Bis heute
W.A. Hansbauer
Malerei
17.01.—16.02.03
Info
In der Generalprobe schaffte es Hansbauer alias Gerd Scharl, der 1967 geborene Sproß des Hansbauerhofes im Oberpfälzer Etzenricht. Erstmalig war der Main auf Skiern überquert worden. Die Publikumspremiere, die unter den Zeichen von Christus, Mao und Beuys gegen die herrschende Wasserstrassenverkehrsordnung verstieß, fiel aber buchstäblich ins Wasser.
Was Anfang der 90er Jahre nicht mehr als ein ordentlicher Studentenulk sein wollte, ist im Rückblick erstrecht kein Reinfall. Heute bietet uns nämlich diese Anekdote aus dem Leben des jungen Scharl, eines Kunstleistungskursadepten am Weidener Keplergymnasium, der 1989 nach vergeblicher Bewerbung in Nürnberg und München am Frankfurter Städel auf das Interesse von Jörg Immendorff stieß, keinen unbeachtlichen Gewinn an metapho-rischer Tiefe.
Viele, oft hinreißende Bilder in Öl und Eitempera hat Hansbauer während der letzten dreizehn Jahre gemalt. Aber keines gibt über seine und die allgemeine Geisteslage ebensowie über die spezielle Situation „engagierter“, politischer Kunst zur Nachwendezeit sinnfälliger Auskunft als dieses schwarzweiße Zufallsprodukt. In der Unschärfe der bekannten Loch-Ness- Fotografie hält es eine wankende Gestalt auf Styropor-Bretteln fest.
Die Maxime BEZIEHE POSITION ( gegenüber dem System!), mit der er sich als Schüler des 68er Lidl-Aktivisten und Hört-auf-zu-malen-Maler Immendorff auseinanderzu-setzen hatte, ist 89 schlagartig veraltet. Mit dem Fall der Mauer, die als Naht im Eis des Kalten Krieges auf zahlreichen Bildern des Lehrers erscheint,
Dabei wußte er von Anfang an, was er wollte, vor allem, daß er wollte. Seine mimetische Begabung, ein Euter prall gefüllt mit der Milch ländlicher Motive, landete auf dem Weg zum Abitur Volltreffer ebenso wie am 1987 eröffneten Freien Institut für Kunst und Design. Die sogenannte Fischerschule in Neustadt/Waldnaab genießt heute einen guten Ruf als Vorbereitungshilfe für Akademieanwärter. Scharls Leinwände, tonig ausgeführte Klein- und Mittelformate mit starkem graphischen Akzent, zeigten Kühe in der Herde, Hühner auf der Stange, Katzen bei der Hygiene, verschneite Holzstöße oder den Stadtplatz von Weiden und konnten dabei in der regionalen Wahrnehmung 94 in der Stadt Schopenhauers in Kunst verwandeln würde, war längst keine Frage des Handwerks mehr.
Spielerisch verbindet sich Hansbauers ländlicher Fundus mit den allegorischen Mustern des deutschen Neo-Histo-rismus, der Karikatur und der Idee einer „Welt als Wille und Vorstellung“ aus Penthouse-Perspektive. Rindvieh als pfurzbetriebene Interkontinentalrakete, Rindvieh mit Künstler im Boxring, im Rettungsboot oder auf Warhols elektrischem Stuhl, Eisberg in Frankfurt, Baumgouillotine, Musikboxbaum, Herzkontinente, leichtgeschürzte Lolitas schreiten in Pferdebegleitung durch die „Waldeinsamkeit“. Kurzum die ewige Natur, das Ding an sich erscheint in aktueller städtischer und ländlicher Gewandung. Ein Ausgleiten in schlüpfrige Plattheit parieren die grobe Textur, die klassische Eitempera und ökolent anderenorts entwickelt hätte, z.B beim Wunsch-Professor des Studienplatzbewerbers , dem Post-Minimalisten Ulrich Rückriem, besteht gleichermaßen als reizvolle , keineswegs müßige Spekulation weiter. Hansbauers Verhältnis zu Immendorff, dessen letzte Frankfurter Mal-klasse er 1996 kommissarisch führte, bleibt davon frei.
Erst jüngst wurde wieder eine Neuorientierung gewagt. Eine zweijährige Schaffenskrise, in der der Pinsel nicht lahm wurde, hat die Distanz zu den Anfängen ergebnisstark vergrößert. Spurwechsel gibt es bereits zwischen 89 und 94 in Frankfurt, 95/96
Das Gefühl überschaubarer Kleinräumigkeit und kritisch-lebensfroher Burleske, das die haptische Ausführung und gleichermaßen die Verwendung naher Farbverwandtschaf-ten mitbestimmt, so während der braungrauen Periode 89 bis 95, als sich dann 96 das unbunte Spektrum um Blau erweitert und ab 98 der Ton von einer frühjahrhaften Triade aus Ocker, Grün und Hellblau angegeben wird, löst sich mit den Jahren von der Struktur des Einheits- Rau-mes und der in sich abgeschlossenen Szene. Gleichzeitig treten der schwarzblauen „Zauberwald“- Geilheit, in die Hansbauer u.a. Henry Moores archaisches Königspaar als bayuwarische Soft-Porno-Fabel versetzt, die Lichtge-stalten Sol und Luna auf dem immateriellen Weiß der un-bemalten Grundierung entgegenicht auch das Rad zurückdrehen? Unter den freundlichen Blicken der astronomischen Eltern beginnt sich ab 1998 im lichten klecksographischen Streubild neues, erstes, vieldeutiges Leben zu regen.
Wieviel Zukunft dieser Rückgriff auf das Informel und seinen Zufalls- Flecken haben würde, der in einem land- wirtschaftlich verlinkten Atelier neben den Rost- und Stockflecken zum Alltagsgespräch mit der Natur gehört, war auch 2001 noch nicht ersichtlich, als Hansbauer in großformatigen, alle bisherigen Strukturen, Themen und Verfahren umfassenden Potpourris Bilanz zog.
Im Herbst 2002 ging Hansbauer in Klausur. Als das hartnäckigste aller bisherigen Malprobleme übnollennasige Polizist aus dem Perscheid-Comic, Penthouse-Pat-of -the-Month, der Kunstvereins-Vorstand, ein Auszug der Internet-Börsenanzeige, die deutsche Flagge, alles in Öl auf Leinwand. Doch voller Rost und Schimmelflecken. Der Zahn der Zeit hat seine Spuren hinterlassen. Mutter Natur signiert. Hansbauer richtet damit einen Pop-Tempel der Superstars ein, die aus dem Olymp ins Vergehen, ins lachende Leben zurückkehren. Die Tatsache, daß der Lack ab ist, verbindet und stiftet demokratische Freude.