PASST VI – Soll und Haben
Mitgliederausstellung des Kunstverein Weiden
25.11.11—08.01.12
Info
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde der Kunst,
als man sich im Kunstverein Weiden 2006 entschloss, eine lange gehegte Idee umzusetzen, und eine jährliche Mitgliederausstellung ins Programm aufnahm, war das eigentlich die einfachste Sache von der Welt und gleichzeitig auch wieder nicht, denn sonst hätten wir das, getragen von der Ahnung, dass wir so etwas Schönes hinkriegen wie das, was Sie hier sehen, ja schon längst getan gehabt.
Aber wir, das kleine Team, das Ursprungs-Team von 1993 bis 2006 und darin vor allem ich, der ich doch sehr weitgehend als künstlerischer Leiter den Kurs der 90er Jahre bestimmte, sahen das anders, wir sahen da im Dschungel unserer nicht wenigen wild dahinwuchernden Programm-Linien eine Barriere, noch eine Baustelle, mein Blick war von der klassischen Betriebsblindheit beschlagen.
Sechsmal liegt das nun hinter uns. Die Titel: Alles, was schön ist, Portrait, Habseligkeiten, EchtIch, Äpfel +Birnen, und jetzt: Soll+Haben.
Eingebunden in die unterschiedlichen großen renommee-starken Kulturaktivitäten der Stadt begriffen wir den KV nicht als Plattform für Mitgliederkunst, auch nicht partiell, was ja möglich gewesen wäre, aber das war dann doch auch ein eher abgelegenes Thema: angefangen als Galerie entwickelte sich unsere Einrichtung auch in der Folge ja nicht zur Künstlervereinigung, wir sahen uns auch weiterhin als unabhängige, Kunst – vermittlerische, und, warum nicht, als museumsartige Einrichtung, als Landeplatz für auch überregional bekanntere Gegenwarts-Kunst in Weiden, ein Landeplatz der dem Renommee der Literaturtage, der Max-Reger-Tage, der bayerisch-böhmischen Kultur-Tage, der Förder-Kreis für Kammer-Musik-Veranstaltungen entsprechen sollte,
und hier eine Position zu entwickeln ist uns ja gelungen.
Ergänzend zu dieser kulturellen Landebahn haben wir eine Startbahn für Junge Kunst aufgebaut.
Herr Nemec hat in diesem Jahr bei der e.on-Preisverleihung dafür ein paar schöne Worte gefunden.
Und vorher schon hatten wir damit auch in überregionalen Blättern posten können, das gab Nahrung den Wärme und Kraft spendenden Träumen davon, dass der KV so etwas wie ein Weidener Haus der Kunst wäre bzw werden könnte.
Aber stellen Sie sich jetzt mal vor, Okwui Enwezor, der seit dem 1. Oktober der neue Direktor des Haus der Kunst München ist, malt auch, in Aquarell und Öl, und er würde uns das jetzt zeigen wollen, und der Förderverein Haus der Kunst München, bei dem wir einmal Mitglied waren, käme auf die Idee, eine Mitgliederausstellung zu machen, ebenfalls in Öl und Aquarell, um die kreative bunte Vielfalt zu zeigen, die auch im kunst-haus-betrieblichen Human-Kapital steckt ... nun ja, das könnte sogar klappen, unter der Regie von Maurizio Cattelan, dessen Thema der Kunstbetrieb und andere Formen betrieblicher Menschseins-Enthobenheit ist. Siehe: Catellans Arbeit: Papst, vom Meteorit getroffen.
Was uns das lehrt, ist, dass die Kunst nicht den Regeln und Gesetzen und Aufsätzen der Kunsthistoriker entspringt, wenngleich aus dieser Ecke auch die Eintrittskarten fürs Auftreten auf dem Weltparkett kommen, man denke an Clement Greenberg und Jackson Pollock, die Kunst entspringt dem unmittelbaren Handeln der Künstlerinnen und Künstler, entspringt dem wie der Funke dem Feuerstein, kommt von all denen, die es irgendwie draufhaben, entspringt einem elementaren unter den Brücken des kultur-ökonomischen Reglements hausenden und ausbüchsenden Handeln, entspringt einem die Reglements austrixenden und praktisches, nicht-getextetes Menschseins-Wissen erwerbenden und weitergebenden Handeln, das sich so häufig an den seltsamsten Orten vollzieht, eher selten im Museum, in diesen Räumen abseits der Etabliertheit ist dann die Kunst ganz bei sich, darf man sagen, mehr kann man nicht sagen, es sind Behauptungen, denn es handelt sich hier, um unbekannte Gebiete, unbeständige Ansteckungszonen, abgelegene, barbarische Landschaften, in diese abgelegenen Landschaften ist das imperiale Forschen der Kunsthistoriker und Theoretiker noch nicht vorgedrungen, ebenso wenig wie die Verkaufsstrategie von Bösner und Gerstäcker mit ihren Auffassungen vom Künstlertum.
... ich find`s toll, dass wir im Kunstverein Weiden unsere Spielräume 2006 neu ausgemessen haben, uns von der Chimäre gelöst haben, dass das, was im faszinierend, tonangebend Großen, sprich im vorhin angesagten Kontext München und im Kontext anderer großer Maßstabs-Bildner nicht denkbar ist, nicht funktionieren würde, dann auch im Kleinen nicht funktionieren würde.
Aber es funktioniert.
Gerne erinnere ich mich in dem Zusammenhang an die Äußerung von Udo Kittelmann, dem jetzigen Direktor der Berliner Nationalgalerie, der hier 2004 die Peter-Angermann-Ausstellung eröffnete: „ Also, was Ihr hier im Kleinen macht, das ist essenziell das selbe, was wir in Frankfurt im Großen machen, ich weiß nicht, wo ich das verdammte Geld für die Warhole-Ausstellung herholen soll “. Gemeint war Andy Warhol's Time Capsule 21. Kittelmann war dann einer der Unterstützer für „Standpunkte-Landeplätze“ .
Und damit ich es nicht vergesse, schaut Euch/ schauen Sie sich in diesem Zusammenhang im Internet Alois Öllingers Bühnenhalter an.
Öllinger ist Künstler aus Kötzting und Kurator am Cordonhaus Cham.
Also! Es funktioniert, und es hat viele Namen, PASST ist einer, und einer, den ich daneben für mich entdeckt habe, ist der der römischen Saturnalien, das ist von der humanistischen Schulbildung übrig geblieben, im Zeitraum dieser Saturnalien hatte sich immerhin das römische Imperium eine jährliche Auszeit genommen, und es hat gepasst, das grelle staatstragende Über-Ich-Licht wird ausgeknipst, es könnte alles anders sein, das Es hat einen Schlüsselbund mit Schlüsseln, die zu jedem Schlüsselloch passen, die Hierarchien sind eingeebnet, Räume tun sich auf, Gänge, Korridore, die zielgenau von Überall nach Überall führen,
und als Metapher für das, wo man dann herauskommt, können Sie nun im Kunstverein diese Cross-Over-und Patchwork - Ausstellung erleben.
Ihre Existenz verdanken sie rund fünfzig Mitgliedern des Kunstvereins und dem Hänge-Team bestehend aus Florian Thomas, Wolfgang Roy und Uwe Müller.
Die haben es sichtbar gemacht, was auf der Habens-Seite herauskommt, wenn man sich von mancher Soll-Vorgabe und den Engstellungen des vorherrschenden Kapital-Begriffs und seiner kulturellen Äquivalente löst. Das schönste Bild ist uns leider nicht erhalten geblieben: die drei Männer, wie sie nach getaner Arbeit den Blick schweifen ließen und glücklich waren.
Dieses schöne Bild ist die Überleitung zu unseren Gästen. Den drei Künstlern aus dem KING KONG KUNSTKABINETT: Walter Amann, geb. 1942, München, Wolfgang Schikora, geb.1945, München und Ulrich Zierold, geb. 1946, Frankfurt. Danke, dass Ihr mitmacht, danke, dass Ihr gekommen seid. Das letzte Mal ist ja ein paar Jährchen her.
Wir zeigen eine Reihe Papier-Arbeiten der Gruppe, sie sind im Zwischenraum zwischen Kneipe und Ausstellungsraum zu sehen, die Titel stehen auf den Bildern.
Mir persönlich haben Euere Arbeiten immer sehr gut gefallen.
Es war nun der Kritik- und Politik- Bezug von SOLL+HABEN und nicht minder die demokratisierende Produktions-Form, die unsere PASST-Veranstaltungen initiieren, die mich an die Münchener Künstlergruppe KING KONG KUNSTKABINETT denken ließen, als der Titel für die diesjährige Ausstellung stand. Für diesen Titel einen Dank an Irene Fritz.
Mit den vier Ks steht der Kunstverein Weiden von seinen Anfängen an in Verbindung, zwei Ausstellungs-Höhepunkte in passt-fernen Zeiten hat es gegeben. Wie kaum eine andere mir bekannte Einrichtung hat das Maler-Trio das Politische zum künstlerischen Thema und gleichermaßen zur künstlerischen Produktions-Form gemacht :
die Kunstwerke werden zu Dritt hergestellt, die Gedanken und Handschriften mischen sich und der Mix, in dem mal der eine mal der andere Malgestus dient, dominiert, dirigiert, demonstriert, lässt sich vielleicht als Metapher der Lacanschen Behauptung ansehen, dass uns unser Ich erst die anderen geben.
Die Künstlergruppe wurde 1977 gegründet, die Anfänge aber lagen im gemeinsamen Studium der Drei in den wilden 60er Jahren an der Akademie der Bildenden Künste München, als auch schon mal aus Protest gegen den Administrations-Imperialismus des Hauses vor die Direktorats-Tür geschissen wurde. Nach ein paar Jahren des Marsches durch die Institutionen, zu dem u.a. Rudi Dutschke so manch einen beseelt hatte, im Fall der Drei waren es Jahre unmittelbarer Sozial-Arbeit, fand man in einem gemeinsamen Atelier wieder zusammen, parallel dazu gab es die Münchener Malerinnen-Gruppe WEIBSBILDER.
In beiden Fällen ging es um die Auseinandersetzung mit der kulturellen Figur des genialen, schöpferischen, freien Künstler-Individuums als Gegenbild zur reglementierten bürgerlichen Existenz.
Hier wurde die Frage, ob die Natur des wahrhaft künstlerischen Schaffens Gemeinschaftlichkeit ausschließt und Einsamkeit heißen muss, mit Nein beantwortet, gegen den damals herrschenden Mythos, der Markt und Meinung bestimmte.
Das Label KING KONG KUNSTKABINETT bezieht sich auf den Riesenaffen KING KONG, der seit dem amerikanischen Film „King Kong und die weiße Frau“ aus dem Jahre 1933 zur absoluten Pop-Ikone avancierte, als Archetyp undomestizierter Vitalität konnte er bis heute von den unterschiedlichsten zeitspezifischen Interpretationen besetzt werden, auch als unverfälschte Kreativität und Sozialität im Sinne Rousseaus (retour a la nature), das mit der Definitions-Macht der USA darüber, was das Wahre, Schöne und Gute wäre, in Konflikt kommt.
Sie erinnern sich noch Ho Ho Ho Chi Mingh! Und 1975 meinte Andy Warhole : „ Peking und Moskau haben noch nichts Schönes." Er meinte im Gegensatz zu anderen Weltstädten, er meinte Mac Donalds.
Unter King Kongs Signum entsteht in der Münchener Baumstrasse seit 1977 also kollektiv Schönes: die gemeinschaftlichen Malereien, die Kleinplastiken, illustrierte Texte, gelegentliche Video-Arbeiten und eine Reihe von Kunstfilmen.
Was künstlerisch passiert ist die Vermischung unterschiedlicher Bildsprachen, die Organisation von Heterogenität, das Spiel mit Ausdrucksvarianten mehrerer Abbildungs-Stile und die Entspezialisierung verschiedener Bildmedien, Recycling der massenmedialen Bilderflut und ein Collagieren in der guten Tradition von Heartfield und Grosz und all das vielleicht auf den Spuren dessen und als Fortsetzung dessen, was in der Gruppe Spur, ja unsere Leute aus der Oberpfalz!, zuvor schon, Anfang der 1960er Jahre, auf Münchener Pflaster als Spaß-Guerilla getätigt wurde, ja warum nicht als Spaß-Gorilla.
Besten Dank, dass Sie mich ertragen.
Dass das Ganze gut geerdet ist und das nicht fehlt, was Leib und Seele zusammenhält, verdanken Sie Maria Weber.
Und noch ein letzter Hinweis: zur Aufbesserung der KV-Finanzen ist eine Serigraphie erschienen, Titel: „ Die Abenteuer von SOLL+Haben - oder wie die Banker auf den rechten Weg kommen“ , sechs Blätter, die gibt’s gerahmt und ungerahmt, gleich nebenan.
Wolfgang Herzer