PASST – Let’s Jam
Mitgliederausstellung des Kunstverein Weiden
02.12.06—14.01.07
Info
Mit der Ausstellung PASST, einer Mitglieder-Schau für sozusagen alle Schuhgrößen, die Gabriele Hammer 2006 initiierte, betrat der Kunstverein neben seinen bisherigen Programm-Linien einen neuen Weg. Am 23.11. wird „PASST 2“ eröffnet. Seit der Vergrößerung des Vorstandes 2006 werden die Ausstellungen in wechselnden Verantwortungen geplant und durchgeführt. „Passt“ ist ein Gemeinschafts-projekt des neuen Vorstandes. Mitglieder-Ausstellungen waren bis dahin kategorisch ausgeschlossen.
Der Kunstverein Weiden orientierte sich in dieser Einstellung gemäß seiner Zugehörigkeit zur Arbeitsgemeinschaft deutscher Kunstvereine, AdKV. Hier wird zwischen Kunstverein, Galerie und Künstlervereinigung ein wesentlicher Unterschied gesehen und als Ausschluss-kriterium angewendet, nämlich der kommerzielle Zweck, der in der Natur von Künstlervereinigungen und Galerien liegt.
Kunstvereins-Arbeit aber, eine lange Tradition bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland, versteht sich als Kunst-Pflege pur und als Dienst an der Idee, dass Kunst ein unverzichtbares Mittel zur Bildung menschlicher Schlüsselqualifikationen ist.
In diesem Zusammenhang müssen Verkaufsausstellungen und Mitgliederausstellungen im Kunstverein nicht unbedingt ein Sündenfall sein, zumindest kein großer, wenn sie nicht Prinzip sind. Aber dies ist eine Lesart, die zu lernen der Kunstverein Weiden Zeit gebraucht hat, vielleicht deswegen, weil sein Antrag auf Aufnahme in die AdKV mehrmals abgelehnt worden war. Der Umstand, dass der Kunstverein Weiden als „Galerie Hammer&Herzer“ angefangen hatte, hatte nämlich Zweifel am nicht-kommerziellen Charakter der späteren Einrichtung geweckt; vom Gegenteil zu überzeugen, wurde für den damaligen Leiter des Kunstvereins eine frustrierende Prozedur.
Warum sie es alle machen, der Baden-Württembergische Kunstverein Stuttgart, der Kunstverein Lingen, der Kunstverein Rosenheim, etc, ihren Mitgliedern eine Bühne zu bieten, die den Kunst-Kauf nicht ausschließt, und warum es der Kunstverein Weiden lassen sollte, ist nun auch in Weiden nur noch die Frage, ob man sich über Dinge den Kopf zerbrechen will, die dem Lustprinzip längst klar sind.
Wahrscheinlich passt es.
Die Ausstellung „Kunst wird nicht schlecht“ im Okt 2004 lässt sich vielleicht als Vorläufer betrachten, bei dem besagtes Lustprinzip schon früher zu seinem Recht gekommen war. 2004 feierte der Kunstverein Weiden sein zehnjähriges Bestehen.
Pflicht und Kür.
Eine Ausstellung dokumentierte in der strengen Form einer wändegroßen Agenda sämtliche Aktivitäten seit der Gründung 1993 mit Pressemeldungen und den Bildern seiner Hausfotographen.
„Kunst wird nicht schlecht“ war die Kür. Aus vielen Ausstellungen der vergangenen zehn Jahre waren Exponate von mehr als hundert Künstler/innen in der Galerie des Kunstvereins verblieben, denen das Schicksal eines Ladenhüters drohte, nun waren sie Teil eines gewaltigen Patch-Works, das rund 400 qm Ausstellungswand bedeckte, und zeigten unverbrauchte Vitalität.
Die lange Lagerung hatte ihnen nicht geschadet, das Wiedersehen freute.
Der besondere Reiz dieser Ausstellung offenbarte sich jedoch durch die Aufhebung der Programm-Schranken, die vorher gegolten hatten. Petersburger Hängung, Voll aus dem Bauch, Zufalls-Prinzip, Wildes Denken, gezielter Stilbruch, wie man es auch nennen will: das Nebeneinander überraschte mit Qualität, es passte auf verblüffende Art, die kleinen Namen der Kunst-Student/innen aus unserem Nachwuchs-Programm neben den großen Namen der Weidener Rathaus-Ausstellungen, wo exemplarische Positionen der deutschen Kunst nach 45 gezeigt worden waren, Penck, Walther, Schwegler, das verband sich auf ganz elementarer Ebene, im Hunger nach Selbstdarstellung und Ausdruck, in der Sehnsucht nach Freiheit, im Bedürfnis nach Gemeinschaft, im thematischen Brennpunkt zu einem kompositorischen All-Over.
Klein oder Groß, Fragen der Historie, des Marktes, des persönlichen Geschmacks wie der allgemeinen Kategorie, traten dem gegenüber zurück, ein paradiesischer Zustand vor dem Sündenfall, vor dem Biss in den saueren Apfel der Kunstkritik, voll der Süße kreativer Ur-Lust, die sich in allem Gestalteten wieder erkennt.
Die Ausstellung „PASST 2“ ist wie zuvor jury-frei. Mit Verweis auf Ausstellungs-Leistungen unseres Hauses wie „40 Jahre Fluxus“ und „La boite en valise – oder die Neue Welt liegt mitten in Europa“, die mit dem Namen Duchamp zusammenhängen, sei es erlaubt, einen Hauch von der Aura juryfreier Ausstellungen heraufzubeschwören, die Geschichte gemacht haben und auf deren wohl berühmtes-ter Marcel Duchamp dem Urinal zu Kunstwürdigkeit verhalf, New York 1917, Society of Independent Artists.
Ganz so locker geht es in Weiden nicht zu und das Ready Made als Kunst- und Türgriff zur Neuen Kunst gehört leider schon der Vergangenheit an. Doch die Stimmung ist verboten gut. Für die Teilnahme an der PASST- Ausstellung gilt dieses eine Kriterium, „es muss passen“, wie überall im Leben, und im Ausstellungsraum des Kunstvereins passt es qua Mitgliedschaft. Wenn man drin ist, ist man drin. Was dann passiert, nachdem Florian Thomas die Exponate auf bereits genannten 400 qm Ausstellungswand zu einer Komposition zusammengefasst hat, heißt in der Jazz-Musik Jammen. Ein Gedankenaustausch findet statt, der da und dort tief im Herzblut gründet, die Teilnehmer der Session artikulieren sich jenseits fachbegrifflicher Sprachgitter, jenseits wissenschaftlicher Vorbelastungen in Zeichnungen, Gemälden, Graphiken, Fotografien und Plastiken, in der Gestik und Mimik bildnerischer Vokabeln. Die Kreativitäts-Psychologie nennt einen Aspekt dieses Vorgangs Brainstorming, alle Beiträge sind zulässig, soweit ihr unsichtbarer, immaterieller Kunst-Pass sie als Angehörige eines der unzähligen Kunstländer ausweist, die auf den Kontinenten Professionalität und Liebhaberei liegen.
„Passt“ passt einmal, zweimal und vielleicht auch dreimal, weil es im Diskurs über Kunst den Bereich mitreden lässt, der gewöhnlich ausgeschlossen bleibt, gleichwohl das innere Selbstgespräch vieler Menschen gerade dort stattfindet. Die Art der Auseinandersetzung mit Kunst ist gemeint, die am intensivsten ist, die eigene „Bilder-Sprache“. Die Konzeption von „Passt“ ist das Vergessen der Pass-Form, die an den Grenzen oben genannter Kunstländer schnell für Reibereien sorgt, und die Fortsetzung des Kunstgesprächs mit künstlerischen Mitteln. Passt ruft paradiesische Zustände aus, in denen Lamm und Löwe aneinanderlehnen, ihren Wehr-Pass ins Feuer werfen und entdecken, wie gut sie zusammenpassen. Es geht um die Kunst, die soviel gibt, ihre Würdigung, ihre Vermittlung, ihre Garantie. Die ästhetischen Sprachen, die sie spricht und lehrt, machen Wirklichkeit in Welt übersetzbar, aus Leben wird Lichtung, ein offener Raum, den eine kreative, menschliche Atmosphäre erfüllt.
Kunstvereine haben ihren Platz zwischen Galerie und Künstler-Gruppe und sind Zweckgemeinschaften zur Förderung dieser elementar menschlichen Kräfte und ihrer Protagonisten, insbesondere der Schrittmacher von Kunst, die sich machen, und der jungen Hoffnung auf künstlerische Innovation, der die Kinderschuhe nicht mehr passen. „PASST“ passt auch in diesem Zusammenhang, weil die Einzelstimme im Chor, in der Gemeinschaft zurücktritt und Teil eines gemeinsamen Kraft- und Möglichkeits-Feldes wird.