Entschleunigte Zone
10 Jahre Kunstverein Weiden
Dokumentation:Namen, Presseberichte, Fotos, Video, Kinder im Museum &
die Kunst des Kurators.
16.01.—18.01.04
Info
Was wäre die Geschichte einer Einrichtung für Kunst und Kreativität, deren eigentliche Gegenstände ja das Interface, die unbenennbare Nuance, der Zufall sind, wenn diese nicht auch der Glücks-Zu-Fall geadelt hätte! So gründet das jetzt zehnjährige Bestehen des Kunstverein Weiden, der dabei zweimal seinen Namen änderte und trotzdem für viele die galeriehammer&herzer geblieben ist, nicht unbedingt in der Bedarfslogik der Weidener Stadtentwicklung. Man schreibt das Jahr 93, der Eiserne Vorhang ist gefallen, die Stadt Max Regers floriert. Keine Leerstände, die weiteren kulturellen Pioniergeist animieren müssten. Wonach ökologischer Gaumen und Feingeist allerdings lange schon lechzen, ist ein vegetarisches Restaurant. Bauriedls betreten die Bühne am Unteren Markt. Als sie das ehemalige Hammer-Anwesen mit voller Oberpfälzer Alternativ-Kraft zum Cafe blaugold neuvermessen, umgebaut und gestaltet haben, taucht in Form eines kleinen Stallgewölbes, für das sich keine angemessene Nutzung finden lässt, eine überraschende Option auf. Der Geistesblitz, hierher einen GaleristiEn zu holen, ist nicht nur ein Treffer ins Schwarze gewesen, der den örtlichen Kunstfreundinnen bis heute rund 200 Ausstellungen und events beschert hat. Er erweist sich seit zehn Jahren auch als ein ebenso zielsicherer Querschläger, der den Kunst-Treffpunkt Weiden mit Personen und Einrichtungen der regionalen, der angrenzenden tschechischen und der nationalen Szene nachhaltig in Verbindung bringt.
Eine fruchtbare Entwicklung, bei der 1999 der Zusammenschluß kleinerer und größerer Oberpfälzer Kunsthäuser zur KoOpf, die Zusammenarbeit mit den Egerer und Prager Galerien G4 und MXM und nach dem Umzug des Kunstvereins in die Großräume der Ledererstrasse 6 die Einrichtung der Jugendgalerie ocwemodul im alten Ausstellungsraum zu Buche schlagen. Der Mutterboden für dieses Wachstum setzt sich aus den Anregungen, Herausfoderungen und Unterstützungen zusammen, die der Kontakt mit den vereinlichen, freien und städtischen Trägerschaften des Weidener Kulturlebens bietet. Dabei nehmen auch die Futura 87, wo sich herzer erste Sporen als Ausstellungsmacher verdiente, die Initiativkreise um die BdA- Vortragsreihe „Regionales Bauen“ und das Buch- und Ausstellungsprojekt „Aktuelle Architektur der Oberpfalz“ aus dem Amberger Büro Wilhelm ebenso wie die Kinder & Jugend-Kunstschule der Museumspädagogin Irene Fritz eine herausragende Stellung ein. Ihrem Tun widmet das Jubiläumsevent eine eigene Abteilung. Vor allem aber ist auf die Zusammenarbeit mit den Bayerisch-Böhmischen Kulturtagen vor Ort, den Weidener Max Reger Tagen und besonders auf die Weidener Literaturtage hinzuweisen, die mit ihrem 1996er -Titel „Deutschland einig Vaterland“ hammer&herzer zur Suche nach dem durchschlagenden Ausstellungsbeitrag in die ehemalige DDR schickten. Nachdem die berufsbedingte Nähe zur Jugend, „die auslöffeln muß, was die Alten einbrocken“, den Kunstlehrer und Kurator aus der Oberpfalz auf die Idee gebracht hatte, die Ost-Hochschulen abzuklappern, sollten sich der Projekt-Partner aus Wismar, Professor Valentin Rothmaler, und sein Freund Jürgen Schweinebraden auch noch als Schlüsselbund zur deutschen Gegenwartskunst herausstellen. Ohne sie wären die hochkarätigen Ausstellungen von F. E. Walther und Fritz Schwegler, mit denen uns die Stadt Weiden 00 und 02 beauftragte, ebenso wie Raffael Rheinsbergs Weidener Arbeit „In alle Richtungen" und der damit verbundene Auftrieb nicht zustandegekommen.
Aus diesen und vielen anderen Namen noch, deren Klang größere und kleinere Kreise zusammenschließt, hat der Kunstverein 10 Jahresprogramme z. T. unter den Titeln ,regionale 97“, „Jahr der Liebe - oder Der mutige Hase“, „relate“, „Hausaufgabe“ und „Nochmehr Hausaufgaben“ komponiert. Sie sind auf der Titelseite als Kleingedrucktes zu finden. Da begegnen wir nocheinmal Thom Argauer, Bob Biendl, Max Bresele, Hans Burmeister, Rudi Pospieszczyk, Herbert Rieder, Beate Schuster und Helge Weindler. Namen in Stein gehauen. Die Betreffenden leben nicht mehr.
Die Jubiläumsfeier, auf der Sie ein Wochenende lang das Bildnis des Kunstvereins im Weidener Pressespiegel betrachten können, steht unter dem Titel , Entschleunigte Zone“. Das Verkehrszeichen, das die Bildseite zeigt, soll im Kielwasser von Stan Nadolnys Epochenroman „Die Entdeckung der Langsamkeit“ vor einer Gefahr warnen, die der Kunst auch gerade im Kunstbetrieb droht. Der Verlust der Muße.
Eine andere Form des Betriebsportraits liefert die Ausstellung mit eigenen Zeichnungen und Gemälden des Vereinsleiters, die im vergangenen Jahrzehnt parallel zu den FremdAusstellungen entstanden sind. Selbstverständlich unterliegen Kunstvermittler, die selber malen, einem ungeschriebenen Heimspielverbot. Wenn nach heutiger Auffassung aber Kunstinstitutionen Labore sind, in denen aus verschiedenen Bestandteilen - natürlich auch aus dem Werk - Kunst entsteht, ist es nur aufschlußreich, auch einmal den Faktor Kunstvereinsleiter, dessen mögliche Befangenheit in der eigenen Produktion, zum Gegenstand einer Ausstellung zu machen.
Was könnte die Rückschau auf hammer &herzers Herakles-Tat, die sich mittlerweile aus den Spielzügen vieler zusammensetzt, besser abrunden als eine künstlerische Manifestation des Begriffs Partnerschaft. Wilma Rapf-Karikari und Ingo Kübler, die in Regensburg die Druckerei ,,Kartenhaus-Kollektiv“ betreiben, vereinen in der Edition ihres ,,Kunstpartnerkalenders“ die Funktionen einer Artothek, einer öffentlichen Sammlung und einer KünstlerInnen-Agentur. Die Trägerschaft dieses ambulanten Museumsbetriebes, der seit 11 Jahren zu den Leuten in die Wohnungen geht, bilden Betriebe, Privatpersonen, Büros, die den Zwölferpack Oberpfalz-Kunst für ihre weihnachtliche PR-Aktion ordern. Nach der Erstpräsentation in Regensburg gibt's die Kalender und die 12 Originalarbeiten jetzt auch im Kunstverein Weiden. Hurra, wir leben noch! Weitergeben!