21. April – 4. Juni 2023
Linol-Stillleben
Vernissage Fr 21. April, 20 Uhr
im Kunstverein Weiden
Rede von Wolfgang Herzer zur Eröffnung
Als im letzten Jahr im Rahmen der Kunst-Partnerschaft des OKV mit einer Pilsener Vereinigung eine deutsch-tschechische Wechselausstellung stattgefunden hatte und die deutsche Sektion gekommen war, um ihren Teil wieder abzubauen, hatte ich genug Muse, meine Vorstandskollegin Caro Schiml zu begleiten und nach dem Abbau auch am Besuch einer weiteren Galerie am Marktplatz der Stadt Pilsen teilzunehmen.
Zu sehen waren farbige Linolschnitte von Michal Cihlář und was wir sahen, war ein bestürzend flutendes Gewimmel Tausender akkuratest ausgeführter Schnitte aller Art. In der fantastischen Genauigkeit von Insekten-Schwärmen eilten sie über die Flächen und formierten sich zu Abbildern der Wirklichkeit und diese tauchten wie die glänzenden, hartschaligen Muscheln einer Unterwasserwelt bei Ebbe im Licht der erkennenden Wahrnehmung auf.
Stege, Linien, Flächen fügten sich zu visuellen Texten zusammen, wie ich sie noch nicht gesehen hatte, das eigenständig Zeichenhafte des Clair Obscur der Flächen und Lineamente führte die Betrachter*innen ins Atmosphärische einer Schattenwelt, die mich an Platons Höhlengleichnis denken ließ.
Der Entschluss den Künstler nach Weiden einzuladen war schnell gefasst, der Kunstverein Weiden hinterließ seine Anschrift, Frau Schiml spricht Tschechisch, wir konnten uns also problemlos qua Zettelchen, das die Kasse weitergeben sollte, verständlich machen und im Winter einer Einladung Michal Cihlars folgen.
Er bewohnt mit seiner Familie ein dem äußeren Schein nach kleines Haus, das in einer schmalen lichten, stufig an einen Berghang gebauten Gasse liegt, jedoch beim Eintreten total überrascht, inwendig unter dem Haus öffnet sich noch ein mehrstöckiges Gebäude, ein heimeliger Holzbau mit schmalen Treppen, der zur einen Seite hin am Berghang lehnt und sich zur anderen Seite mit Fenstern in eine gerade schneeweiße, unbebaute weite Ebene öffnet.
An einem dieser Fenster steht Michal Cihlářs Arbeitstisch, sein Sprungbrett hinter die Spiegel, hinaus in die Räume der künstlerischen Imagination.
Der im weiteren Raum Prag lebende Michal Cihlář (1960) gilt als wegweisend für den modernen tschechischen Linolschnitt. Angefangen hatte er an der Hochschule für angewandte Kunst in der Fachrichtung Buch - und Schrift - Kunst, was freilich die kreativen Selbstansprüche unbefriedigt ließ, so dass der Schritt in die freie Kunst nur mehr eine Frage der Zeit war. Seine Beschäftigung mit der Collage, der kolorierten Fotografie und der Papier-Plastik wiesen diesen Weg.
Als Träger des renommierten Vladimír-Boudník-Preises auf dem Gebiet der freien und angewandten Grafik begann er 1980 mit farbigen Handabzügen von Linoleummatrizen zu experimentieren und gelangte nach einer kurzen Pop-Art-Episode zum Fotorealismus, sprich zur Übernahme unterschiedlichster fotographischer Abbilder aus allen Genres, die im Bereich der Printmedien überhaupt nur zu finden sind.
Parallel zu seiner unverwechselbaren Schnitttechnik und einer Technologie, die bei mehrfarbig aufgebautem und manuellem Abzug bis zu fünfzig Schichten verwendet, vollzieht sich ein thematischer Wechsel, der im einzelnen durch Porträts, Tiere, erotische Spielzeuge, Stillleben, Buch- und Zeitungsillustrationen gekennzeichnet wird.
Im Ganzen kommt damit die Welt der kleinen Dinge zur Erscheinung, meist sind sie ja wenig beachtet, aber fürs Menschsein um so wichtiger, weil sie unterschwellig von psychologisch unentbehrlich magischer Qualität sind.
Das Motiv, das seit vierzig Jahren in Cihlars Werk eine tragende Rolle spielt, ist unübersehbar das Stillleben. Alles zusammen ein faszinierendes Angebot, mit dem Michal Cihlar auf internationaler Ebene bereits über fünfzig Einzelausstellungen durchgeführt hat. Ein wichtiges Moment, das dabei seine Arbeit prägt, ist, dass er in den 1990er Jahren von den Übereinander-Drucken zu kolorierten Linolschnitten wechselt und die schwarzweißen Matritzen mit Anilin-Stiften ausmalt.
Die Stillleben, die allein schon im grundlegenden Hell-Dunkel des Mediums das klassische Vanitas - Motiv verkörpern, zeigen dieses Thema als zeitloses Phänomen, das jedoch der individuellen Kunst – und Lebensauffassung viel Spielraum lässt.
Cihlar arbeitet dementsprechend in steter Hochachtung vor der Tradition, wobei die Qualität der oft absurden, surreal anmutenden Kompositionen beeindruckt, die in einer unverwechselbar eigenen lyrischen Sachlichkeit verankert sind.
Das jeweilige Ensemble der Gegenstände, die nach dem Zufalls-Prinzip ausgewählt erscheinen, zeigt, dass die Grenz-Überschreitung des thematischen Kanons und die ästhetische Überlieferung keine unüberbrückbaren Gegensätze sind.
Im Gegenteil, nach Cihlars Auffassung sind sie ganz allgemein die Säulen jedes echten und lebendigen Handwerks. Dabei ist es wichtig, zu begreifen, das es zu kurz gegriffen ist, wenn man die anstrengende Schneidearbeit im Matrix-Material lediglich als herkömmlich technischen Prozess betrachtet.
Was hier geschieht, ist als eine Form der Meditation zu verstehen, in der der Künstler die mediale Bilder-Welt im Zeitalter der maschinell technischen Reproduktion via Linolschnitt in die unmittelbar mit dem Menschen verbundene körperliche Sphäre der Handwerklichkeit rückübersetzt.
Mit dem Linolschneider legt Michal den kulturellen Rückwärtsgang im Sinne einer „progressiven Regression“( von der Lippe) ein, unser Gespür und Bewusstsein für die Grundverbundenheit unserer körperlichen Existenz mit Werkzeug und Welt wird hierbei erneuert.
Besonders deutlich ist dies zu erkennen, wenn man einen Blick auf die Motivkreise wirft, die Cihlar bearbeitet. Da zeichnet und schneidet er Privates aus dem fotografierten Familien-Leben aus, ebenso wie er das mit der total ökonomosierten Welt der Drucksache macht, dabei werden auch ganze, klein bedruckte Zeitungs-Seiten und andere verschiedenartigste banale Wegwerf-Artikel unserer Ex&Hopp-Konsum-Kultur wie einzigartige Kostbarkeiten behandelt.
Und indem er in die schnittechnische Langwierigkeit geht, ja, diese geradezu zelebriert, bei höchst niedriger Auflage seiner händisch durchgeführten Druckarbeiten, führt er uns voll in den Werte-Raum vitaler auratischer Zeichen, die uns die Erinnerung an ein unentfremdetes Körper und Geist basiertes Leben schenken.
So geht es Cihlar letztendlich auch darum, für das Ethos der künstlerischen Handarbeit und der Handarbeit als solcher, eine Lanze zu brechen. Er möchte Dinge schaffen, die sich von der Inflation heutiger Massenprodukte absetzen und die Würde des stillen Botschafter-Wesens wahren, das uns aus dem Kleinen und Intimen der alltäglichen Ding-Welt entgegen tritt.
Die Stillleben!: Ahoi!. Wir von Cihlars Kunst inspiriert, jetzt sehen wir sie, wie sie vor unserem geistigen Auge auftauchen. Überall tauchen sie auf, als eine bedrohte dringlich schützenswerte und zu bewahrende Parallel-Insel-Welt. Ahoi!
In dem Sinn ist vielleicht auch der enigmatische Titel der Pilsener Ausstellung zu verstehen: er lautete kämpferisch „Der hingeworfene Fehde-Handschuh“, Old School verlangt Satisfaktion und reagiert auf Beleidigungen des Schönen und Subtilen mit der Waffe, in unserem Fall wären das die Linolschneider, Geißfuß etc.
Ich denke, weiter müssen wir nicht gehen, das tun schon andere über Gebühr. Der Geißfuß reicht ihnen nicht.
Leider.
Darum soll es hier umso lauter gesagt sein:
Geißfüssler aller Länder vereinigt Euch. Ahoi.
Lets drink!
Die Tassen hoch!
Wolfgang Herzer, Quelle Petra Kocova
Vítejte na samostatné výstavě “lino-zátiší” pana Michala Cihláře.
Výstava vznikla v spolupráci s domem umění města Weiden a prezentuje vybraná díla umělce vytvořené technikou linorytu.
Michal Cihlář, ročník 1960, je v okolí Prahy žijící výtvarník a považován za průkopníka moderního českého linorytu.
Absolvent Vysoké školy uměleckoprůmyslové v Praze a držitel významné ceny Vladimíra Boudníka od osmdesátých let vytváří komplexní vícebarevné grafiky, kterými pomohl linořezu jako grafické technice dosáhnout mezinárodního renomé.
Námět umělce je mnohotvárný kosmos prostého domácího života.
Především vytváří zátiší, v nichž většinou zobrazuje novinové výstřižky nebo fotografie v technicky virtuózním na realismu orientovaným stylu a přitom odděluje zobrazované hromadné produkty od esence unikátního díla.
Michala Cihláře neustálé hledání magie ve všedních věcech, jichž už je v ohromným množství, dělá dojem.
Žádná věc jeho okolí se mu nejeví nevhodnou. Každá se může stát předmětem jeho práce a aby k tomu došlo, stačí málo. Stačí, když kolem sebe nosí zajímavou auru.
Děkuju za Vaší pozornost!
Nechte se dnes večer vést silou umění. Užívejte si to.
Přeju vám obohacující zážitek."