Drei Hamburger Frauen:
Himmel und Hölle
Ergül Cengiz, Henrieke Ribbe, Kathrin Wolf
16.09.—22.10.06
Info
Dann machen wir uns es mal ganz leicht!
Drei Frauen, drei Aufgaben, ein Ort, ein Ziel. Drei junge Frauen, deren Zusammenführung die Hamburger Hochschule für Bildende Künste besorgt hat, bemalen von Zeit zu Zeit gemeinsam Wände. Drei Künstlerinnen, deren Sterne in unterschiedlichen Höhen stehen, treffen sich regelmäßig unregelmäßig um gemeinsam etwas zu erschaffen. Klingt schön! Ist es wohl auch, sonst hätten die drei nicht die Förderkoje auf der Art Cologne im letzten Jahr besetzen dürfen, sonst wären sie auch nicht so viel unterwegs in diesem Sommer, in Deutschland, der Schweiz und Irland.
Man stelle sich drei Freundinnen vor, drei Mädchen in einem Zimmer. Der Vorrat wäre beschafft, der Vorrat an Essen und Trinken, aber auch der Vorrat an Farbe und Material. Denn ein Plan ist in den langen Nachmittagen auf diesem Zimmer gefasst worden. Ein verwegener Plan. Ein Plan, der Auflehnung demonstriert und Reaktion provoziert: Die Wand wird bemalt.
Die Kinderzimmerwand soll zu einem Fenster werden. Nein, falsch! Nicht zu einem Fenster: Die Wand soll verschwinden hinter einem Tor zu einer besseren Welt. Die Mauern einzureißen, dafür reichen die Kräfte noch nicht. Die Wand aber unsichtbar zu machen, dazu sind sie in der Lage und willens und eisern entschlossen. Die Tür wird verriegelt, der Mutter der Eintritt verwehrt – man hat schließlich seine territorialen Rechte ab einem gewissen Alter. Der Ausbruch beginnt. Ein Verlassen der eigenen kleinen Welt, die so eng ist, dass die Wände mit jedem Lebenslang näher zu rücken scheinen. Damit der Ausbruch gelingt sind die Aufgaben verteilt. Das eine Mädchen, nennen wir sie Henrieke, darf die Figuren malen: Untiere und Dämonen, aber auch Lassie und Cowgirls und Vamps, neuerdings sogar Nackte. Die menschlichen Figuren sind natürlich immer sie selbst, in einer gepumpten Version ihres einen Selbst, Phantasiefiguren aus alltäglichem Material. Freundin Ergül übernimmt das Panorama, in dem sich diese Figuren bewegen. Mit Treppe natürlich und mit der fernen Stat, in der das Glück doch wohl gefälligst zu wohnen hat. Aber auch der Urwald fehlt nicht, der Ort, an dem das Wilde haust und dort entweder seiner Domestizierung harrt oder das bürgerliche Kleinselbst in die Unbezähmbarkeit zurückführt. Die dritte im Bunde, Kathrin, verfugt das Disparate zu einem Ganzen, mit Tieren und Pflanzen und mit Dekor. Beim Malen wird geredet und gestritten und versöhnt und der eigene Mut gefeiert. Auch Musik gehört, ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit und deshalb später dem Werk integral zugerechnet.
Und dann ist die Wand endlich verschwunden und die Kunst und die Künstler sind erschöpft. Die Kekse und der Kaba aufgebraucht, der Vater heimgekommen und hämmernd an der Tür, die mütterliche Solidarität Tränen verwandelt. Der Riegel muss zurückgeschoben werden, jetzt und hier, dann wird man schon sehen, was passiert. Ein kurzer Schwur, das Erlebte zu wiederholen, an anderer Stelle, in der gleichen Besetzung – dann darf die Obrigkeit herein.
„Die Wand muss wieder her!“ Wo kämen wir da hin, wenn die Wände zu Türen würden, verschwänden hinter Lichtern und Bildern aus einer anderen, einer schöneren, aber eben nicht der unseren Welt? Kurz bleibt das Bild noch sichtbar. Bis der Vater genug Farbe besorgt hat, um die Wand wieder zum Erscheinen zu zwingen. Dass dahinter ein Tor wartet, das wissen bald nur noch die drei Mädchen. Die schenken es den nächsten Bewohnern als geheimes Erbe, verstehen es als Pfand bis sich eine neue Wand gefunden hat und eine neue Tür, die sich kurz verriegeln lässt, bevor der Vater nach Hause kommt.
Das wäre eine einfache Geschichte, eine einfache Erklärung, das Ereignis selbst aber nicht der Rede wert. So einfach ist die Geschichte von Ergül Cengiz, Henrieke Ribbe und Kathrin Wolf nicht und deshalb freut sich der Kunstverein Weiden ausserordentlich, die „Drei Hamburger Frauen“ im September 2006 dem Publikum zu präsentieren.
Heiner Reber
Drei Hamburger Frauen:
Himmel und Hölle
Ergül Cengiz, Henrieke Ribbe, Kathrin Wolf
16.09.—22.10.06
Info
Dann machen wir uns es mal ganz leicht!
Drei Frauen, drei Aufgaben, ein Ort, ein Ziel. Drei junge Frauen, deren Zusammenführung die Hamburger Hochschule für Bildende Künste besorgt hat, bemalen von Zeit zu Zeit gemeinsam Wände. Drei Künstlerinnen, deren Sterne in unterschiedlichen Höhen stehen, treffen sich regelmäßig unregelmäßig um gemeinsam etwas zu erschaffen. Klingt schön! Ist es wohl auch, sonst hätten die drei nicht die Förderkoje auf der Art Cologne im letzten Jahr besetzen dürfen, sonst wären sie auch nicht so viel unterwegs in diesem Sommer, in Deutschland, der Schweiz und Irland.
Man stelle sich drei Freundinnen vor, drei Mädchen in einem Zimmer. Der Vorrat wäre beschafft, der Vorrat an Essen und Trinken, aber auch der Vorrat an Farbe und Material. Denn ein Plan ist in den langen Nachmittagen auf diesem Zimmer gefasst worden. Ein verwegener Plan. Ein Plan, der Auflehnung demonstriert und Reaktion provoziert: Die Wand wird bemalt.
Die Kinderzimmerwand soll zu einem Fenster werden. Nein, falsch! Nicht zu einem Fenster: Die Wand soll verschwinden hinter einem Tor zu einer besseren Welt. Die Mauern einzureißen, dafür reichen die Kräfte noch nicht. Die Wand aber unsichtbar zu machen, dazu sind sie in der Lage und willens und eisern entschlossen. Die Tür wird verriegelt, der Mutter der Eintritt verwehrt – man hat schließlich seine territorialen Rechte ab einem gewissen Alter. Der Ausbruch beginnt. Ein Verlassen der eigenen kleinen Welt, die so eng ist, dass die Wände mit jedem Lebenslang näher zu rücken scheinen. Damit der Ausbruch gelingt sind die Aufgaben verteilt. Das eine Mädchen, nennen wir sie Henrieke, darf die Figuren malen: Untiere und Dämonen, aber auch Lassie und Cowgirls und Vamps, neuerdings sogar Nackte. Die menschlichen Figuren sind natürlich immer sie selbst, in einer gepumpten Version ihres einen Selbst, Phantasiefiguren aus alltäglichem Material. Freundin Ergül übernimmt das Panorama, in dem sich diese Figuren bewegen. Mit Treppe natürlich und mit der fernen Stat, in der das Glück doch wohl gefälligst zu wohnen hat. Aber auch der Urwald fehlt nicht, der Ort, an dem das Wilde haust und dort entweder seiner Domestizierung harrt oder das bürgerliche Kleinselbst in die Unbezähmbarkeit zurückführt. Die dritte im Bunde, Kathrin, verfugt das Disparate zu einem Ganzen, mit Tieren und Pflanzen und mit Dekor. Beim Malen wird geredet und gestritten und versöhnt und der eigene Mut gefeiert. Auch Musik gehört, ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit und deshalb später dem Werk integral zugerechnet.
Und dann ist die Wand endlich verschwunden und die Kunst und die Künstler sind erschöpft. Die Kekse und der Kaba aufgebraucht, der Vater heimgekommen und hämmernd an der Tür, die mütterliche Solidarität Tränen verwandelt. Der Riegel muss zurückgeschoben werden, jetzt und hier, dann wird man schon sehen, was passiert. Ein kurzer Schwur, das Erlebte zu wiederholen, an anderer Stelle, in der gleichen Besetzung – dann darf die Obrigkeit herein.
„Die Wand muss wieder her!“ Wo kämen wir da hin, wenn die Wände zu Türen würden, verschwänden hinter Lichtern und Bildern aus einer anderen, einer schöneren, aber eben nicht der unseren Welt? Kurz bleibt das Bild noch sichtbar. Bis der Vater genug Farbe besorgt hat, um die Wand wieder zum Erscheinen zu zwingen. Dass dahinter ein Tor wartet, das wissen bald nur noch die drei Mädchen. Die schenken es den nächsten Bewohnern als geheimes Erbe, verstehen es als Pfand bis sich eine neue Wand gefunden hat und eine neue Tür, die sich kurz verriegeln lässt, bevor der Vater nach Hause kommt.
Das wäre eine einfache Geschichte, eine einfache Erklärung, das Ereignis selbst aber nicht der Rede wert. So einfach ist die Geschichte von Ergül Cengiz, Henrieke Ribbe und Kathrin Wolf nicht und deshalb freut sich der Kunstverein Weiden ausserordentlich, die „Drei Hamburger Frauen“ im September 2006 dem Publikum zu präsentieren.
Heiner Reber