Junge Kunst aus Wien
Kerstin Cmelka, Marcela Gjoni, Julia Haller, Franz Kapfer, Michael Part, Elisabeth Penker, Florian Schmidt, Micha Stroj, Gernot Wieland
29.04.—27.05.07
Info
Im Folgenden eine kurze Abhandlung über den trüben Kosmos, der uns umgibt, den wir umgeben. Anhand dieser ersten versuchten Präzisierung lassen sich einige Kennzeichen, die für den trüben Kosmos charakteristisch sind, ableiten.
1. Der trübe Kosmos ist ein Unort, schwer zu lokalisieren, unmöglich ihn an einem Punkt festzumachen. Zwar können wir ihn umrunden, doch kann er zum Trotz uns gleichzeitig umkreisen. Dies führt uns zur nächsten Konkretisierung.
2. Der trübe Kosmos ist mehrdeutig. Seine möglichen Erscheinungsformen schwingen immer mit. Wir können ihn mit all seinen Implikationen nie vollständig benennen. Er entzieht sich der Zuschreibung, springt von einer Bedeutungsebene in die nächste. Wenn wir vom trüben Kosmos sprechen, so muss seine Negation in der Aussage festgemacht werden. Es genügt nicht die Negation mitklingen zu lassen, denn das macht man auch ohne Absicht, zu jedem Zeitpunkt. Die beschriebene Mehrdeutigkeit bringt uns zu einem weiteren Charakteristikum.
3. Der trübe Kosmos ist latent vorhanden, als Aussparung, als Geste, als unterschwellige Drohung. Er ist da, wo wir ihn ausschließen. Er ist da, ohne ihn zu rufen. Er ist immer schon vorhanden, noch ehe wir uns einen Begriff davon machen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der trübe Kosmos kennt keinen Ort. Seine Handlungen sind mehrdeutig. Es ist unmöglich den trüben Kosmos nicht anzutreffen.
Wenn sich die in der Ausstellung präsentierten künstlerischen Methoden an den trüben Kosmos annähern, tun sie dies unter Berücksichtigung der möglichen Implikationen und der Eigenschaften des trüben Kosmos.
Die folgende textliche Annäherung an die künstlerischen Positionen ist in Phasen untergliedert. Diese Annäherung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie analysiert vielmehr einige, für die Ausstellung relevante Gesichtspunkte.
PHASE 1: UMKREISUNG DES TRÜBEN KOSMOS – ZEITLICHKEIT
Die herkömmliche Umkreisung hat eine Richtung. Auf ihrer Bahn bewegt sie sich um etwas herum. Dies vollzieht sich in einer klaren Zeitlichkeit, von Punkt A zu Punkt A. Wenn A erreicht ist, wiederholt sich der Vorgang. Bei der Umkreisung des trüben Kosmos wird die Kontinuität der zeitlichen Abläufe gebrochen. Vor- und Nachzeitigkeit werden in der Malerei von Julia Haller zur Konkretisierung mit einbezogen. Flächen an denen sich die Zeitabfolgen überlagern, erscheinen klar. Flächen, die isoliert voneinander existieren, bleiben trüb.
Bei Elisabeth Penker wird der kolonialistische Blick der europäischen Vergangenheit durchleuchtet, um daraus Perspektiven für die zeitgenössische Kunst aufzuzeigen.
Auch bei Kerstin Cmelka ist die Überlagerung verschiedener Zeitebenen wichtig. So werden u.A. vergangene Aktionen von Valie Export adaptiert, die grundsätzliche Abgeschlossenheit der Ereignisse in Frage gestellt.
PHASE 2: DURCHKREUZUNG DES TRÜBEN KOSMOS – BERÜHRUNG
Durchkreuzt man ein Feld, kommt es unweigerlich zur Berührung. Von der Art der Berührung leitet sich jede folgende Konsequenz ab. Die Absicht des einen Körpers auf den anderen wird vom Augenblick der Berührung an konkret.
Die Herstellung sprachlicher Zeichen als Spuren von Berührungen führte bei Misha Stroj zu einer Serie von Reliefen. Verhandelt wird u. A. ein Textfragment aus Becketts Text „Company". Auch bei Gernot Wielands Dia-Installation o.t. (Paulista) steht die Berührung im Zentrum der Arbeit. Sein Interesse, gilt psychisch bedingten Phänomenen und deren Domestizierung durch die Gesellschaft.
PHASE 3: AUSBREITUNG DES TRÜBEN KOSMOS – GRENZE
Der Gegenstand der Betrachtung liegt im Augenfeld und kann in seinem ganzen Umfang analysiert werden. Er liegt in greifbarer Nähe, ist als Ganzes abgegrenzt zu seiner Umgebung. Der trübe Kosmos übertritt seine Grenzen, noch ehe sie vollzogen sind. Er ist immer schon aus dem Augenfeld verschwunden.
Um den trüben Kosmos zu beschreiben, muss man seine Ausbreitung mitdenken und seine permanente Grenzverschiebung nachvollziehen. So hat der trübe Kosmos etwas Ereignishaftes, dessen Beschreibung momenthaft bleiben muss. Michael Part spielt mit dem Momenthaften und der Nichtabgeschlossenheit einer künstlerischen Analyse. Das Bruchstückhafte wird als Ganzes akzeptiert und ist integraler Bestandteil seiner Arbeiten. Die Untersuchung von Grenzverläufen findet sich in den Zeichnungen von Florian Schmidt wieder. Durch Rahmung, Passepartout und Glasgravur werden Grenzen gezogen, ausgedehnt und wieder übertreten.
PHASE 4: DIE GLEICHSETZUNG MIT DEM TRÜBEN KOSMOS – DOUBLE
Die Gleichsetzung mit dem trüben Kosmos wirft Fragen nach der eigenen Identität auf. Auch in diesem Punkt liegt der Akzent auf der Mehrdeutigkeit des trüben Kosmos. Eine Gleichsetzung meint immer eine Relation zu etwas Anderem. Dies ist umso bedeutender, da es nicht um festgeschriebene Eigenschaften, sondern um Imitationen geht.
Bei Franz Kapfer liegt die Imitation in der dynamischen Pose, der Maskerade oder der Dramatisierung der eigenen Erscheinung.
Marcela Gjonis Strategie der Imitation bezieht sich auf die alten Meister der Kunstgeschichte. Ihr Gestus wird adaptiert und für eigene Selbstportraits nutzbar gemacht.
Ich habe versucht den trüben Kosmos in seiner Komplexität zu veranschaulichen. Dies geschah in höchstmöglicher Exaktheit, Mit Exaktheit ist Klarheit gemeint. Die Methode steht dem trüben Kosmos gegenüber. Dieser Widerspruch ist eine weitere Facette in der Annäherung an den trüben Kosmos.
Florian Schmidt