Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,
heute ist alles anders, wir befinden uns gefühlt, imaginiert, je nach Vorstellungskraft, in einem Weltuntergangs und Seenots-Szenario, das erkennen Sie daran, dass es keine Begrüßungen gibt, es ist einfach keine Zeit dafür da, ich denke Jürgen Huber, der Künstler, und Reinhold Wildenauer, der Bürgermeister haben Verständnis.
Wir müssen die Welt retten, Rettungsversuche sind anzustellen, zu starten. Dazu gibt es Rettungsmittel, allem voran gute Worte und Rettungsringe, letztere haben die Form wasserfester Akrylgemälde,
und sie werden Ihnen von unseren Rettungs - Team Claus Bergler und Carolin Schiml gereicht, zusammen mit einer erklärenden Demonstration, wie die Rettungs- Ring-Quadrate zu benutzten sind ...
... wenn das Ganze wieder Halt bekommen soll.
Den bekommt das Ganze, wenn die Bilder hängen, wenn im freien Zusammenhang die Kunst allen zugänglich wird und wenn sie sich dann zu einer Kampagne gegen Unoffenheit und autokratisches Grenzgemäuer formiert. Unsere Leute werden es Ihnen vormachen.
ich liefere die guten Worte
leere weiße Wände, unbeschriebene Blätter, weiß wie Packeis
rüsten Sie sich, verehrte Anwesende, zum Sturm auf den Turm
Der Turm
Harmonie:
Aus Rakete
Und Wurm
Bildhauerei gegen die Selbst-Versteinerung
Die Gefahr ist groß, doch wo sie ist, soll, wie der Dichter sagt, auch das Rettende sein,
Ein Streifzug durch das Werk und die Ansichten von Jürgen Huber, zu den Klängen der Eurythmics:
Da heißt es heute im Kunstverein Weiden „ SOS! Rettungsversuche. Hey Hey, I saved the world today. Wie funktioniert das?
Dabei handelt es sich um eine Reihe von Spezial-Gemälden, die der ausstellende oberpfälzer Künstler, Jürgen Huber, auf 120 mittelgroße Leinwand – Quadrate geworfen hat. Jürgen ist ein altgedienter Beweger der regionalen Kunstwelt, der seit kurzem die Metropole verlassen und das stille Schönsee als Wohnsitz erkoren hat.
Diese Ausstellung ist die Ernte eines 20 – jährigen Experiments, das der Frage folgt, was geschieht, wenn man alle Regeln über Bord gehen lässt, sich eine Zeitlang vom eigenen eingeschliffenen Reglement befreit und sich ganz der heterogenen Offenheit des Augenblicks überlässt, wie es bei Hubers Bezugsgrößen Programm war, die, wie man leicht erkennt, aus den Stil-und Spiel-Feldern der revolutionären Wilden Malerei stammen.
Aber auch die Vernissage in Weiden selber aktualisiert Geschichtliches und geht an ihren Anfang in der bürgerlichen Salon-Malerei zurück. Heute wie damals ist keines der zahlreichen Exponate fertig. Im Louvre haben die Künstler ihre Exponate vor der Hängung im Kreise des Publikums mit einem finalen Glanz-Lack oder Firnis, daher das Wort Vernissage, überzogen, das Weidener Publikum erlebt in Jürgen Hubers Inszenierung, in die Sie hier gleich involviert sein werden, eine Rückkehr zu den soziologischen Wurzeln der Vernissage – Wesens und eine Transformation, die die abschließende geistige Kunst-Werdung der materiellen Kunstwerke dem Künstler aus der Hand nimmt und dem Publikum überlässt. Dieses übernimmt die Hängung der Arbeiten – das sind, passen Sie auf, Sie - und kümmert sich um den wahren, den Inneren Glanz der Werke, der erst im Kopf entsteht, erst dann ist das Kunstwerk wirklich fertig.
Das Publikum ist ein Teil davon, diese Gegebenheit tritt in den Vordergrund, dementsprechend sind wir auch Teile der Welt, und wenn wir diese Veranstaltung hier überleben, hätten wir nach dem Pars – Pro – Toto – Prinzip als Teil auch das Ganze, also die Welt gerettet. Herrliche Sophistik, man beachte den antikische Touch unserer minimalistischen Möblierung. So funktioniert das.
Hubers künstlerisches Auftreten beschränkt sich nicht darauf, Kunstwerke der klassischen Art, die sogenannte ästhetische Flachware herzustellen, all seine Äußerungen sind im Grundsatz auch immer Demonstrationen der künstlerischen Freiheit als Feier der Freiheit überhaupt und Zeichen eines vitalen interkulturellen Brückenbauer-Wesens.
In diesem Sinne würden wir uns freuen, wenn Sie mit bauen würden, Sie hängen die Arbeiten an die vorbereiteten Doppelnagelungen Ihrer Wahl, Carolin Schiml und Claus Bergler werden Ihnen als KV-Abgeordnete das Hänge-Material reichen, mein Auftreten soll das eines Beschallers, Verlautbarers oder Decollageurs sein, der Plakat - Fetzen von der Wand reißt.
Auf gehts:
Jürgen Huber ist ein durch und durch politischer Mensch, wie ich meine, und das war ihm schon in die Wiege gelegt, wenn man diese Ansicht teilt, dass der Mensch ein Gutteil Produkt seines Milieus ist und wesentliche Tools und Skills, die man im Leben braucht, auf dem Wege des sozialen Lernens oder einfach gesagt auch des elterlichen Abschauens und Sich-Messens erwirbt.
Jürgen Huber kam 1954 zur Welt, mitten im deutschen Wirtschaftswunder, im Deutschland-Genesen, ach ja, deutsches Wesen ... einem Jahr nach Stalins Tod, sechs Jahre vor Chrustschows Schuhrede vor der Uno war das, im Jahr, als das Fuß-Ball-Wunder von Bern passierte und der Elyseevertrag einen ewigen Frieden, ein für alle Zeiten kriegsfreies Europa zu versprechen gedachte, da kam er als Oberpfälzer Arbeiterkind, so Hubers eigene soziologische Diagnose, zur Welt, in einem europäischen und dabei welt - abgelegenen Zentrum der Bleikristall-Herstellung, sein Vater war Glasschleifer und Graveur, stolzes SPD-Mitglied, selbstbewusster Gewerkschafter und Betriebsrat, kritisch gegenüber dem deutschen Wesen ...
und dass der ältere Sohn Jürgen, gelernter Drucker mit Fachabitur, Mitgründer und Betreiber einer quasi sozialistisch organisierten Druckerei, das Kartenhaus-Kollektiv, und Anti-WAA-Aktivist, in der Regensburger Stadtratswahl 2014, in der die Grünen so gut abschnitten, dass der Posten eines dritten Bürgermeisters heraussprang, das Angebot, diesen Posten zu bekleiden, nicht abschlug, war rückblickend damit beinahe schon vorgezeichnet.
Der Mitgründer der renommierten aber eher kurzlebigen Regensburger Künstlergruppe „Warum, Vögel fliegen“, die in Anlehnung an den internationalen Situationismus aus den 1950er und 60er Jahren einer gewitzten Welt-Verbesserungs-Ideologie anhing und unter dem Signum eines Neuen Babylons dem - entsprechende Stadt- und Gesellschafts-Visionen entwickelte,
hatte nun die Möglichkeit, an dem Prozess auch praktisch teil zu haben, an dem Prozess, die Theorie wahrzumachen, die Welt zu verändern, wenn nicht sogar zu retten, mit dem berühmten Flügelschlag des Chaos-Schmetterlings außerhalb jedweden Erwartungs - und Möglichkeits - Horizontes.
Walther Benjamin, den wir in einer Kompilation kunsttheoretischer Texte entdecken, Hubers Rettungsversuchen 2, hat dies alles vor bald hundert Jahren nur als heroische Rettungsversuche einer schiffbrüchigen Gesellschaft anerkennen wollen.
In dem Zusammenhang, in dem Ereignisgedränge, dem der normale Satzbau nicht gewachsen ist, verlockt vieles zum Weiterforschen, z.B. die mich in den 1980er Jahren zu den Vögeln gebracht habende Vortragsreihe „Politik der Kunst“, der Link, der die Dom- und Donau - Metropole qua Selbstermächtigung ihrer Vögel zu deren kulturpolitischen Vorreitern an die aktuelle überregionale Kunstwelt angeschlossen hatte.
... doch uns soll im Bezug auf unsere Ausstellung „Rettungsversuche“ eines reichen, dies nämlich, dass es im Zusammenhang von Hubers Künstler-Vita einige mehr oder weniger werk-signifikante Turm-Geschichten gibt, einmal dadurch gegeben, dass man sich, wie gerade angemerkt, im künstlerischen Denkraum der Vögel auf eine Umdeutung des Turms zu Babel zum Sinnbild der Interkulturalität bezieht,
und zum anderen dadurch, dass die Exponate des Künstlers, die unter dem Titel Rettungs-Versuche seit den 1980er Jahren parallel zu einer gleichbetitelten, besagte Bilder und erhellende Texte umfassende Schriftenreihe entstanden sind, eine äußerst unübliche baumkuchenartige Präsentations-Form annehmen,
nämlich die eines Stapels, eines Pfeilers, einer Säule ja , eines Turmes. Das Bild erfährt eine plastische Abweichung vom konventionellen Bild-Wand-Verhältnis, in dem die Bilder für gewöhnlich den Charakter von Fenstern haben, die das Reale ins Ideale transzendieren.
Es gibt Aufnahmen, die Huber zeigen, wie er das Bilder-Bau-und-Boll-Werk in wilder Leidenschaft umarmt, er macht sich damit selber zur lebenden Plastik und ist gewillt, nicht ganz ohne Ironie, aber auch nicht klamaukhaft als Säulenheiliger aufzutreten, der sich an die wilde Leidenschaft verliert.
Die mit der Malerei konkret gegebene, maltechnisch erforderliche Materialität und Körperlichkeit, die der Deutung gebende Überbau in den Einzelbildern normalerweise weitgehend unterschlägt, rückt jetzt provozierend in den Fokus. Wenn Kunst das ist, was der Künstler macht, was bitte, macht er hier?
Dabei suggeriert der Bilder-Turm zwar ein größeres Blickfeld, er ist ein Lug-Ins-Land, ist hier aber gleichzeitig auch desillusionierender gegen sich selber gerichteter Bildersturm, insofern, als das Einzelbild in seiner Funktion als bauliches Menge-Moment, als Baustein im Baugefüge und der Verdeckung des einen unter dem anderen, seine ästhetische Qualität verliert, ihre Zugänglichkeit ist gerade noch durch die Ausflüsse der Farben an den Bildkanten gegeben,
das oberste, das Abschlussbild ist nur vorläufig, der Stapel wird analog zur Brancusis endloser Säule zur Metapher der Unabschließbarkeit und der Antiquiertheit menschlicher Einsichten, die sich fatalerweise häufig hinterher und stets zu spät einstellen würden, so die Philosophie im Dunstkreis der epochalen kritischen Theorie der Frankfurter Schule, die im Kreis der anti - klerikalen Gegen - Domspatzen gerne gelesen wurde.
Die Welt befände sich nämlich in Wirklichkeit auf einer den meisten Menschen unbewussten Talfahrt, alles Handeln wäre hier, so progressiv es auch auftreten möge, in seinem stabilen Kern doch nur ein einziger, maskierter, kapitalistischer Rettungsversuch, der ganz nach Adornos und seiner Mit - und Nachdenker - Logik, daneben gehen müsse,
wenn es denn stimmen sollte, dass es im falschen Leben kein richtiges gäbe. Lediglich in der Vorbegrifflichkeit der autonomen Kunst würde es versuchsweise noch eine Chance geben, so Adornos Ästhetische Theorie, wenn ich richtig verstanden habe, die ich erwartungsvoll zu meiner Zeit an der Akademie hörte und die mich, wie ich zugeben muss, an ihrer hohen Begrifflichkeit scheitern ließ. Was ist konkret gemeint?
Untergang des Abendlandes. Natürlich, aber wie! Grenzen des Wachstums, Club of Rom: Vergilbte Warn-Schriften: Jetzt wird es konkreter, mit 60 Jahren Verzögerung. Dialektik der Aufklärung!, Rettung der Kunst durch Weitermachen, Rettung der Malerei durch Weitermalen. So oder so!
Ende der 1980er Jahre meldete sich die totgesagte in Zungen dichtende und erzählende, prall mit privaten Befindlichkeiten gefüllte Malerei zurück und erzählte ganz nach Belieben, wie den Leuten zumute und der Schnabel gewachsen war, vom Ich-Sein und vom Wir-Sein und vom Sein im Es-War-Einmal.
Da wimmelt es, ringelt sich`s, schwimmt, lappt, tappt und pappt, rührt und röhrt, streichelt und stört, springt und singt es in Hubers malerischem Exorzismus, seinem pandämonischen Barbarismus und in all den stilistischen Spielfeldern, einem Reichtum, in dem er wie Dagobert Duck in seinem Gelspeicher einzutauchen versteht.
Die heutigen Großen Geschichten in der Geschichte, die die Geschichten aller in sich enthalten, sind der globale Klimawandel, die Migration, die soziale Schere, das Leben auf dünnem Eis, die Welt der Algorythmen, die cerebrale Plastizität der Massen. Die Wirklichkeit auf dem Bildschirm überholt die dystopische Fiction der Unterhaltungsindustrie.
Die 1970/80er Jahre: Die Transavantgarde gibt den Ton an, wie schon gesagt, die Neuen Wilden, die zeitlosen Pathosformeln, ein teils farb-orgiastischer von allen Ewigkeits – und Absolutheits - Ansprüchen befreiter Eklektizismus. Eine Geisterbeschwörung, die Bilder-Hunger- und Lebenshunger gleichsetzt.
Alles stilistisch Bisherige wird in den ikonographischen Mixer oder Häxler getan und hin zu einer seins-erinnernden Zuhandenheit befreit, die daraus frei verwendbare Materialien und Baustoffe zu machen versteht. Damit wäre der heute längst ins Leere laufende Plan der Moderne abgesagt, das Programm der Postmoderne angesagt: Anything goes. Oder: Die Mischung machts!
Und? Wer will denn die ganze Welt für immer retten, wenn sie soweit wir sehen, selber nicht will, nur teilweise will, wenn sie zwischen den Sandwich-Turm-Scheiben als Unfassbares hervorquillt, als Unbegreifbares, urbildhaft Unbildbares, als amorph Schwierig - Schmieriges hervorquillt, immer schon zu spät ruft sie nach ihrer Abfüllung in antike Amphoren und Bild und Gedanke driften in die Sphäre des Nicht-Identischen, ins aus dem Leim Gehende ab und in Stücke und auseinander.
Das Heute, das Jetzt und Etwas, das Bisserl, das immer geht, ist allemal besser als Nie und Nix, der Fußballkaiser unserer Kindertage läuft über den Rasen, Weltmeisterschaft, Weltmeisterschaften, eine schillernde Figur schaumermal, so sein geflügeltes Wort. Vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Sepp Herberger.
In einem der Quadrate lässt Huber einen Besucher ins Museum pinkeln. Gerettet ? Erleichtert allemal! Tor!
Seit den 1980er Jahren malt er regelmäßig solche formal und inhaltlich ruppige Quadratbilder, kynische Saturnalien im Reich entfremdender Reglements der Selbstoptimierung, auch der eigenen. Back to the roots. Schönsee vs Altenstadt.
Arte in der Oberpfalz, Expuls - Arte wir drehen einen Film:
Hier erfolgt nun der Auftritt Jürgen Huber: er fängt den Ball:
Hey Hey I saved the world today
Everybody's happy now
The bad thing's gone away.
Das sind die Eurythmics, Jürgens Lieblingsband, er lässt mich, den Verlautbarer, das Stück auflegen, wieder und wieder will er es hören, dankbar für das Wunder, das sich in den Klängen verkörpert, das Wunder, dass es immer wieder geht, dass immer wieder der Ball kommt, die Leuchtkugel am Ende des Tunnels, die Pesso-Therapie, die die gute Imagination mit dem Trauma wie einen Reifen wechselt, und sich die Angst des Tormanns beim Elf Meter verflüchtigt. Mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit...
weil Fanghand und Gegenstand, hier der Ball, von Anbeginn zu Anbeginn an, seit den Pantoffeltierchen, in einem elementaren, gemeinsamen, absichtsvollen Konzept verbunden sind.
Dem zufolge werden seit Mitte des 20. Jhts eine mehrfach totgesagte Malerei und lebende, an den Nachruhm, denkende Maler, auch wenn den Pinseln das letzte Haar ausgeht, durch`s Trotzdem - Malen zu Weltenrettern. Hand in Hand mit Hölderlin, dem Tübinger Turmbewohner, der da sagte: man kann es nicht oft genug wiederholen: »Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch« Da füllt sich der Farbkübel wieder.
Wir sind im Film, Arte in der Oberpfalz, eine Stimme aus dem Off: Ich hatte nicht zugehört, jetzt sagt sie:
Dann lässt es sich ja besonders gut malen und retten,
Aha, sage ich,
dann nämlich, sagt sie: wenn sich das Bild vom Gedanken löst, sich kokett dem Irrsinn nähert. Statt der Bonne Peinture ist das Bad Painting angesagt, Polystilistik im ästhetischen Dammbruch, auch als Lebenshaltung, die im Non-Finito aufgeht und sinnlich materiell geerdete Sinn- Verbindungen möglich macht,
solche Assoziationen sind da vielleicht gar nicht so abwegig, nachdem wir in unseren Mails auch Gedanken über das mentale Kapital unserer Kindheiten ausgetaucht haben, in der Art wie die, dass es hinter der Fabrik in Altenstadt glänzende Glasklumpen gab, dass es da ja auch, zumindest in meiner Vorstellung davon, was in jedes Kinderzimmer gehören würde, beeindruckende Pfannen-Kuchen - Türme aus der Küche von Petzis Mutter gibt, die der kleine Bär analog zu Jürgens Bilder – Hunger- Türmen seinen gedruckten Kinderbuchfreunden zur Stärkung an die Schiffsbaustelle bringt.
Damit kann auch mit einem bißchen guten Willen das suprematistische Quadrat der russischen Avantgarde, das in Hubers Quadraten steckt, zur zweiten Primär-Form, dem Kreis finden, der in den Pfannkuchen steckt und einerseits zu den Grundlagen der klassischen Bauhaus-Lehre gehört, der andererseits aber Hubers eigene individualistische Einbildungs-Haus-Lehre auf nicht zu toppende Art widerspricht, nämlich dann, wenn der Fladenturm auf seinem Weg ins Museum in elementar hungrigen Mäulern verschwindet.
Danke Petzi, Pelle, und Pingo, und wem zur geschlossenen bildnerischen Ganzheit der Grund - und Ideal - Formen-Trias das Dreieck fehlt, wird dieses sicherlich ohne Mühe im krusch-vollen Schnabel des Pelikans Pelle finden.
Hey Hey. Pelle hat wieder mal alles, für morgen gerüstet, die Kinder streichen ihr Lebensschiff angstfrei gelb, rot und blau, die Rettung! Reanimation der Malerei, Fingermalerei, progressive Regression des Künstlers, Akkumulation, Sampling, Heterogenität: Die Pop - Kultur macht`s möglich, da sind Anschlüsse für Alles, Andy Warhol pinkelt auf der documenta 10 auf mit Kupfer grundierte Leinwände, tomorrow never dies. Es lebe die freie Assoziation. Sie sind alle herzlich eingeladen. Scheiß drauf!
Kunst ermögliche, sagt die Postmoderne, wie ich sie verstehe, einen begrifflich, ideologisch unversperrten, an der menschlichen Seh-Natur festgemachten Blick auf die Dinge, auf das Im-Fluss-Sein zwischen Schwarz - und Weiß, auf das Andere der Vernunft, das als namenloses Komplement von Wissenschaft, Ökonomie und Technik auftritt.
Kunst lässt die Widersprüche gleichzeitig denken, da geht in den zerebralen Tiefen einiges ab, und trainiert damit den Macher und sein Publikum in einer lebensnotwendigen Fertigkeit, die Nicht-Identität der Dinge auszuhalten. Die Welt ist ein Gebastel aus sinnlos verwirrenden Sinn-Überschüssen.
Machen Sie die Leinen los! Wir bohren uns nun mit unserem Bilder-Turm wurmartig in die Tiefe, hey hey, was die Welt im Innersten zusammenhält! Das ist für uns eine bildlich leicht herzustellende Vision, sind wir Nord-Oberpfälzer doch im Besitz einer dem entsprechenden, dem Geist Halt gebenden Real-Vision, gemeint ist der Bohrturm der kontinentalen Tiefenbohrung bei Windisch-Eschenbach. Deep – Sense at ist best!
14 Kilometer geht es in die Tiefe und verbindet in seinen Bohrkernen die erdgeschichtlichen Zeiten, analog dazu kommen wir Kunstfreund:Innen in unserem Opf-Arte-Film im Altenstadt der 1970er Jahre an, in denen Jürgen Huber spürbar auf seine künstlerische Ader stößt, im Schatten des schönsten europäischen Basaltkegels Parkstein, der ins heiße Erdinnere führt, worüber Jürgen in einem Mail-Austausch mit mir, wie folgt, schreibt:
Ich bin am Rande der Glashütten (Bayer & Co. in Altenstadt) und zwei Jahre in Windisch Eschenbach, wo mein kleiner Bruder geboren wurde, aufgewachsen.
Mutter war damals oft in Wöllershof ( wo ich, der Autor dieser Zeilen aufgewachsen bin und Petzis und Peter Pans Schiffe aus Schuhkartons nachgebaut habe), zum Schuhe – Durch - Tanzen.
Hey hey
- Wir waren Kinder mit Glasbatzen "gesegnet", die wir aus den alten, abgelegten Glas-Hafen heraushämmerten, und die so wertvoll waren, wie ganz große Edelsteine, so dass wir Angst hatten, die Cowboys, die echten aus Amerika (!) könnten eines Tages herüber kommen über den Atlantik, in Grafenwöhr waren sie eh.
Lässt das nicht unwillkürlich an Adalbert Stifters „Bergkristall“ denken, an die Geschichte der geretteten Kinder, die sich im winterlichen Gebirge verlaufen und beinahe der Faszination der Natur-Kunst der Eiswelt erliegen, bevor sie dann gerettet werden. Ihre Rettung im erschütternden Angesicht der Natur, deren Erhabenheit die menschliche und die naturale Sphäre auf sanfte, aber ebenso unüberwindliche Art trennt, führt endlich zwei räumlich getrennte, sich mental voneinander abgrenzende, verfeindete, konkurrierende Dorfgemeinschaften zusammen.
Hey, hey ...
Ich habe vorhin von der plastischen Abweichung von der bildnerischen Flachware gesprochen, Huber wird hier Plastiker und verbindet auf formaler, strukturaler Ebene die Flächenkunst mit der Bildhauerei und stellt uns die Frage des Paragone, des neuzeitlichen Wettstreits der Künste darüber, welche die bedeutendere wäre, weil sie ein Mehr an Leben zur Darstellung bringen würde.
Huber geht über den künstlerischen Schein der Tafelbilder hinaus ins materiell und faktisch gegebene gesellschaftliche Sein und lässt sich in entsprechenden Kontexten, zu denen natürlich auch Dorfgemeinschaften, wie die von Schönsee, wo er ein Haus hat, gehören, zum Selbstdarsteller werden.
Gleichzeitig arbeitet er sich an dem ab, was Joseph Beuys mit dem Begriff der sozialen Plastik in die Welt gebracht hat und wofür in unseren Ausführungen der Turm als Leitmotiv verwendet werden soll, in ihm verbinden sich die Vorstellungen einer offenen Gesellschaft und eines analog offenen Kunstwerks miteinander.
Hier bietet sich mir als Veranschaulichung der kunsttheoretischen Reflexion zum Thema der sozialen Plastik und des Solidarprinzips eine frühe Begegnung mit Jürgen Huber an, die ich im Taxöldener Forst, dem Bauplatz der WAA erlebte, und rückblickend war das auch wieder eine sinnbildträchtige Sache, drehte es sich dabei doch auch wieder um einen Turm.
Es war ein Sommertag, ein Löschturm zum Trocknen von Feuerwehrschläuchen, der irgendwie auf krummen Wegen in den Verfügungsraum der Bürgerinitiativen gelangt war und nun als burg-friedartiges Widerstands-Zeichen aufgestellt werden sollte. Man war vielleicht zu zehnt und das Gebälk mochte das Gewicht eines Moby Dick haben.
Jürgen Huber kam etwas später, kam als OBAG-Gegner und Stachel im Fleisch von einer Aktionärs-Versammlung der OBAG, des Strom-Konzerns, in den Widerstands-Wald, riss sich den Schlips vom Hals, ein für damalige Verhältnisse irritierendes Zeichen konservativer, staatstragender Angepasstheit, aber auch ein Brückenbauer-Instrument: Auf geht`s!
Und siehe da: Unter dem Zugriff der Versammelten, der Vielen war der Holzturm federleicht geworden. Dem Einzelnen, der in dem Verbund war, Teil der Mannschaft war und dessen Glück frei nach Adorno Fragment des Glücks aller war, war Moby Dick zum Schmetterling geworden. Ein Wunder! Gönnen wir uns das Große Wort, wagen wir uns zu sagen: Das war ein Eintritt der Transzendenz in die Realität, eine Epiphanie.
So schmeckt die Rettung und pariert sie die biblische Untergangs-Szenerie, die 1969 in Bob Dylans „All Along the Warch-Tower“ aufklingt.
Sinnfällig wird das in der geglückten Bilder-Hängung, die das Einzelne nicht gegen das Ganze setzt, sondern in ein kommunikatives Miteinander, in ein die Lebendigkeit steigerndes Glücken.
Da ist unter den Nagelungen von Claus Bergler
jedes Bild zur endemisch eigenen Insel geworden, im freien, mäandernden, abwechslungsreichen, die Räume virtuell verschiebenden Strömen der Zwischenräume.,
Der Tag ist gerettet, einer mindestens.
Der rettende Leuchtturm zeigt uns den Weg. Was für ein feeling: "Hey hey, I saved the world today." singen die Eurythmics auf ihre mitreißende Art und formulieren darin auch das Hubersche Credo.
In diesem Turm gibt es kein immobiles Überragen, das Auf enthält in sich bereits das Ab mit A wie Atem, Wohnstätte des Anti-Autoritären, des Nicht – Diktatorisch – Kolonial - Hierarchischen, wo der Widerspruch von Oben und Unten von Aufsteigen und Unterwerfen nicht versteinert, sondern sich im atmenden Spür - Raum des Menschlichen produktiv aufhebt.
Bildhauerei gegen die Versteinerung, das ist keineswegs ein Paradox, wenn man Hubers bildnerische Realisationen betrachtet, wo er sich als einen zeigt, der wie ein Turm dasteht, zu denen auch Foto-Performances gehören, die mit seinen literarischen Editionen, seinen Bilder-Büchern verbunden sind, Orte der Liebe, wo er segnet, Tragen und Lasten, wo er mit flügelartig ausgestreckten Armen das Waage-Sein simuliert.
Dieses und mehr zeigt ihn lebensgroß im titel-bezogenen Oufit, im öffentlichen Raum, mutig auf Augenhöhe, mit der Kunst, mit dem Publikum mit sich selber.
Ausgrabend, abkratzend das, was in den Falten klassischer Malerei für den Hausgebrauch übrig ist. Da geht er aufs Ganze und baut – hey hey - Türme, die aus Raketen und Würmern bestehen.
Betrachten wir die Gemälde, Hubers Turm-Baustoff, so stoßen wir bei einheitlicher Intensität qua Abstufung, schwebender Balance von Negativ und Positivform, pointilistischem Schillern, klarer Flächengliederung, fantastischer fleckenbezogener Figuration und sicher gelenktem Mengen- Kontrast auf fünf mehr oder weniger unterscheidbare Gruppen:
1. Die größte Gruppe umfasst Kopf-Portraits, die einer erkennbaren Art Huberscher Typologie angehören, aber Strahlenkränze und Verschattungen tragend keine speziellen Identitäten aufweisen.
2. Großen Umfang besitzt auch der Titel: Aggressive Interaktionen, die Köpfe haben Körper und Spielraum bekommen, hier lassen sich Krallen, Zähne, metallische Instrumente wie Bomben und anderes im Raum der Auto-Aggression und Fremd-Gemeinheit aus, nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.
3. Tierleben: Hier begegnen uns im Farbdickicht lauernde Fische, Schweine, Schlangen, ein Menschenaffe turnt uns aus der Dunkelheit des Dschungels entgegen, vielleicht King Kong? Da sind vielköpfige Missgeburten, deren Eltern zu viel radioaktiven Fall Out abbekommen haben könnten. Keine Petzi-Bär-Welten, könnte man meinen, wobei es in Hubers slapstickartig abenteuerlichen Möglichkeits-Klima nicht wundern würde, wenn auch ihm die spritzige Herstellung der gegebenen Farb-Katastrophen eine Menge Spaß bereiten würde.
Eine Gegebenheit könnte in diesem Zusammenhang noch von Interesse sein. Es gibt handschriftliche Eintragungen, die, da, wo sie leserlich sind, das Wort Dreck schreiben, da heißt es Dreck, der nicht ins Gebirge soll. Und an anderer Stelle könnte es mit wenig Fantasie schon heißen: Petzi jagt Dr. Eck.
4. Körper und Raum: eine Handvoll Arbeiten, die dunkle Berge und Gebäude zeigen, jeweils in einer das Format füllender Größe.
5. Abstraktes: Eine ebenfalls kleine Gruppe Bilder, die an Balzacs „das unbekannte Meisterwerk“ erinnern, an Frenhofer, der das totale Bild malen wollte, die reine Kunst, die das Absolute toppt und jede realistische Rückbindung hinter sich lässt. Stopp, nicht jede Rückbindung, nein, das geht nicht!, oh Schreck, das da , das kann doch nur eine eine Baum-Allee sein? Rettender Einfall oder Rückfall?
Betrachten wir jetzt die Gemälde, aus deren transparenten Überlagerungen sich die Summe aller Farben, Weiß, und Malewitschs Ikone des 20. Jhts, das weiße Quadrat ergeben würde, genauer: Die strenge geometrische Vorgabe, die Idealität des Formats, die Glaubensform des Absoluten lässt sich von der tatsächlichen Machart der Gebilde konterkarieren, vielleicht aber sollte man sagen, kraulen und knuddeln.
Die Einzelmotive, die aus mittelgroßen figürlichen Kompartimenten flächenfüllend und ausgewogen zusammengesetzt sind, geben an vielen Stellen den Blick auf den weißen Untergrund frei und integrieren das Rudimentäre auf semantischer und ästhetischer Ebene gleichermaßen. Hinzu kommen ein maskenartiger, ornamentaler und mit vorwiegend prallem Eigenlicht strahlender Zug der Gegenstände, die die Betrachtung in expressiv symbolistische, farbräumlich enge Räume führen, ohne den Bezug zum explizit gesetzten Baustellen-Charakter abreißen zu lassen.
Da ist am Werk ein Wischen, Tröpfeln, Rinnen, Streichen, Kratzen, Schmieren, Klexen, Vertreiben, Stupsen.
Rokoko-artige Eleganz, die das Natur-Abbild schmückt, sucht man vergebens, eine grobe, schabende Linienführung, brachiale Sinnlichkeit pur, in der immer wieder der Farbfluss abreißt, ist angesagt, die Widerspenstigkeit der Medien bekommt in ihrer spröden Eigenart ein Gesicht, so erlaube ich mir zu behaupten, das der Schönmalerei ebenso wie der Schönrednerei und dem herrisch starrsinnigen Glauben an das Absolute widerspricht.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine Turm-Geschichte bringen.
2008 führte die Kulturkooperative Oberpfalz KoOpf ein deutsch-tschechisches Grenzland-Projekt durch.
„Standpunkte / Landeplätze“ der Titel, Inhalt war die Abrüstung, die künstlerische Transformation von Schwertern zu Pflugscharen, dies im übertragenen Sinn einer Reihe von Land-Art-Objekten in Turm-Form, die die militärischen Schutz- und Wachtürme mit kreativen Aussichts-Plattformen vertauschen sollten.
Grenzenloser Optimismus, wie wir heute wissen. Die Kunst der Verdrängung! Zu früh gefeiert! Es gibt nichts zu retten, es bleibt beim Versuch. Hey, Hey, ach was soll die Traurigkeit, Hey Hey, es gibt den Regentanz, den der Hopi-Indianer, den mit den Schlangen, die in einem von Jürgen Hubers Bildern auftauchen, na also, alles gut, Abschluss gerettet, der Schlängel-Wurm kommt zum Schlangenturm. Dann muss es auch den Friedenstanz geben, falls nicht, dann wird es Zeit und hier ist er. Hey, Hey, Hey ...
So retten wir halt weiter.
Wolfgang Herzer