Frauensache Akt
Birgit Kübler, Liz Bayerlein
04.07.—27.07.03
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
sind Kunstvereine förderungswürdige Bildungseinrichtungen? Auf alle Fälle auch! Wer da bisher Zweifel hatte, nur den Jahrmarkt der Eitelkeiten sah, sollte unser diesjähriges Programm studieren.
Nachdem der Kunstverein Weiden zur Jahreswende Weidener Nachwuchs, Studienanfänger/innen und Fortgeschrittene an deutschen Kunstakademien vorgestellt hat, anschließend mit zwei Architekturausstellungen Leitgedanken zeitgemäßer öffentlicher und privater Raumkultur vermittelt hat und zuletzt auch noch eine Exerzitie zur Aktualität des romantischen Geistes in der Oberpfalz durchgeführt hat, verbeugen sich die folgenden Ausstellungen vor unserem Publikum mit dem akademischen Kratzfuß par excellence. Zumindest in den Titelzeilen.
Akt, Landschaftsmalerei & Stilleben sind angesagt, altehrwürdige Gattungen, unvergessene Traditionen im Gehege der vergoldeten Profilleiste. Daß es sich dabei aber auch um Potentiale handelt, die unter der Hand aktueller Kunst immernoch faszinierende Blüten treiben, dürfte die interessante Erfahrung sein, die Sie gleich aus dem Treffen mit den Aktbildern von Liz Bayerlein und Birgit Kübler gewinnen können.
Entsprechend folgt im September die Ausstellung „Plein Air. Heimatmalerei“ mit Freilichtarbeiten von Peter Angermann, Professor an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, im grauen November greifen die Münchenerinnen Mirja Lang, Anne Wotke und Sonja Weber die Vanitas Idee des barocken Stillebens in einer MultimediaInstallation auf.
Die studierte Kunstgeschichtlerin und Volkskundlerin Birgit Kübler ist seit1995 Bestandteil der Regensburger Szene, die sich die „Frauensache“ zum ungeschriebenen Programm gemacht hat. Vorrangig beschäftigt sich die Künstlerin mit zwei Themenkreisen, der Abbildung des weiblichen Körpers und einer literarischbildnerische Übertragung des Medusa-Mythos auf die Situation der heutigen Frau. Dabei hat die 1961 in Stuttgard geborene Autodidaktin, die 1996 die Malereiklasse von Nancy Spero und Leon Golub an der Sommerakademie Salzburg besuchte, ihren Zugang zu Theorie und Praxis der Aktdarstellung durch die feministische Brille gefunden, dergemäß die Nacktheit im Bild unserer westlichen Kultur seit der Antike männlichen Interessen und Visionen gehorche. Auch heute noch gebe ein Großteil der Bilder, in denen die kollektive Wahrnehmung des weiblichen Körpers erfolge, keineswegs dem Selbstgefühl des „Anderen Geschlechts“ Ausdruck, sondern spiegele entgegen dem politischen Gleichstellungswillen und der Emanzipationsbewegung nach wie vor Allegorien, Rollenklischees und männliche Projektionen.
Angelpunkt von Küblers theoretischer Arbeit, die sich als subjektive Zustandsberichte und persönlich eingefärbte wissenschaftliche Reflexionen auch auf Text-Tafeln zwischen der Malerei niederschläg, ist die mythologische Figur der Medusa, Inbegriff einer verlorengegangenen matriachalischen Sexualität. Das Wissen um Medusas anmutiges Wesen würde durch das Zerrbild des Schlangenhauptes verstellt.
Dementsprechend will Birgit Kübler in ihrer malerischen Auseinandersetzung mit dem Körper, dem „ einzig Realen in einer entfremdeten Welt“, wie die Österreicherin Maria Lassnig sagt, der innenverschlossenen Empfindung, Frau zu sein, ein „Außenweltbild“ jenseits erotischer und sozialer Stereotypen wie Muse, Sexmaschine und Mutter erstellen.
In der Methode, die sie dabei anwendet, mischen sich Züge der realistischen Optik und archaische Symmetrie ebenso wie ein abstrakter, breiter, flächegreifender Pinselduktus, der über die anatomische Logik hinaus dem introspektiven Erlebnis der eigenen, randlos sich ausbreitenden Körperzustände nachgeht. Verblassende Erdtöne, blutrotes Lineament, der weisse Grund verdrängt den dünnen Farbauftrag, keine Schatten täuschen über die Flachheit der Leinwand hinweg. Die weiblichen Gestalten, die hier vor leerem Hintergrund erscheinen, wirken bewußt unfertig, fehlerhaft. Sie sind Deklinationen einer neuen Sprache, einer Sprache der Muskeln, Lippen, Knochen. Bis auf den festen Blick eignet allem anderen etwas Vorläufiges und Spurhaftes, dessen Wesen es sein könnte, daß man(n) es wie das Leben nicht dingfest machen kann.
Nu bleu barbois. Matisse lässt grüßen! Kunst als Luxus, der den Geist verwöhnen soll? Auch Liz Bayerlein reduziert die menschliche Figur und ihren Umraum auf die Gleichung farbiger Flächen und Arabesken. Aber es ist offensichtlich keine Odaliske, das ästhetische Ideal, das mit tierhaft sanfter Bewegung die Geometrie des Raumes herausfordert, sondern ein „ nackichter“ Durchschnitts Mann mit Bart auf einem handtuchgroßen Stück Rasen, einer von vielen, trotz der starken Abstraktion bleiben ihre Züge portraithaft, es könnten unsere Nachbarn sein.
Und die Frauen?
Ihre Umrisse, Posen und Blicken spiegeln ebenfalls mit leiser Melancholie, darüber hinaus aber durchaus körper- und selbstbewußt den Glanz aus dem Goldenen Zeitalter der Kunst, deren Einklang mit dem Dasein. Aber wenn Küblers Extasen auch mal alle Grenzen verwischen und analog zu Zoe Leonards bärtigen Pin ups das Geschlecht der Versöhnung entsteht, so scheint schon das bloße Nebeneinander von Liz Bayerleins männlichen und weiblichen Akten in einem Bild undenkbar.
Thema ist das Zusich-Stehen, die Ortssuche des Individuums in der eigenen Haut. Zielnähe zeigt das mehr oder weniger aufleuchtenden Eigenlicht der expressiv angelegten Farbe. Auf die Binnenzeichnung mit ihren Möglichkeiten, Seelisches darzustellen, wird ganz verzichtet, die lineare Aussagekraft sammelt sich im Umriß, er erscheint als der Ariadnefaden im Labyrinth der menschlichen Existenz und rollt sich Bild für Bild zu immer neuer, unwiederholbarer Gestalt aus. Die überraschende Folge seiner Geraden und Kurven, der abrupte Wandel perspektischer Fluchtung der Körperteile in Andrang, meint dabei nicht die Anatomie sondern den menschlichen Wesenskern, der in den Gezeiten seiner emotionalen Körperzustände zwischen Weite und Enge liegt. Ich fühle, also bin ich.
Seitdem die 1951 geborene Nürnbergerin 1995 spätberufen ihr Talent entdeckt, 2001 das Studium an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Dollhopf und Knaupp absolviert und ein neues Leben als Malerin begonnen hat, hält die Intensität an, mit der Liz Bayerlein in unverwechselbarer Handschrift und beeindruckender Einfühlsamkeit gegenüber ihren Modellen und deren Prägungen beim Thema bleibt. Die Vermutung liegt nahe, daß es sich dabei unterschwellig auch um den Drang handeln könnte, in der Gesamtheit der Aktpotraits schließlich das „ Antlitz der Zeit“ bloßzulegen.