausendstel-Sekunde erstarrt, auf den Bildträger projiziert, wobei die Erscheinungsweise, in der das raum-zeitliche Nacheinander der transparenten Bildschichten auftritt, stets vorläufig und ambivalent bleibt und auf einen Prozess verweist, der nicht abschließbar ist.
Mal blickt der Betrachter in einen geschlossenen homogenen Flächenraum mit begrenzter Sichtweite, mal in ein vielfältig strukturiertes Dickicht, in ein mehrstöckiges Schollen - Gemenge, in eine Lichtung zwischen Wolken und Nebel; bei der Durchdringung, zu der hier veranlasst wird, kommt der Blick an kein Ende und muss sich in der Schwebe einrichten.
In der Wellen - Bewegung dieser gegenläufigen Wahrnehmungswertigkeiten, die vom Ganzen zum Einzelnen führt, aus dem Weg in den Schritt, aus dem Schritt ins Schreiten, spiegelt sich auch die innere Wander-Bewegung, die mit jedem Schritt aufs Neue in sich zurückkehrt und in den Bildschichten ihren visuellen Resonanz-Boden findet. Im fotographischen Tausendstel-Sekunden-Takt.
Der landschaftliche Gesamt-Eindruck, den vielleicht der Begriff der „Stimmungs - und Seelen-Landschaft im Zeitalter der technischen Beschleunigung“ annähernd bezeichnet, ist in seinem inneren Bewegungs-Charakter stark vom Schnell - und Schnappschuss-Charakter der fotografischen Vorgaben bestimmt, sie treten hier als Geschwindigkeits-Zeichen auf, die sich mit dem Steigen und Fallen der starken u.a. alpin bedingten Diagonalität in vielen Kompositionen verbinden.
Die Schnelligkeit, die hier Evokation erhält, führt den Betrachter weniger zu technischen Quellen im romantischen Sinne von Ausgeburten einer Anti-Natur. Bedingt durch die bildnerische Askese gegenüber den modernen Lebenswelt-Kennzeichen, mit Ausnahme der weiter oben angegebenen Gebäude-Typen, wird der Blick des Betrachters auf eine Vorstellung gelenkt, die das luzide Leuchten der Farbigkeit in Schäfers Arbeiten in den Vordergrund stellt und so interpretiert, dass wir es mit der Emanation biochemischer, also urnatürlicher Vorgänge zu tun haben könnten, die sich im innersten Inneren des Leben ereignen.
Gleichzeitig fällt in Schäfers Arbeiten eine alle Bild-Gegenstände durchwirkende Strukturalität und Rhythmik auf, sie verschiebt die Proportionen und Strukturen der realen Gegenstands-Vorlagen im Sinn von Takt-Abständen und formiert sie zu Akkorden und Schrittfolgen, zu visuellen Partituren. Das Motive, nach dem, sich diese Partituren entwickeln, könnte Eichendorfs Vers sein: wohnt ein Lied in allen Dingen.
Die Melodie der Dinge wird hörbar beim Gehen, beim Sich-Anpassen ans Vergehen, beim Aufgehen in der Gemeinschaft der Schritte; der Wanderer gerät in einen Zustand, in dem sich Raum und Traum mischen und die Erosions-Strukturen der Bergwelt halluzinogenen Charakter entwickeln.
Roland Schäfers gemalte Strukturen berichten davon, es sind gemalte Klar-Träume, in Klarträumen weiß der Träumende, dass er träumt. Das alles ereignet sich in einer hyperrealistischen Präzision und Hellsichtigkeit, der das Wachssein unterlegen ist.
Der Wanderer bekommt die Enden zusammen, auf dass für eine Weile ein ganzer Schuh daraus wird.
5. Roland Schön
1964 geboren in Neuhof
1987 – 1992 Studium an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Rudolf Hägele,
lebt und arbeitet in Neudrossenfeld/ Lkrs Kulmbach
Roland Schön setzt sich mit dem Themenkreis Natur auseinander und da vor allem mit den Brüchen, die zwischen der Bild-Natur, der Menschen-Natur und der natürlichen Natur bestehen.
Hier findet der Künstler formal auf mehreren Wegen zu künstlerischen Lösungen.
Zum einen sind es Arbeiten auf Leinwand und Papier, auf diesen Bildträgern arbeitet er mit Zeichnung, Übermalung und Collage unterschiedlicher Drucksachen aus dem Themen-Kreis Biologie und Anthropologie, in unserer Ausstellung sind es Gartenbau - Kataloge mit dem Themen-Schwerpunkt Rose.
Zum anderen arbeitet er mit Installationen und Interventionen im öffentlichen Raum, bei denen das skulptural körperhaft auftretende Wort als Aneignungs- und Herstellungs-Mittel von Welt eine wesentliche Rolle spielt.
Roland Schön studierte 1987 – 1992 Malerei bei Rudolf Hägele an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart (1926 – 1998), einem Maler dramatischer Abstraktion zwischen Informel und Figuration.
Nachhaltig interessiert sich Roland Schön, der an der Akademie mit figurativer Malerei und Landschaftsmalerei antritt, im Rahmen langjähriger Experimente für das Verhältnis von Bild-Illusion und einer Farb-Materialität, in der die innere Eigenwertigkeit des Bildes zur Erscheinung kommt, normalerweise bleibt sie hinter der Bild-Illusion unbeachtet, hier wird sie Thema.
In den 1990er Jahren gelangt er zu seinem eigenen medial-analytisch angelegten Lenk-Motiv, das ihn bis 2008 fasziniert und darüber hinaus weiterträgt, es ist die Natur des einfachen Malvorgangs als solchen, die in der Kunstgeschichte am deutlichsten da wird, wo Künstler der analytischen Malerei wie Robert Ryman die leere Leinwand-Fläche mit monochromen Farbschichten überzieht.
Als Kreativitäts-Spiegel des Künstlers betrachtet ist keine dieser leeren farbigen Flächen leer, sie sind inhaltlich offen, potenziell liegen unendlich viele noch zu malende Bilder vor.
Der Betrachter steht vor dem Urbild des Status Nascendi.
In Schöns Fall sind es anfangs noch figürliche und lettristische Darstellungen der eigenen Werk-Geschichte, die sich überlagern und zu polychromatischem All-Over verwischt werden.
Zusätzlich bearbeitet der Künstler die zahlreichen bildnerischen Ereignis-Schichten mit Kratz-Geräten, um die Verbindung zu den tiefer liegenden Schichten zu erhalten und gleichermaßen den Begriff des Grundsätzlichen zu konkretisieren.
Der reine Vorgang des Farbauftrags als ständiges Ver - und Überdecken von Ver - und Überdecktem bekommt in Schöns Blick sinnbildliche Qualität.
Das gewohnte Bildergebnis mit seiner vom Künstler erschaffenen Kompositions - Welt, das den bildnerischen Prozess synchron abschließt, wird in den Hintergrund gestellt.
Das Bild hat hier also keinen abbildhaften, sondern verweisenden Charakter. Es zeigt sich als Gegebenheit, die gegenüber ihrer Herkunft im Wesentlichen verschlossen und ihrer Zukunft gegenüber offen und unbestimmt ist. Es ist eine Darstellung, die auf die Grundzüge der eigenen und allgemeinen Bild-Werde-Natur verweist, nach der Formel: Farbe auf Leinwand.
Das Grundmuster des Bildens von Bildern, das hier zur Darstellung kommt, wird darüber hinaus zum Sinnbild natürlicher und kultureller Entstehung, die in ihrer Unbestimmtheit aus Herkunft und Zukunft der Begrenztheit des forschenden menschlichen Geistes Fragen stellt.
Schön entdeckt in dieser offenen Struktur nicht nur eine psychologische Parallele zur menschlichen Bewusstseins – Bildung und Wahrnehmungs-Fähigkeit zwischen Erinnern und Vergessen, sondern auch eine Parallele zu realen Naturvorgängen.
Zu einen sieht er hier die natürliche Sukzession gespiegelt, wie sie auf einer Brache in den verschiedenen Besiedelungs - Schritten von Fauna und Flora erfolgt.
Zum anderen geht es um die große Frage der Evolution und des Missing Link, das zwischen Mensch und Tier vermittelt. Schön thematisiert das Unwissen um die Bedingungen des humanoiden Qualitäts-Sprungs, der die Kreis-Lauf-Form der natürlichen Werde-Welt auf den Kopf gestellt hat. Das Bild, das sich der Mensch von sich und seinem Herkommen macht, wird zum künstlerischen Material.
Diese Natur-Wachstums- und Werde –Metaphorik, die geschichtliche, kulturelle und mentale Vorgänge spiegelt, beschäftigt den Künstler dezidiert seit 2008 bis heute.
Farb - Feld - Gemälde aus dem Jahr 2008, die auf Schöns Homepage zu sehen sind, führen die bildnerische Auffassung des Zuwachsens - und Überwachsens, die den Betrachter an Vorläufer in den 1960er Jahren erinnert, in klassischer, abstrakter Reinform vor.
Im Kontext seiner neuen Bild-Natur-Auffassung, die sich Roland Schön in Anlehnung an Farb-Feld-Malerei und konkrete Kunst erarbeitet hat, finden nach einer non-figurativen Phase auch wieder Natur-Abbilder in Form von Zeichnungen und printmedialen Erzeugnissen Verwendung.
Die Tier-, Pflanzen- und Menschen-Abbilder verschaffen dem Natur-Thema begriffliche Eindeutigkeit und vertiefen die Richtung zum Thema der sich selbst reflektierenden Menschen-Natur hin. Was hier entsteht sind Trenn- bzw Verbindungsbilder, die das Verhältnis von menschlicher Eigen-Natur und der evolutionär vormenschlichen und eigenen Natur von Tieren und Pflanzen zur Erscheinung bringen.
Alles in allem sind Schöns Bilder im übertragenen Sinn letztendlich auch Such- und Fahndungs-Bilder des Menschen auf der Suche nach sich selber, nach seinem gültigen Selbstbild und nach seiner Geschichte.
Der geschichtliche Prozess, der hier in den Vordergrund tritt, erhält mit den Farbschichten und den übereinander geklebten Papieren ein selbstredend schlüssiges bildnerisches Äquivalent, das an Archäologie, Antropologie und Ausgrabung denken lässt. Schöns Thema dabei sind nicht die Bruchstücke sondern die Brüche.
Schön legt den Fokus auf die mentalen, atmosphärischen und evolutionären Schwellen, auf die Übergänge, Brüche und Sprünge, die den ontogenetischen und phylogenetischen Lebensprozess gleichermaßen am Laufen halten. Sie gliedern den Lauf der Dinge in unterschiedliche Qualitäts - Räume, selber aber bleiben sie trotz eigener Eigenständigkeit im toten Winkel liegen, in Wahrnehmung und Bewusstsein ihrer Passanten sind sie außen vor. Es existieren Deutungen, Interpretationen, Bilder und Begriffe aus begrenzten Blickwinkeln.
Die Sensibilisierung für die Eigenwertigkeit dieser Übergangs- Zwischen- und Freiheits-Räume, für die Unsichtbarkeit der Scharniere, an denen sich menschliches Bewusstseins - Leben grundlegend, aber wie schlafwandlerisch vollzieht, ist eine wesentliche Ambition der künstlerischen Arbeit von Roland Schön.
Die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung und die Verlockungen der Illusion sind Roland Schöns Arbeits-Feld und werden von seinen Gemälden, Collagen, Fotografien und Installationen gleichermaßen ins Bild gesetzt.
Allen Arbeiten von Roland Schön wohnt ein bildkulturelles Ins-Verhältnis-Bringen inne, das auf die Darstellung der Brüche zwischen Menschen-Natur, Bild-Natur und natürlicher Natur zielt. Diese Brüche aber führt uns Roland Schön nicht nur in den Wissens-Räumen unserer Kultur vor.
Als eigenständige atmosphärische Passagen-Räume, die über alle Interdependenzen hinweg bestehen und ihr Eigenleben haben, werden sie
vor allem in den Fotographien von Roland Schön sichtbar, die den Spalt im Zueinander landschaftlicher und architektonischer Eigen-Bereiche analysieren. Auf der Homepage des Künstlers zu finden.
Die in der Ausstellung ausgestellten Rosen-Bilder, zeigen eine Zusammenschau von collagierten Gärtnerei- Katalog-Seiten und Botanik-Fachbuch- Seiten und eine geometrische, die Kreis-Fläche verwendende Übermalung in verschiedenen Größen und Farben, in der die allgemeinste Abstraktion der Blumen-Blüte vorgestellt wird.
Die Katalog-Seiten treten dabei in ihrer ästhetischen Eigenwertigkeit als Rechtecke in Erscheinung.
Was der Betrachter unter dem oben ausgeführten Blickwinkel sieht, ist ein Bild-Welten- Konglomerat. Der Betrachter steht vor einer Reihe zerfallender Welten-Spiegel, die Denk - Welt, Ding - Welt und Zwischen - Welt auf Nähe bringen, dabei halten sie eine meditativ schwebende Balance. Im Spiel der Kontrast- und Konsonanz-Gesetze treten die reinen Farb- und Form-Klänge in kompositorische Verbindungen und lassen ästhetische Eigenwelten entstehen.
Diese Bilder-Welten-Verzahnung- und Schichtung erweitert sich in Schöns Installation „Orangerie Nature“, einem Pavillon aus 144 ausrangierten Fenstern, der 2015 auf dem Gelände der Villa Concordia in Bamberg aufgestellt wurde, in die dritte Dimension und in den sozialen Raum. Ursprünglich war er für die Landesgartenschau in Marktredwitz 2006 entwickelt und ebenda aufgestellt worden.
Zu den Natur-Abbildern und den Konkretionen bild-natürlicher Eigenheiten kommt der reale Fensterblick als Netzhaut-Bild und die kunsthistorische Referenz an Bilder von Rene-Magritte.
Die Pavillon-Wände bestehen aus versetzt hintereinander montierten Fenster-Scheiben, deren Rahmungen sich zu einer offenen Gitterstruktur zusammensetzen. Die Schichten - und Überlappungs-Struktur des transparenten Mediums, die der Betrachter hier antrifft, entspricht den Übermalungen und Grattagen, die wir weiter oben im malerischen Zusammenhang besprochen haben, und relativiert im Zusammenhang dieser Sichtweise die Wahrheitsfähigkeit der menschlichen Wahrnehmung.
Weiterhin findet hier das geschriebene Wort als Bild und Sinn-Zeichen eine Anwendung, wie sie auch schon in Papier-Arbeiten stattgefunden hat, in denen Roland Schön lettristische Parks oder Wörter-Gärten im Stile der konkreten Poesie zeigt.
Parallel zu der Natur-Bild-Bilder-Ebene der Fenster-Wände entsteht eine vom rationalen Begriff bestimmte Wahrnehmungs-Ebene, sie folgt den Worten, die in die Fenster-Rahmen klassischerweise wie Gemälde-Titel eingraviert sind.
Es sind Pflanzen-Namen, der Betrachter liest, während er auf die Original-Natur blickt botanische Bezeichnungen, die Vorstellungen, die sie wecken, gehen gleichermaßen mit dem Außenbild und gegen das Außenbild und messen einen Raum substantieller Unbestimmtheit aus
Es ist der Raum der Poesie, der gleich wieder verschwindet, wir lesen die Worte Grauerle, Augentrost, Rittersporn, Panamapalme, es sind Zauberworte, die unseren Wunsch nach Gewissheit erfüllt: eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.
6. Barbara Camilla Tucholski
1947 in Loitz an der Peene geboren
1952 die Familie flieht in den Westen, häufiger Wohnort-Wechsel
1971 - 1980 Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Norbert Kricke (Meisterschülerin) und an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn Kunstgeschichte.
1981 Promotion
1989 Professur an der Pädagogischen Hochschule Kiel.
Seit 1995 Lehre im Fachbereich Kunst an der Universität Kiel
2008 – 2012 Leiterin des Kunstfestivals Peeneaale in Loitz
2013 Gründung des Kunstvereins „Gut Loitz“,
lebt und arbeitet in Oevelgönne, Wien und Rom
In der Ausstellung im Kunstverein Weiden „Gärten“ zeigt die Künstlerin eine zweiteilige Installation, eine Boden-Arbeit bestehend aus bepflanzten Blumentöpfen, die zum Kreis bzw zur Spirale aufgestellt sind, und an den Wänden mehrteilige Tableaus, die aus schlicht gerahmten Zeichnungen bestehen.
Die klaren Zeichnungen, denen die einzelnen silberdraht - dünnen, in sich organisch bewegten Linien im schaltplanschlüssigen Arrangement zu überraschend ladungsstarken Kraftlinie werden, zeigen Impressionen aus der Klein-Garten-Welt von Rostock und Loitz.
Gartenhäuschen, Bäume, Büsche, Umzäuntes. Alles dargestellt in größter graphischer Reduktion, zum einen ist es die umfassende Auflistung der gleichförmigen Parzellen, und zum anderen entdeckt der Betrachter in jedem Bild das unverwechselbares Portrait einer Oase privaten Glücks.
Poesie der Linie.
Die Blumentöpfe der hiesigen Ausstellung stammen von Gartenfreunden aus Weiden und Umgebung, die einem Aufruf des Kunstvereins gefolgt sind, der über die Dachorganisation der Weidener kultur-, heimat- und brauchtumspflegenden Vereine „ Heimatring“ und über die Tageszeitung erfolgte.
Barbara Camilla Tucholskis künstlerische Arbeit entwickelt sich über die Medien der Bleistift-Zeichnung, der Malerei, der Installation und der Intervention
Die Zeichnungen, an denen das ausbalancierte Verhältnis von langer Streckung, schmaler singulärer Schraffur, wenigen kleinteiligen Strukturen und leeren Feldern und leerer Bildflächen-Bereiche auffällt, gehen von der Vorgabe realer Gegenständen aus, das sind in unserem Fall Häuschen einer Schreber - oder Klein-Garten-Kolonie und Pflanzen. Und ihre Bilder gehören in einen Werkzusammenhang, der sich im Sinne der künstlerischen Kategorie „Individuelle Mythologien“ mit der persönlichen Geschichte und Umwelt der Künstlerin befasst.
Der zeichnerische Vorgang, in dem ein rascher emotional gesteuerter Zugriff und eine aussagestarke summative Verdichtung der Details bestimmend sind, überträgt einige wenige Lineamente auf die Fläche, die den charakteristischen Gegenstands-Umriss bzw Teile von ihm und signifikante Struktur-Teile wiedergeben, die gleichermaßen Eigen- und Abbildwert haben und vor allem die Leer-Fläche des Bildträgers als Möglichkeitsraum vitalisieren.
Aus dem Zusammenspiel der linearen und flächigen Werte bilden sich fragile, lichte und durchlässige Gerüste, Muster oder Netze mit der Anmutung absoluter Schwerelosigkeit. Dabei übt die Leere, die sie einfassen, eine starke räumliche Suggestion aus, unter deren Einfluss die Bilder auf einer zweiten Darstellungs-Ebene zu Konstruktions - Zeichnungen prätechnisch-poetischer Luft-Fahrzeuge werden.
Die Mittel der Intervention, des künstlerischen Out-Door-Einschnitts in das Alltagsbild, und die Mittel der Installation, der künstlerischen In-Door-Inszenierung, hat die Künstlerin in zwei markanten Beispielen in der Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie am Ort ihrer Kindheit angewendet, dem vorpommerschen Loitz an der Peene.
1952 war die Familie aus der damaligen DDR in die Bundes-Republik geflohen.
Barbara Camilla Tucholski richtet ihr heute noch stehendes Geburtshaus als Gesamt-Kunstwerk oder Museum ihrer unsterblichen inneren Verbundenheit ein, als ein „Museum der Unschuld“, das den Titel „Im Schloss meiner Erinnerung“ bekommt.
Die Reflexion der eigenen Lebens-Startbedingungen, zu der die Präsentation „antiker“ Objekte anregt, führt über den privaten Horizont hinaus und wird zum Beispiel deutsch-deutscher Geschichte und Selbstfindung zwischen Sozialismus und Kapitalismus.
Die Folge-Arbeit in Loitz bezieht sich auf den öffentlichen Stadtraum. Die Schaufenster von 56 leerstehenden Läden werden zu kunstmusealen Räumen und Standorten für Gemälde auf Leinwand. Die Gemälde, die in leuchtend bunten Farben gehalten sind, gehören stilistisch in die Kategorie der Farb-Feld-Malerei und stimmen inhaltlich mit Tucholskis Zeichnungen dahingehend überein, dass in beiden Fällen die Räumlichkeit im Wesentlichen als machtvolle, den Dingen inwendige Möglichkeit evoziert wird.
Die künstlerische Intention, in der sich Tucholski dieser Mittel bedient, ist das Zur-Erscheinung-Bringen des grundlegenden sozialen Raumes in seiner Dialektik mit dem individuellen Willen der Menschen zum Bau persönlicher Lebensräume.
In diesem Beziehungs-Raum, der sich quer zum architektonischen und landschaftlichen, zum urbanen und ländlichen Raum, und vor allem zum kulturellen und politischen Raum entfaltet, bewegt sich der Mensch im Zuge von Platzierungs- und Verbindungs-Prozessen wie an und zwischen unsichtbaren Marionetten-Fäden.
Barbara Camilla Tucholskis Zeichnungen liefern für diese Anschauung von Leben als Netz das graphische Äquivalent. Die Linien und Linien-Verbindungen ihrer Zeichnungen verbinden in sich individuelles Abbild und übergreifende Netzstruktur miteinander.
Die Künstlerin verbindet das raumformende gesellschaftlich-menschliche Streben zwischen Bindung und Freiheit und der grundlegenden Begrenztheit des Menschen in seiner Zeit, das sie in ihren Zeichnungen visualisiert, mit dem Rückgriff auf die eigene Biographie als deutsch-deutsches Flüchtlings-Kind.
Die Emotionalität, die sie hier bewegt, findet vor allem in Geschichte, Struktur und Erscheinung der Klein-Gärten vor Ort und im nahen Rostock eine adäquate Real-Metapher.
Die Sinnbildlichkeit der gegebenen klein-gärtnerischen Realität führt die Künstlerin zeichnerisch in einer transzendierenden, poetisierenden Weise aus. So ermöglicht die inhaltliche Überhöhung der sozialen Wirklichkeit, dass die Werthaftigkeit des imaginierten Welt-Weite-Moments der grünen Mini-Paradiese auch dem Uneingeweihten nahegeht und über die sozialen Trennlinien hinweg spürbar wird.
Melancholie schwingt mit.
Die Klein - oder Schreber - Garten-Gebiete, wie man sie seit Beginn des Industrie-Kapitalismus Ende des 18. Jhts kennt, als Oasen-Verbünde des Klein-Bürger- und Arbeitertums, wo das nicht-entfremdete menschliche Dasein und die Harmonie zwischen Mensch und Natur unter allen nur möglichen weltanschaulichen Maßgaben einer säkularen, pluralistischen Gesellschaft Form findet, haben ihre große Zeit längst hinter sich. Beendet wurde sie in der ehemaligen DDR durch den Einbruch der westdeutschen Konsumwelt und ihren Supermärkten nach 1989, die den kostengünstigen Selbst-Anbau obsolet machten und der urgesellschaftlichen Gemeinschaftspflege mit Erde unterm Fingernagel die wirtschafts-rationale Begründung nahmen.
Die Idee ist unsterblich, ihre Bedeutung, dass der Garten Eden, Kanaa, die Neue Welt direkt vor unseren Füssen beginnt, lebt weiter.
Im Augenblick der Besinnung auf die menschliche Eigen- und Mit-Natur mit der Schöpfung löst sie Bewegungen aus wie das Urban Gardening, das den mutigen Grashalm im Asphalt als Vorboten einer besseren Welt zu begrüßen weiß.
Das Moment der Erdung ist dabei auch ein integraler, ganz konkreter Bestandteil der zeichnerischen Arbeitsform von Barbara Camilla Tucholski.
Viele ihrer Zeichnungen werden nicht am Schreibtisch ausgeführt, das Zeichnen erweitert sich z.B. in der ungewohnten Körperhaltung bei Bodenlage und in anderen Positionen zur Performance, die das Erlebnis der eigenen Körper- und Natur-Haftigkeit aus dem mentalen Hintergrund herausholt und als formgebenden Antrieb bewusst integriert. Der Körper wird zum Nährboden des Geistigen.
In diesem Zusammenhang werden die bepflanzen Blumentöpfe, die unter dem Titel „ die kleinen Gärten des Glücks“ im Kreis zum Bild einer Gemeinschaft Gleichberechtigter aufgestellt sind, zum Sinnbild des Green-House. So wie sich die kreisrunden Gefäße an einer Stelle berühren, verbindet sie ein Gedanke, der sie zu Archen macht, die unter den Zeichen des Klimawandels den historisch untergehenden Garten verlassen, in ihnen transportiert der Geist Noahs die ökologische Friedens-Idee und befördert sie auf ihrem langen Weg, der mit dem Paradies begann, im Strömen der Zeit in die Zukunft.
7. Thomas May
1971 geboren in Amberg i.d.Opf.
1992 – 1999 Akademie d. B. Künste Nürnberg, Prof. Reuter , Meisterschüler
1997 – 1998 Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, Medienkunst
1999 – 2000 Aufbaustudiengang “Kunst im öffentlichen Raum” AdBK Nbg., Prof. Hölzinger,
ab 2000
Grashalm-Institut
Workshops und Artist in Residenz-Aufenthalte im Ausland, mehrmals in China und Japan
Die zentrale Arbeit in Thomas Mays Werk ist das Grashalm-Institut, ein Kontext-Kunstwerk, das wissenschaftliche Methoden auf den ästhetischen Raum überträgt, das Kernthema seiner Auseinandersetzung ist dabei der Grashalm und seine biologische, ökonomische und kulturelle Platzierung.
Seit der Jahrtausendwende, als Thomas May in Verbindung mit dem Kunstverein Weiden eines seiner ersten Grashalm-Schnitz-Projekte im bayerisch-böhmischen Grenzland durchführte, sind zahlreiche Aktionen, Projekte, Workshops, Kongresse und andere Formen des Wissens-Transfers durchgeführt worden, dabei werden alle Sinne zur Begutachtung, Analyse und Strukturierung des Phänomens im Denkraum jenseits des Nutzwert-Prinzips herangezogen. Man schmeckt, man riecht, man hört, man bewegt, man sieht, man fühlt. Ganz wesentlich ist die Teilnahme des Publikums, das in vielfältiger Weise als Nutzer als Nutzer der Mayschen Objekte auftritt, der Nutzen beruht auf einer Weitung des Wahrnehmungshorizontes und dem geistigen Raum-Gewinn..
Die ausgestellten fotografischen Arbeiten präsentieren eine andere Werklinie, die Thomas May im Zusammenhang mit Aufenthalten in Japan vorantreibt. Zwischen der Inselkultur, die auf kleinstem Natur-Raum effektiv sein muss und eine Weltmarkt-Spitzen-Position innehat, und den künstlerischen Leitgedanken, denen Thomas May folgt, besteht eine Verbindung, die sich vielleicht im Bonsai-Bäumchen adäquat symbolisiert.
Mensch und Natur treffen sich in der Gemeinsamkeit ihres Lebensdranges, die Form der Koexistenz, die beiden Raum lässt, beruht auf der Ritualisierung des Lebens. Das Bonsai-Bäumchen unterliegt einem lebenslangen Prozess der Intervention und Unterwerfung unter das Muster des Ur- und Ideal-Baums.
Ein ähnlicher Idealisierungs-Gedanke ist in Mays Pflanzenfotografien wirksam, die May „Nature terroriste“ nennt. Pflanzen sind Verwandler von Licht-Energie, in Mays Fotografie kommt das Licht-Energie-Moment der Pflanzen in der Gestalt zum Ausdruck, dass bestimmte Bereiche, Blätter, Stengel, von einzelnen Pflanzen oder Pflanzengruppen in ungewöhnlicher Intensität strahlen, die dabei absolut natürlich wirkt. Sichtlich fließt der Energie-Einfluss über.
Das ist absolut nicht natürlich, vielmehr ist es die Folge eines technischen Eingriffs, einer Farb-Spray-Intervention, die ästhetische Ordnungs-Vorgaben steigert, aber letztendlich die Natur vergewaltigt.
Der Anblick ist faszinierend, eine magische Aura ergreift das Gemüt und lässt wider besseren Wissens keinen Zweifel zu, hier enthüllt sich die wahre Natur, der man sich hingeben will.
Das ist eine Täuschung und eine Demonstration der Täuschungs-Bereitschaft des Menschen, vor dem Hintergrund der jüngsten japanischen Atomkatastrophe könnte man das, was hier vorliegt, auch das Fokushima-Syndrom nennen.
Wolfgang Herzer