Milan Kunc
Kooperation: Galerie Klatovy / Klenova, Muzuem Umení Olomouc, KV Weiden
30.07.—29.08.10
Info
Milan Kunc wurde 1944 in Prag geboren
Kennworte zu seiner Malerei sind:
Postmoderne, ironisch-trotziger sozialistischer Realismus; „Peinlicher Realismus“, „Punkpop“, „Ost-Pop“ mit Elementen aus Werbung, Fotografie, Straßenkunst, Comic-Kunst; melodramatische Allegorien;
Kunc studierte von 1964 bis 1967 an der Kunstakademie Prag.
1969 emigrierte er in die BRD und studierte von 1970 bis 1975 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Joseph Beuys und Gerhard Richter. Beuys legte die Freiheit der Lehre in Wissenschaft und Kunst dahingehend aus, dass er kein Zulassungsstop akzeptierte, in seiner Klassen tummelten sich an die vierhundert Studenten, einer Milan Kunc, und dieser malte, Was machen Sie da, das ist ja Werbemalerei, so Beuys, Kino-Portal-Gemälde, Malerei der Leidenschaft.
1979 Gründung der Gruppe Normal (Peter Angermann, Jan Knap, Milan Kunc).
Neben seiner Malerei schuf Kunc Skulpturen, Fotoarbeiten und veranstaltete Performances und Straßenaktionen in Wuppertal.
Ab 1980 setzte er das künstlerische Programm „Internationale Folklore“, eine allgemein verständliche Kunst für das Volk, um. Ironische Verwendung von intellektuellen Versatzstücken aus der sozialistischen Gedankenwelt.
Kunc lebte in Köln, Rom, New York City sowie in Den Haag und kehrte 2004 nach Prag zurück.
Ausstellungen (Auswahl) [Bearbeiten]
— 1982: Kunsthalle Düsseldorf
— 1984: Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf
— 1992: Belvedere, Das Belvedere oder Lustschloss der Königin Anna (Letohrádek královny Anny) im Baustil der Renaissance wurde zwischen 1538 und 1560 Prag
— 2003: Große Kunstausstellung NRW, Museum Kunst Palast, Düsseldorf; Deichtorhallen, Hamburg; David Zwirner – New York
— 2005: Prague Biennale, Prag
Nur wenige tschechische Künstler haben zu der Entwicklung einer internationalen Kunstbewegung beigetragen.
Einer von ihnen ist Milan Kunc, ein Vertreter der Rückkehr der figurativen Malerei in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts,
einer Zeit, in der die internationale Kunstszene schon ein gutes Jahrzehnt lang von konzeptuellen Tendenzen beherrscht wurde:
Minimal - Art, Land - Art, Cocept - Art, Happening, Objekt-Kunst.
Das "retinale Erlebnis", das die Moderne-Formel "Farbe auf Leinwand" bis dahin begründet hatte, war seit Marcel Duchamps Demonstrationen einer Kunst der Idee verblasst.
Als Student von Joseph Beuys und Gerhard Richter an der Düsseldorfer Akademie, wo die Kunstform der klassischen Malerei in diesem Sinne als überholt und unzeitgemäß galt, hatte Kunc übrigens die Gelegenheit, diese Tendenzen persönlich zu erleben.
Er hatte schon vier Jahre an der Prager Akademie, die er wegen angeblichen Mangels an Talent verlassen musste,
und die nachfolgende Emigration 1969 nach Westdeutschland hinter sich.
Um die Wende der 80er Jahre gründeten er und zwei weitere Mitschüler, der Tscheche Jan Knap und der Deutsche Peter Angermann, die Gruppe „Normal", die zusammen mit den deutschen „Neuen Wilden" und der italienischen Trans-Avantguardia ein kraftvoller Beweger der postmodernen Malerei wurde.
Das erste Jahrzehnt von Kunc‘ Malerei verlief unter dem Zeichen des „Peinlichen Realismus" und „Ost-Pop", einer osteuropäischen Version von Pop Art, die mit den Symbolen der kommunistischen Ideologie und den Symbolen der West-Konsum-Welt wie Mc Donald arbeitete. Die Malerei reflektierte das Verhältnis von Sein und Schein auf verschiedenen Ebenen, die Differenz zwischen der abgebildeten Realität, der Realität der Abbildung-Konventionen und der Malerei als eigener Realität mit eigenen Gesetzen, die beachtet werden müssen, damit es gute Malerei wird. Die propagandistischen Pathosformen werden so ins Bild gebracht, als wären ihre Versprechen wahr geworden.
Mit der Zeit rückte jedoch die Ironie mehr und mehr in den Hintergrund bis Kunc letztendlich eine persönliche Version der klassischen Malerei entwickelte.
Der kritische Standpunkt wich heiterer Gelassenheit in der Betrachtungsweise und das Bild - weitgehend von außervisuellen Aspekten befreit - verwandelte sich in ein geistvolles vorrangig ästhetisches Erlebnis. Die Quellen des Humors, der den Anfang und das Aufbegehren gegen Absolutheits-Ansprüche a la Beuys kennzeichnete, fließen hier weiter. Die Ironie als Ausdruck der selbstkritischen Einsicht, dass einem die absolute Wahrheit nicht gegeben ist, tritt hinter der Begeisterung des Koloristen zurück.
Dieser Humor, den hatten die drei "Wider - Maler", Kunc, Angermann, Knap, in den 80er Jahren gegen die Ernsthaftigkeit jener gerichtet, die die Kunst als Instrument der revolutionären Verwandlung der Welt verstanden, was für Tendenzen der Konzept-Kunst ebenso galt wie für den sozialistischen Realismus. Die traditionelle Bildsprache und der Mix visueller Versatzstücke aus Cartoon, Emblematik, klassischer Ikonographie, Werbung, klassischer Moderne, neuer Sachlichkeit, die zum Markenzeichnen wurde, richteten sie stilistisch gegen die verschlüsselte Sprache der damaligen Kunstwelt. Die ganze Kunstgeschichte wurde zum Arsenal, zum Setzkasten aktueller Malerei, und immer wieder Picasso, der es vorgemacht hat, Tranformationen von Barock bis Klassizismus, bis afrikanischer Kunst bis zur Höhlenmalerei Hin und Zurück.
Aber von Kunc` Erfahrungen mit dem sozialistischen Realismus aus betrachtet, auch gegen die im Osten verordnete Wirklichkeitsabbildung, die scheinbar objektiv und klar verständlich daherkommt, in Wirklichkeit aber das reale Abbild unter propagandistischem Blickwinkel manipuliert.
Aber sind nicht alle Wirklichkeits-Darstellungen in irgendeiner Form manipulativ?
Der dritte Weg, den die drei „Trotzdem-Maler“ beschritten, bestand in der Auseinandersetzung mit dieser Frage, und der Antwort darauf, dass jede Art von Weltbild immer auch Klischee, Muster, Spekulation, Vermutung, Wunschbild ist, das soweit reicht, als es die Interessenlagen und die kulturell bedingten Rahmenvorgaben erlauben.
Man befleißigte sich einer konzeptuellen Haltung, die sich nicht wie bei Künstlergruppen wie Art and Language ganz allgemein und abstrakt auf Struktur und Wesen von Kunst bezog, sondern einer Haltung, die sich ganz konkret auf das visuelle Gesamt-Arsenal bezog, mit dem die Menschen in Ost und West quer durch alle Gesellschaftsschichten und Kulturkreise kommunizierten und das, was Sache zu sein schien, zur Bild-Sprache brachten.
Kennzeichnend war die provokative Kombination von malerischer Qualität, scharfem Intellekt - dank dessen konnten sie ihre Haltung souverän auf theoretischer Ebene verteidigen - und etwas, das auf dem ersten Blick als geistig anspruchslos erschien: Banalität, Idylle, Kitsch. Triviale Formen der Reflexion über die Möglichkeit, dem menschlichen Glück Dauer zu geben. Die uralte Ur-Frage, der Niemand entkommt, die auf kollektiver Kommunikations-Ebene viele Antworten erhalten hat, im postmodernen Medien- und Informations-Zeitalter, in dem alles schneller geht, hat sich das Antwort-Geben noch um einiges vervielfältigt und beschleunigt. Die Zeit der Unschuld ist vorbei. Wer glaubt noch daran, seine Antwort zu finden. Es gab sie schon, es gibt sie schon, es ist alles bereits gesagt.
Und dazu sagt Umberto Eco, der Semiotik-Professor aus Mailand, im Vorwort zum Katalog der Ausstellung "Von hier aus"1984, Düsseldorf, zu Milan Kunc Arbeiten etwas sehr Schönes, das ich Ihnen hier vorlesen möchte, und mit dem ich enden möchte.
Die postmoderne Haltung erscheint mir wie die eines Mannes, der eine kluge und sehr belesene Frau liebt und daher weiß, daß er ihr nicht sagen kann: »Ich liebe dich inniglich«, weil er weiß, daß sie weiß (und daß sie weiß, daß er weiß], daß genau diese Worte schon, sagen wir, von Liala geschrieben worden sind. Es gibt jedoch eine Lösung. Er kann ihr sagen: »Wie jetzt Liala sagen würde: Ich liebe dich inniglich.« In diesem Moment, nachdem er die falsche Unschuld vermieden hat, nachdem er klar zum Ausdruck gebracht hat, daß man nicht mehr unschuldig reden kann, hat er gleichwohl der Frau gesagt, was er ihr sagen wollte, nämlich daß er sie liebe, aber daß er sie m einer Zeit der verlorenen Unschuld liebe Wenn sie das Spiel mitmacht, hat sie in gleicher Weise eine Liebeserklärung entgegengenommen Keiner der beiden Gesprächspartner braucht sich naiv zu fühlen, beide akzeptieren die Herausforderung der Vergangenheit, des langst schon Gesag ten, das man nicht einfach wegwischen kann, beide spielen bewußt und mit Vergnügen das Spiel der Ironie Aber beiden ist es gelungen, noch einmal von Liebe zu reden.
Und so ist die Geschichte der Malerei von Milan Kunc auch eine Liebesgeschichte, eine Geschichte der Liebe zur Kunst, eine Geschichte der Liebe zur Liebe, dieser Liebe, die immer wieder überrascht und überwältigt, wenn man an ihr Feuer gerät.
Die Ausstellung "Milan Kunc" ist eine Zusammenarbeit des Kunstverein Weiden mit der Galerie Klatovy/Klenova und dem Kunstmuseum Umení Olomouc. Sie wird gefördert mit Mitteln der europäischen Union.