HIDE AND SEEK
Pirko Schröder/Thomas May
Fr. 3. Februar (Vernissage 20 Uhr) - So. 19. März. 2023 im Kunstverein Weiden
HIDE AND SEEK
Pirko Julia Schröder & Thomas May
Gemeinsames Geschehen
Kunstverein Weiden und Ostbayerische Technische Hochschule
Ausstellungsdauer Fr. 27. Januar – So, 5. März 2023
Das Künstler-Paar Pirko Schröder und Thomas May aus Nürnberg stellt unter dem Titel „Hide and Seek“, vom 3. Februar bis zum 5. März im Kunstverein Weiden aus. Sie knüpfen damit an die Ausstellung der Nürnberger Kreis-Galerie an, die hier 2021 mit Land-Art aus der Kroatischen Inselwelt das Weidener Publikum beeindruckte.
Pirko Schröder arbeitet für sich als Fotografin und befasst sich mit dem semantischen Wandel der alltäglichen Signal- und Zeichenwelt, die in Folge der natürlichen Sukzession mit den Veränderungen ihrer funktionellen Kontexte eigenständig einhergehen.
Thomas May arbeitet dagegen als Konzeptkünstler. Sein Schwerpunkt ist der Betrieb des bekannten Grashalm-Instituts, das unter dem Blickwinkel einer erweiterten Wissenschaftlichkeit dem Phänomen Gras nachgeht.
Ab und zu treffen sich beide zu einem künstlerischen Versteck-Spielen, wobei, sie das inszenierte und dokumentierte Verstecken und Entdecken in diversen Natur- und Kulturräumen als symbolisches Spiel verstehen, das Kunst und Wissenschaft miteinander verschmelzen lässt.
Wenn es dabei auch wieder um das Thema Natur geht, dann ist diesmal vor allem die eigene menschliche Wahrnehmungsnatur gemeint, ihr chronisches Selbsttäuschungspotenzial und all die blinden Flecken zwischen wissenschaftlicher Verifikation und Falsifikation, die auch wesentlich zur Natur der menschlichen Welt-Anschauung gehören.
Wesentlich ist, dass nolens volens immer etwas unsichtbar bleibt, versteckt, noch unentdeckt. Geistig wie körperlich, so wird die Chamäleons-Natur von Mensch und Sache, ihr grenzenloses Anpassungs-und Verschmelzungs-Potential zum Studien-Bereich der beiden Kunstakteure. Der Untertitel könnte Mimikri sein.
Die ostbayerische technische Hochschule tritt als Mitveranstalterin auf, wie schon bei der Eichenpflanzung zu Ehren von Joseph Beuys 2022.
Damit will man seitens der Hochschule den tradierten Begriff absoluter wissenschaftlicher Objektivität im Gegensatz zur künstlerischen Subjektivität relativieren und reflektieren und um ökologische Aspekte erweitern. Kunst und Wissenschaft erscheinen dabei als zwei sich ergänzende Welterklärungs-Wege.
Eingestiegen in diese Thematik war man bereits bei dem Podiums-Gespräch „ Vom Nutzen der Kunst“, das anschließend an die Eichenpflanzung für Joseph Beuys am 9.10.22 in der Moderation des renommierten Journalisten Sigmund Gottlieb durchgeführt wurde.
Wie ergiebig eine Verlinkung von Kunst und Technik bzw Wissenschaft sein kann, zeigt aber bereits die Wissenschafts- Geschichte am Beispiel des Chemikers August Kekule. Ihm wurde das ringförmige Struktur-Bild der Benzolformel 1890 quasi im Schlaf geschenkt.
Dort hatte es sich im Traumbild einer Schlange versteckt, die sich in den Schwanz beißt. Aber aufgepasst !, die Wahrheit, die uns wiederum die Schlange aus der Paradies-Geschichte schenkt, ist eine schmerzliche.
Wolfgang Herzer
Eröffnung
am Fr, 3. Februar 2023, 20 Uhr
Ausstellungsdauer
Fr. 3. Februar– So, 5. März 2023
geöffnet nach Vereinbarung 015161481710 und
Do – Sa 20 – 22 Uhr, durch das Cafe Neues Linda So 14 – 18 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freund:innen der Kunst und des Kreativen Lebens, lieber Uhr Buley, Kurator unserer Herbstausstellung mit fränkischen Positionen, lieber Reinhold, Wildenauer, Bürgermeister,
und aufs Aller-Herzlichste begrüßt seien Pirko Julia Schröder und Thomas May aus Nürnberg, sie stellen unter dem Titel „Hide and Seek“, bei uns im Kunstverein Weiden aus und laden das Weidener Publikum vom 3. Februar bis zum 5. März 2023 Richtung Frühling zum wahrnehmungstechnischen Spielen, zum Versteckerles ein.
Irgendwann verschwindet immer irgendwo etwas.
Sie knüpfen damit an die Ausstellung der Nürnberger Künstlergruppe „Der KREIS“ an, die 2022 mit Land-Art aus der Kroatischen Inselwelt das Weidener Publikum beeindruckte.
Übersetzt heißt das Verstecken und Suchen, aber wie das beim Künstlerischen halt so ist, ist es auch hier, das Begriffsfeld lässt sich erweitern, der begriffliche Umriss der Sache wird zusehends unschärfer, man kommt zum Verdecken, Verbergen, Offenlegen, Erhellen, Entkleiden, Bedecken, Verschwinden, Finden, Entdecken, Erleuchten, Tarnen und zum fotographischen Blow up, das sich im Gepixel verliert, etc.
Natur ist auch im jetzigen Fall Thema, der Bereich aus Flora und Fauna, das Sich - Verlieren und Verschwinden im Grünen, im konkreten, wie auch im übertragenen Sinn, ja, letztendlich möchten wir dies alles metaphorisch betrachtet wissen,
als Sinnbilder der menschlichen Wahrnehmungsnatur mit ihren Stärken und Schwächen, ihrer Innovations-Kraft, aber auch mit ihrem chronischen Selbsttäuschungspotenzial, ihren Schubladen und Schließfächern und all den blinden Flecken zwischen wissenschaftlicher Verifikation und Falsifikation der menschlichen Welt-Anschauung.
Die zwei wandhohen Riesen – Puzzles im Eingangsbereich sind eine Verbildlichung dieses Gedankens, die Reihen mit den gleichgroßen quadratischen Puzzle-Teilen, die von einem Vorhang aus Zweigen verdeckt sind, entsprechen einer bild-beklebten Wand aus Schließfächern, wie man sie von Bahnhöfen kennt, und können dem einen oder anderen eine Art Greenwashing des logozentrischen Rasters vorspielen.
Die ostbayerische technische Hochschule tritt wie schon bei der Eichenpflanzung zu Ehren von Joseph Beuys 2022 als Mitveranstalterin auf. Daher noch einmal ganz herzlichen Dank an Herrn Pro. Dr. Bulitta, den Leiter der OTH, der heute gerne dabei gewesen wäre und grüßen lässt.
Damit will man seitens der Hochschule den tradierten Begriff absoluter wissenschaftlicher Objektivität im Gegensatz zur künstlerischen Subjektivität relativieren und reflektieren und um ökologische Aspekte erweitern.
Eingestiegen in diese Thematik war man bereits bei dem Podiumsgespräch „Vom Nutzen der Kunst“, das anschließend an die Eichenpflanzung am 9.10.22 mit Moderation durch den renommierten Journalisten Sigmund Gottlieb durchgeführt wurde.
Wie ergiebig eine Verlinkung von Kunst und Wissenschaft sein kann, zeigt bereits die Wissenschaftsgeschichte am Beispiel des Chemikers August Kekule, dem das ringförmige Strukturbild der Benzolformel im Schlaf geschenkt wurde. Da sah er das Traumbild einer sich in den Schwanz beißenden Schlange.
Nebenbei gesagt, auch ein rabiates Bild, „dieses zwickts mi, I glab I dram“, mit dem nichts falsch gemacht wird, wenn wir es als Hinweis verstehen, dass jede Erkenntnis, wie Leonardo sagt, in unseren Sinnen beginnt und als Affektion durch unsere Anschauung und Körperlichkeit geht.
Auch der Körper denkt, nicht allein der Kopf, will uns das sagen, durch Nachahmung und Anverwandlung. Und genau so schlängeln sich Schröder und May in ihrem Projekt durch die Natur.
Eva im 21. Jht., nackt, wie Gott sie schuf, ihrer zweiten zivilisatorischen Haut entkleidet, Demaskiert bzw entblättert, im Eingangsbild der Ausstellung das uns die Geheimnisse der Farnwälder Australiens ahnen lässt.
Dann zusammen mit Adam im rosaroten Schweinskostüm bzw komplementär - farbenen Schutzanzug, als antropologisches Lehrstück darüber, wie das Lebewesen aus der platten Bodenhaftung zum Zweibeiner wird, zum aufrecht stehenden Wesen mit Weitblick bis zum Savannen-Horizont, bis es wieder heißt, da ist etwas versteckt, da ist etwas noch nicht entdeckt, da droht Gefahr, lasst uns in die Verdeckung gehen, lasst uns Schutz suchen und lasst uns sesshaft werden.
Dabei werden Kunst und Wissenschaft gleichermaßen als Weltvermittler und Orte wechselnder Deutungshoheiten mit jeweils besonderem Werkzeug verstanden.
Das Werkzeug, das Schröder und May neben den dokumentarischen Tools bevorzugen, neben Video, Fotografie und Objekt, ist, wie gerade angedeutet, der eigene Körper, der sich den Einwirkungen der Umwelt aussetzt und auf diese Einwirkungen, wie z.B. einen Lichteinfall im dunklen Nadelwald, mit spontanen bildnerischen Feedbacks antwortet, wie die strahlende Füllung des besagten Lichteinfalls mit Flughölzern, deren Flugbahnen bei höchster Verschlusszeit ins Bild gebannt werden.
So wird der Wald neben seiner Nutz-Räumlichkeits- und Freizeit - Form zur künstlerischen Schatzkammer, die der Normalsicht verborgen bleibt.
Als physiologisch - geistiger Resonanzapparat reagiert unser Körper und formt und verbindet sich in der Negev-Wüste, wo Schröder und May via Stipendium hingekommen sind, entsprechend anders mit seiner Umgebung als in den Dickichten Australiens, am Rheinufer und im fränkischen Raum, wo wir überall aber auch surreal Halluzinatorisches wahrnehmen können. Wir können z.B. von Menschen-Knospen erfülltes Gezweig entdecken, das nahe Nürnberg wachsend an die Genien auf der Lichtlilie des Romantikers Phillipp Otto Runge denken lässt.
Kunst – und geistesgeschichtliche offene Mischräume entstehen, deren radikalste, aber auch gewohnteste Form, die die Ausstellung bietet, die Kunst - Sammlung ist, die sich das Paar aus persönlicher Neigung über die Jahre zugelegt hat, eine Manifestation des Sucher- und Sammler-Drangs. Keep on Seeking.
Eine Sammlung kann als ein homöostatisches System unterschiedlichster Physiognomien gelesen werden, das seine innere Balance sucht, hier ist sie es, ein Gemenge an Gegebenheiten, die im Zusammenhang des Ganzen miteinander auskommen und zueinander finden müssen.
Und schließlich ist die Anzahl gemeinsamer Erwerbungen eine Sozial - Metapher für die Kunst der Paarsamkeit der beiden Künstler-Persönlichkeiten selber, die sich selbstredend in ihren Arbeiten outen.
Dazu ein paar Ausführungen speziellerer Art.
Pirko Julia Schröder ( *1970, Fürstenfeldbruck) und Thomas May (* 19971, Amberg) sind ein Künstler-Ehepaar mit schon großen Kindern, das sich den Alltag teilt, aber seit langem künstlerisch getrennt einer jeweils eigenen Werk-Idee nachgeht.
Auch Tochter Luci ist bereits dabei, sie lässt sich hier von der Stimmung einer finnischen Abenddämmerung die Welt zum Märchen machen, wo sich das Sach-Alltägliche in freier Assoziation gruppiert und sich dem Leitbild der Kreisform folgend seiner Banalität entkleidet
Das klingt ausgesprochen normal und unspektakulär. So betrachtet man zwei berufsbedingt hochindividualistisch angelegte Persönlichkeiten, zwei der vielen typischen Egos in der ästhetischen Forscher- und Entdecker-Welt. Und dann gibt es doch noch etwas Besonderes zu entdecken.
Das ist, dass beide, Künstlerin und Künstler, wenn auch ihre schöpferische Anlage, soll sie produktiv sein, gewöhnlich ideosynkratische Distanz nötig macht, mit dieser Gewohnheit brechen können. Dann und wann lassen sie sich explizit gegenseitig in ihrer Ego-Nummer herausfordern und geben sich dem gemeinsamen Spiel- und Entdeckungsdrang hin.
Dazu entwickeln sie Varianten eines besonderen, eigentlich banalen Szenarios, das hinter jeder Art künstlerischer oder wissenschaftlicher Forschung steckt: Man sieht, dass Sehen ein Prozess ist und dass man zuerst nichts sieht. Nichts als die Oberfläche aus Rinden, Flechten und Moosen, nichts von den Ausbreitungen des Pilzmyzels, das sich im Unterirdischen als rätselhafte Wurzelwelt verbirgt.
Künstlerin und Künstler selber übernehmen dabei in unseren Exponaten häufig eine Platzierung in der Art eines Fundstücks, verstecken sich und wollen durch eine symbiotische Anpassung und Einbindung an ihr Umfeld weitgehend dem Auge des Betrachters entzogen sein.
Das Verlangen nach Verwurzelung ist erkennbar, aber auch das Gegenteil, die Entwurzelung, wenn man sich auf den Winter- und Wald-Bildern mit kühnem Sprung einer Festlegung entzieht oder in der Einöde als gelber Fleck bzw als mögliches Mordopfer im Handlungsbogen eines Krimis auf der Strecke bleibt.
Oder in dem Bannkreis einer gigantischen, gefräßigen Vulva gerät, die sich bei näherer Betrachtung als ein zufälliges
Arrangement von zylindrischen Heuballen und Abdeckplane entpuppt, unter der sich sich ein exotisch dekorierter Durchgang öffnet.
Die Kunst ist, wenn man aufs erste vergeblich hin - sieht und he r- sucht, mit ihren Akteuren unsichtbar geworden. Das Drama der verzweifelten Suche, letztendlich der Suche aller Suchen, der nach dem Haustürschlüssel beginnt.
Nur handelt es sich hier nicht um einen Schlüssel im konkreten Sinn, sondern um ein Spiel mit der Vorstellung des menschliche Daseins als metaphorischer Schlüssel, der in Natur und Umwelt versteckt ist, ohne sich diese wirklich erschließen zu können. Auch, wenn das Mimikri perfekt ist und der Künstler
sich im Dickicht wie eine Anakonda um das Astwerk windet.
Er passt nicht wirklich hinein, sagt der ökologische Suchscheinwerfer, und wenn, dann nur mit Gewalt. Wir suchen den passenden Schlüssel, was nicht passt , wird passend gemacht. Hurra!
Claude Levis Strauss, der Strukturalist, nennt diese Methode Bricolage. Alfred Jarry setzt den Begriff der Pataphysik in die Welt, der Wissenschaft der Wissenschaften, der des Partikulären, also des Einzelfalls vor jeder Regel, das kann einem als nonsensische Parodie der Theoriebildungen und Methoden moderner Wissenschaft vorkommen, aber auch als ernsthaftes Verfahren helfen, qua Imagination alte Denk-Gewohnheiten zu lüften.
Picasso sucht, wenn man ihm glauben kann, gar nicht, er findet, sagt er. Noch besser, Ja Picasso eben, Großmeister der Kunst, die im Kern Wissenschaft ist, Picasso war bezeichnenderweise auch Mitglied des bis heute bestehenden Collège de ’Pataphysique , das 1948 ins Licht der Welt getreten ist.
Dies alles ist eben nicht nur Ausdruck häuslich - individueller Pannenkultur. Es spiegelt und symbolisiert das welt-bildende menschliche Rezeptions- und Ausdrucksverhalten in seiner ganzen eingeborenen magisch-wissenschaftlichen Mischung aus Versteckens- und Entdeckens-Lust, deren heutiges Urbild uns in der Gestalt des Binär-Codes unserer Rechner, bestehend aus 1 und Null entgegentritt.
Da gibt es keine Stelle, an der sich nichts verbergen oder offenbaren würde. Auch wenn wir nichts sehen, wir werden gesehen.
Der Philosoph Günther Anders prägte in diesem Zusammenhang mit Hinweis auf die Atomtechnik den Begriff der Antiquiertheit des Menschen: Es sei, sagt Anders, ein Grund-Phänomen des Mensch, dass er dem Bewusstsein für die verborgenen Folgen seines Handelns hinterherhinkt.
Die bildnerischen Geschehnisse, in denen dabei die Künstlerin und der Künstler im Kunstverein agieren, spielen sich weniger dramatisch in Klima und Gestus klassischer Suchbilder ab, wie sie durch das Kim-Spiel, Memory und die Verwendung verschiedener Kontextualisierungen und sinnverschiebender Frames gegeben sind, die den Sucher-Ausschnitt, der sich bei den Foto-Arbeiten an das Publikum wendet, semantisch ausrichten und aufladen.
Das versteckte Gemeinsame im Getrennten soll ans Licht, der Baumstamm in Mann und Staudamm, in der Art von Objekten, Medien und lebenden Bildern, individuell wie kategorial. In bildhaft-symbolischer und intellektuell lockerer, fabulierend wissenschaftlicher Form, die der Philosoph Odo Marquart vielleicht meint, wenn er humorvoll von der Inkompetenz-Kompensations-Kompetenz spricht.
„Hide and Seek“ ist dabei auch ein Kinderspiel, das überall auf der Welt und beim alltäglichen Kinderspiel auch schon mal früh die hohe Philosophie berührt, wie wir das oben schon ausgeführt haben. Da erhält der Tiefsinn über das Sein und das Nichts und dem einsamen Dazwischen erlebnishafte Gestalt, die bis ins hohe Alter bleiben kann.
Bei der Analyse der gemeinschaftlich hergestellten ästhetischen Stimmigkeit, die in der über mittlerweile 15 Jahre gehenden Fülle thematischer Variationen des Entberge- und Verberge-Phänomens, gelangt das Paar am Baum der Erkenntnis auf für es neue geistes- und kunstgeschichtliche Plateaus. Hier lässt sich das Feeling heuristischer Offenheit, die im Lauf der Ereignisse abstumpft, wieder nachschärfen.
So die Erfahrung des künstlerischen Duetts.
Dem, was sie selber in das Gemeinschaftsprojekt einbringen, soll hier abschließend skizzenhaft nachgegangen werden.
Pirko Schröder, die Fotografin, ist im Bereich architektonischer Infrastruktur den Resten stillgelegter Lebensbereiche im Natur- und Kultur-Zusammenhang auf der Spur und folgt der natürlichen Sukzession.
Hier löst sie im fotografischen Abbild von Piktogrammen, Armaturen, Wegweisern und jeder weiteren Art technischer Funktionselemente und Orientierungshilfen, die Zweckform aus ihren funktionellen Zusammenhängen.
Zwischen Tiefgarage, Supermarkt, Fahrstuhl und Werkstatt, Die einstige betrieblichen Rationalität ist verloren gegangen, ihr Ansinnen läuft ins Leere.
Stattdessen kann jetzt die Hand der Künstlerin den ästhetisch - semantisch aufblühenden Mehrwert, den der totemistische Verfall des zweckhaft Ausgedienten freigibt, im fotographischen Medium sichern. Dabei können in der Präsentation auch die wissenschaftlichen Merkmale des Sortierens und Strukturierens signifikant eingebracht werden.
Die in den unterschiedlichsten baulichen Zusammenhängen und sozialen Funktionsstätten durchgeführten Expeditionen stellen an die Verluststelle der Betriebsform eine Art lichtbildnerischer Pittura Metaphysika.
Da findet die Entbergung eines Zauberreiches freigesetzter Ahnungen und Versprechen statt und eine Verbindung mit den lebensbetrieblichen Ursprüngen, wie z.B. es der Tarkowsky-Film „Stalker“ eindringlich zeigt. An seiner Stelle setzt nun die bizarre Rückkehr der Natur ein.
Thomas May gründet um das Jahr 2000 in Tuchfühlung mit dem JUNGE KUNST Programm des KV Weiden an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft eine Einrichung für interaktive künstlerische Arbeit: Das Grashalm-Institut.
Hier wird in Form von künstlerischen Aktionen und wissenschaftlichen Symposien dem vegetabilen Phänomen des Grases nachgegangen. Es ist wohl ein in seiner Alltäglichkeit und Ubiquität weit unterschätztes Thema, nicht nur in den Kategorien des Nahrungsmittels und der repräsentativen Kulturpflanze, vergegenwärtigt man sich, dass es ohne Gras kein Getreide und keinen Fußball-Rasen geben würde.
Auch als lyrisch – politisches Symbol und Metapher, besonders über das epochale Gedicht von Wald Whitman „Graswurzeln“ und den Begriff der Graswurzelbewegung, ist es weitläufig verlinkt. Das tragende Medium seiner Arbeit ist der handelsübliche Rollrasen, der immer wieder in absurden Verbindungen mit etablierter Technologie auftritt.
Ganz am Anfang waren es Tausende von handgeschnitzten Grashalmen. Das Publikum hatte sie im globalen Rahmen parallel zum Rasen aus kleinen Balsa-Vierkanthölzchen angefertigt, im Rahmen des jeweiligen persönlichen Ausdrucksvermögens.
Damit wurde nicht nur ein grünes, gesellschaftswissenschaftliches Masse-Statement geliefert, sondern auch eine Reflexions-Vorlage zum Thema Menschennatur zwischen Gemeinschaft, Individualität und Ökologie hergestellt.
In den letzten Jahren hat ein weiteres Markenzeichen Konstanz bewiesen. Es ist eine Roll-Rasen-Kugel, die von der Decke abgehängt werden kann, gegossen werden muss und die Möglichkeit bietet, den Kopf ins Innere der Welt zu stecken.
Entsprechend gibt es Erdkugeln im Frei – bzw Luft-Raum, die einzeln oder in Trauben in Bäumen platziert sind oder schweben. Sie übernehmen symbolisch die Klima-Wandel und die Green-Haus-Thematik.
Dabei könnten sie mittels der himmelstrebenden Kugel-Formen und der Einschlupflöcher für die Köpfe suggerieren, dass sich der Künstler mit exterrestrischen Planungen befasst und noch unentdeckten, schöpfungsadäquaten Möglichkeiten nachgeht. In Punkto der Bewohnbarkeit fremder Gestirne könnte mit dem Grashalm-Institut bereits Modellhaftes auf den Weg gebracht worden sein.
Grün ist die Hoffnung.
In diesem Zusammenhang wollen wir last but not least einen Blick auf die zentrale Arbeit in dieser Ausstellung werfen. Es ist der Blick auf die finnische Fichte, die 2010 anlässlich eines Gastaufenthalts in Finnland als kleiner Setzling seinen dortigen Standort verließ.
Zusammen mit Moosen und Flechten und anderer Flora eines Stück finnischen Waldbodens kam das Bäumchen, ohne mit Wachsen aufzuhören nach Deutschland. Nach seiner Ankunft in Nürnberg wurzelte es sechs Jahre im fränkischen Boden. Als Zwischenergebnis dieses pata - physikalischen Experiments zum Thema Integration, Anpassung und Resilienz lässt es keinen Zweifel daran entstehen, dass es ihm der Fremde gut geht. Oder?
Seitdem ist es bereits mehrmals als Botschafter der internationalen Lebensgemeinschaft Wald auf verschiedenen Naturkunst-Symposien unterwegs gewesen.
Wir freuen uns, vertrauend auf die neuen Erkenntnisse über die terpinbasierte Kommunikations - Fähigkeit der Waldbäume untereinander, dass es auch uns besucht und wir es nun in unserer Mitte begrüßen dürfen.
2005 hatten wir schon einmal unter dem Titel Baumraum in Kooperation mit der OTH Bäume zum Sprechen gebracht.
Wenn Sie ganz still sind und sich baumstämmig aufstellen, können Sie im Schweigen hören und spüren, dass es auch diesmal wieder geklappt hat. Wir haben Kontakt.
Vielen Dank.
Wolfgang Herzer
Weitere Infos hier in der eigenen Dokumentation der beiden Künstler:innen als PDF-Datei.