Landstriche
Peter Lang, Gleißenberg
Malerei, Graphik
11.01.—10.02.08
Info
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
besten Dank für die Möglichkeit, hier vor Ihnen sprechen zu können, die Arbeit und der Werdegang von Peter Lang fesselt und beeindruckt mich persönlich seit langem, der Kunstverein Weiden, den ich vertrete, steht mit dem Künstler, der aus Miesbach/Oberbayern kommend auf der Suche nach einer neuen Bleibe in die Oberpfalz kam, seit über zehn Jahren in Verbindung. So spiegelt diese Verbindung auch ein Stück unserer Vereins-Geschichte und die Geschichte seiner Wünsche und Sehnsüchte nach einer angemessenen Positionierung künstlerischer Qualität im Leben unserer Region, das sind Einstellungen, die stark von der allgemeinen Dynamik der Grenz-Land-Nachwende- und Aufbruchs-Zeit der 1990er Jahre geformt sind.
Lassen Sie mich meine Einführung in Peter Langs Arbeit auf einen malerei-untypischen Weg beginnen.
Woran erkennt man einen Peter Lang?
Schließen Sie die Augen, vergegenwärtigen sie sich der Gegenwart der Bildkörper!
Am Klang.
Wenn Sie die hier ausgestellten Arbeiten betrachten, wird sich möglicherweise zu dem visuellen Eindruck waagrecht gestreckter atmosphärischer Zonen, die sich seitlich über die Bildränder ins Unsichtbare hinweg zu setzen scheinen, ein Klang-Eindruck gesellen, ein feines Schnalzen und Klatschen. Das feine, klar artikulierte luftige Schlagen gegen eine gespannte Leinwand. Das gehört zum Klang-Repertoire des Seefahrerischen und wir verbinden es mit den Stimmungen von Ferne und Aufbruch und dem Verlassen der überschaubaren Verhältnisse des Vertrauten, es ist der Klang rüttelnder Böen und Windstöße am unverrückbar Festen des Boots-Körpers. die atmosphärischen Bewegungen tasten jedes Boots-Bestandteil ab und prüfen sein Gewappnet-Sein gegen die Anfechtungen des Fremden.
Dieser Klang, den uns die waagrechten Streckungen suggerieren, entspringt aber nicht nur den raum-hypnotischen Strukturen der Malerei. Was wir aus den in ihren Farb-Auren versunkenen geometrischen Geraden heraushören, gehört auch seit mehreren Jahren zum akustischen Profil, das die Arbeitsstätte des Künstlers Peter Lang charakterisiert.
Diese liegt in Gleißenberg, nicht weit von hier, Nach Gleißenberg ist die Familie Lang im Jahr 2001 gezogen, hier ließ sie sich von Peters Schuldfreund, dem renommierten Architekten Florian Nagler, aus transparenten Steg-Platten und OBS-Platten ein lichtdurchflutetes Energie-Sparhaus bauen, Mitgehen mit der Natur auch in der Gestalt des Alltags-Praktischen, vorher lebten die Langs in Miesbach, einem Städtchen vor den Alpen etwa 50 Kilometer südlich von München, Peter Lang wurde ebenda 1965 im oberbayerischen Markt Holzkirchen geboren, sein Vater war Schriftsetzer in einer Druckerei, und von ihm erhielt der Sohn vielleicht den Sinn für Systematik, Schlüssigkeit und den Rhythmus des in sich Ruhenden. Ein zweites Essential, das Langs künstlerischen Weg vorgezeichnet haben mag, mag der Alpen-Eindruck gewesen sein, diese ständige Herausforderung an unser räumliches Vorstellungsvermögen, der ständige Zwiespalt zwischen der scheinbar greifbaren Nähe der Berge und ihrer realen unsagbaren Distanz.
Peter Lang studierte an der Akademie der Bildenden Künste München bei Rudi Tröger, einem Maler, der vom Impressionismus kommt und die „Ausstrahlung der Dinge“, wie dieser es nennt, in „linear dicht verspannte farbräumliche Beziehungsgefüge“ überträgt, und Jerry Zeniuk, einem Vertreter der „Radikalen Malerei“, einer Malerei der Farbe als Farbe als Farbe.
Zurück zu dem Klang, von dem ich oben gesprochen habe. Der Klang rührt vom Schlagen einer Schnur auf eine Leinwand her, Peter Lang verwendet für seine malerische Arbeit eine so genannte Schlag- oder Markier-Schnur, eine durch Farbpulver gezogene elastische Schnur, die im Anstreicher-Handwerk ihre Verwendung findet, sie dient dazu, auf Wänden über lange Distanzen gerade Linien aufzutragen, der pigment-gesättigte Schnur-Körper wird dabei wie eine Bogensehne gespannt, sein Aufschlagen an der Wand hinterlässt eine durchgehende Spur, der Gebrauchswert dieser Spur ergibt sich im Kontext der Anstreichertätigkeit und darüber hinausweisend im Kontext von Innenarchitektur und allgemeinem Bauwesen darin, dass sie dem Handwerker eine exakte Abgrenzung liefert.
Im Kontext Kunst passiert grundsätzlich mehr und zum Nutz-Wert der Dinge im Widerspruch Stehendes und es ist Peter Langs erstaunliche, innovative Leistung, dass es ihm gelungen ist, diese künstlerische General-Formel auf einen scheinbar vollkommen banalisierten, vollkommen normalen Bereich unseres Alltags-Lebens anzuwenden.
Peter Lang, den nicht nur ein unstillbarer Hunger nach Licht-Raum-Erlebnissen über drei Jahrzehnte künstlerisch fruchtbarer Arbeit antreibt, sondern der auch ein sensibler und genauer von der Intuition gesteuerter Beobachter und Registrator der naturgegebenen Erlebnis-Auslöse-Muster ist, bringt damit aber in die Malerei, speziell in die Landschaftsmalerei und ihre tausendfach modifizierten Muster unerwartet frisches Leben.
Das überrascht um so mehr, als er seine Landschafts-Raum-Variante an dem Grund-Typus festmacht, der mit C D Friedrichs Mönch am Meer neben Dürers Hasen oder Rasenstück in jedermanns Wahrnehmung verankert sein dürfte, und man könnte annehmen, dass dieser elementare landschaftsbildnerische Typus hier nun zu starrer, unveränderlicher Ikonenhaftigkeit gelangt sein könnte, mit der alles gesagt ist, was es zu sagen gibt. Aber weit gefehlt.
In diesem Typus, an dem Lang einen neuen Ton angeschlagen hat, kreuzen sich zwei Entwicklungslinien, einmal die der allgemeinen, allbekannten Kunstgeschichte, und die von Peter Langs eigener künstlerischer Genese, diese ist auf Grund ihrer formalen Konzentration auf das Elementare der Form- und Farbwelt dem Bereich der Konkreten Kunst zuzuordnen, einer Auffassung die in den 1930 Jahren Architekten, Künstler Gesellschafts-Veränderer verband und eine offene Community bildete, die bis heute besteht und in ihrem Kern von der Überzeugung zusammengehalten wird, dass „weniger mehr“ ist und wahre Innovation diesem Grundsatz zu entsprechen hat.
Dem entspricht sein seit 1998 entstehendes Holzschnittwerk auf teilweise wand-hohen Formaten, das Konkretion und Expression miteinander verbindet, aber dem entspricht vor allem seine bisher wichtigste „Entdeckung", zu der er im Jahr 2005 gelangte und die seit dieser Zeit sein Schaffen bestimmt.
Es ist das bereits beschriebene Herstellungs-Verfahren von Bildern, die Sie auch hören können, diese Bilder bestehen nur aus einer einfachen Staffelung horizontaler Linien, die auf eine mit einem breiten Pinsel in freiem Duktus angefertigte Untermalung aufgetragen werden, aber sie sind im Rahmen der Langschen Biographie und künstlerischen Vita eine schwergewichtige Synthese des Bisherigen, in der das Bildmuster der Landschaft mit der Architektur und das Handwerk des Hochdrucks mit der traditionellen Malerei zur Einheit gelangen.
Damit erreicht er nicht nur den Geist in der Anhängerschaft der konkreten Kunst bzw der bis heute ungebrochenen Geometrischen Tendenz.
Publikum, Interessenten, Käufer seiner Malerei sind auf breiterer Ebene aufgestellt. Peter Lang stellt, wie ich dem Katalog-Text von Marcel Fiser, dem Leiter der Galerie für darstellende Kunst in Cheb, entnehme, heutzutage in ganz Deutschland und im Ausland aus und arbeitet mehr oder weniger systematisch gleich mit mehreren Galerien zusammen (momentan sind das vor allem Hubertus Melsheimer Kunsthandel in Köln, die Galerie Florian Trampler in München, die Galerie Gärtner GmbH mit Sitz in Berlin, die Galerie holzhauer hamburg oder die Galerie pascal janssens im belgischen Gent), die ihn in ihren Räumen und auf internationalen Messen präsentieren.
Kommen wir, nachdem wir die Entwicklungsgeschichte, Herstellungsweise und das die Familie Lang ernährende Auf-Dem-Markt-Sein der Exponate gewürdigt haben, zu den Bildern selber. Befassen wir uns mit ihrem Inhalt und ihrer Wirkung.
Auch hier zitiere ich Marcel Fiser: „ In einigen Bildern erkennen wir die Umrisse von Wäldern, Wiesen und Bergen, in anderen ist die Komposition nur in die zwei markanteren räumlichen Schichten von Erde und Himmel geteilt, die sich durch die Linie des Horizonts von einander absetzen, und manchmal fehlt auch dieser, beispielsweise wenn er eine Wasseroberfläche mit dem Spiel des Lichts auf den Wellen und unbestimmten Widerspiegelungen des Himmels abbildet. Und schließlich ist es bei einigen Bildern so, dass sie nur noch das Licht (oder sogar das Dunkel) in der Landschaft „abbilden", befreit von dem materiellen Substrat, auf dem es sich zeigt („Letztes gelbes Licht“). Oder nur noch das Licht an sich, wie das auch der Zyklus von sechs Bildern aus dem Jahr 2009 belegt, der in einer improvisierten Werkstatt im
Refektorium des Klosters St. Mang in Füssen am Fuß der Allgäuer Alpen entstand.“
Der Nuancenreichtum der Licht - und Schatten-Phänomene, die das Gemüt immer wieder in die Randbereiche des Mystischen lenken, sind geeignet den feinst-stufigen Differenzierungs-Rausch des Malers auf den Beschreiber zu übertragen, der in John Ruskin und dessen Beschreibungen der Turner-Bilder ihr klassisches Vorbild hat.
Der ästhetisch-symbolische Wert besagter Schlag-Schnur-Spur, den der Kontext des künstlerischen Arbeits-Bereichs freistellt, führt in einer Weise über den Gebrauchswert-Horizont hinaus, die auch dem Laien einsichtig ist. Die gleichgewichtige Verbindung aus geometrisch-linearer Exaktheit und malerischer Auflösung schafft ein elementares Faszinosum, dem sich kein Blick entziehen kann. Da geht es uns wie Marcel Fiser und John Ruskin, warum das so ist, darüber können wir spekulieren, die Tatsache spricht für sich, auch wenn wir ihre Ursache nicht wissen.
Vielleicht aber geht die Spekulation, wenn wir den emotionalen Schauer, den die Bild-Atmosphären bei uns körperlich spürbar auslösen, in die Lenkung hinein nehmen, in die Richtung, in der bei genauerer Betrachtung auch der saiten- instrumentalische Charakter der Schnur erscheint und die musikalische Qualität des Schnur-Aufschlag hervortritt.
Wir registrieren unterschiedliche Schlag-Klänge, die einer Ordnung unterliegen. Je nachdem, an welcher Stelle, in welchem Abstand zur Seite, zur Bild-Kante oder zur Bild-Mitte die Schnur gespannt wird, findet sie als Percussions- Instrument ihr visuelles Äquivalent in unterschiedlich intensiven Farbabdrücken. Diese Entdeckung würde uns zu den Betrachtungen des Pythagoras über die Spährenklänge und den Ausdruck der kosmischen Ordnung in der Musik führen und in die Frühzeit und an die Quelle der europäischen Denk-Geschichte. Rückwärts-Gewandtheit ins Verstaubte? Nein Quellen- und Ressourcen-Gewandtheit. Erdung. Frische.
Peter Lang befördert in der kompositorischen Tradition eines C D Friedrichs und in der beispielhaften Art, eine außerkünstlerisch etablierte Technik innovativ umzuintegrieren, Inhalte in den Kontext des 21. Jahrhunderts, die in der Ästhetik des 18. Und 19 Jahrhunderts unter dem Begriff des Erhabene subsummiert wurden.
Das Erhabene ist die zweite große ästhetische Kategorie neben der Schönheit. Und das Erhabene, das ist der Name für den emotionalen Körperzustand, der den Menschen als sandkorn-großes Körperwesen angesichts des bestirnten Himmels erfasst, ich brauche Ihnen nichts zu erzählen, Sie kennen das Gefühl, das Kant und Schiller beschrieben haben, angesichts des grenzenlosen Ozeans, angesichts der horizontlosen Weite der Wüste, angesichts der erbarmungslosen Steilheit des Gebirges, und all diese Situationen, in denen uns dieses Gefühl erfasst, sind nicht der Mörser, der das Ich zermalmt, sondern im Gegenteil, sie sind der Ort, an dem das Ich geboren und wiedergeboren wird, geboren und wiedergeboren aus dem Geiste der Natur.
Ohne die weltanschaulich-philosophischen Implikationen des Begriffs des Erhabenen näher untersuchen zu müssen und ohne dass es nötig ist, uns ihrer Aktualisierung in der Post- Painterly- Abstraction eines Barnett Newmanns und in der philosophischen Postmoderne zu widmen, spüren wir es, die Ergriffenheit, die der Mensch als endliches Körperwesen vor dem Naturschauspiel erlebt, gehört a priori in den Kanon menschlicher Grenz- Erfahrungen, diese stellen das Gewohnte grundlegend in Frage, sie schicken den Menschen aus dem Wie-Man-Ist auf sich selber zurück.
Es sind unabdingbare Prüfungen und Exerzitien, die zum Menschsein dazugehören, sie kommen auf uns zu, wir können uns ihnen stellen und wir sind in der Tiefe unseres Selbst so angelegt, dass jede und jeder die Prüfung besteht.
Seit Petrarca, dessen Besteigung des Mont Ventoux 1336 die Wende des Mittelalters zur Neuzeit markiert, ist das Selbst- Erfahrungs- und Prüfungs-Erlebnis vor der Natur, das Hinausgehen in die Natur a la C D Friedrich, a la Tieck und Wackenroder, a la Thoreaux, a la Christopher McCandless (Into the Wild), a la etc ein Topos der europäisch - amerikanischen Kulturgeschichte.
Die Verkettung von Körpergefühl, Emotionalität und Empfindung, von Stammhirn, limbischen System und Neo-Cortex, die über Sturm und Drang, Romantik, Vitalismus, Gestaltkreis-Lehre, Psychosomatik, Phänomenologie und heutige Hirnforschung dahin gelangt ist, den Rang der Ratio zu relativieren und selber als Fundament jedweder Erkenntnis angesehen zu werden, führt uns in den Raum unserer Körper-Natur, in die Echo-Räume einer Sprache ohne Worte.
Auch in diesem Zusammenhang, der das Hinausgehen in die Natur, das Gehen mit der Natur, das Gehen zur Natur auch immer im lebens-praktischen, auch lebens-reformerischen Zusammenhang versteht, der die ganze menschliche Bedürfnis – Pyramide umfasst, aktualisiert Peter Lang die Tradition und bildet sie innovativ um. Da hat er schon dieses eigenartige haus gebaut.
Gemeint ist jetzt der Bau eines mobilen Ateliers 2010, es ist Ausdruck der persönlichen Bedürfnis-Lage des Künstlers, vor Ort zu arbeiten, aber auch Ausdruck des klassischen Plein-Airismus, einer Feiluft-Malerei, als dessen Anreger Monets Hausboot gedient haben mag.
Dem „ Zurück zur Natur“, das hier haustechnische Gestalt erhält, gingen längere Rau-Natur-Aufenthalte voraus, 2006 als Stipendiat im norwegischen Trondheit und 2009 in einer Waldarbeiter-Hütte im Allgäu.
Das mobile Atelier ist ein Produkt des Architekten Florian Nagler, der auch die eigenwillige Immobilie der Künstlerfamilie in Gleißenberg gebaut hat.
So wie das Wohnhaus aus handelsüblichen Fertigteilen und deren zweck-transferierenden Anders-Verwendung entstanden war, wurde im Falle des Ateliers, das dem Künstler erlauben würde, sich an zivilisationsfernen Orten auch dauerhaft einzurichten, ein Über-See-Container dem Neu-Zweck entsprechen umgearbeitet.
Damit war Peter Lang im letzten Jahr sechs Monate in Patagonien und hat dort 79 teils großformatige (2m x 5,70 m) Bilder gemalt, in Schlagschnur-Technik.
Was den Romantikern Tieck und Wackenroder bei ihrer Wanderung durch die wilde fränkische Schweiz der Rucksack war und für Wilhelm Hauff das „Wirtshaus im Spessart“, besaß Peter Lang beides zusammen in Form einer besonderen Stapel- und Ausklapp-Technik, die den Container um ein 50 qm großes Atelierzelt erweitern, Koch-, Schlaf- und Sanitär-Bereiche hergeben und außerdem eine Zisterne und ein Solarmodul beinhalten.
Das Künstlertum tritt hier, so romantisch es sich auch gibt, nicht im rückwärtsgewandten gesellschaftlichen Außen-Seiter-Status auf, wie Sie sehen, sondern als experimentell-exemplarische Lebensform.
Fast hätte ich es vergessen, Peter Langs Gemälde sind Öl-Gemälde, mit diesem Begriff treten Gerüche und Atmosphären als Zeichen einer Welt in unsere Wahrnehmung, die nach dem Verständnis vieler mit High-Tec unvereinbar ist.
Die sollten vielleicht umlernen. Denn es sind die Zeichen unseres Sinnen-Apparates und das Anzeichen dafür, dass unsere geistige Erdung funktioniert. Die bleibt nach wie vor unverzichtbar. Sonst heben wir rettungslos ab. Warnzeichen davor gibt es genügend.
Was sagt die Schlagschnur?
Platsch!
Wolfgang Herzer