PASST VII – Bäume – angerichtet
AKTION 300 und die Bewaldung der Wüste
Mitgliederausstellung im Kunstverein Weiden
30.11.12—06.01.13
Info
Eröffnungsrede
Liebe Freundinnen und Freunde des Kunstvereins,
erst einmal herzlichen Dank an alle, die beim Zustandekommen dieser Ausstellung mitgewirkt haben, von der Einladungskarte an, über die Presse-Arbeit, bis zu den lieben Erinnerungen des Presseorgans dabei, wo denn der Pressetext bliebe, und dem vielen anderen freundlichen Aufmuntern, Anschieben und Mittragen, endlich bis zur Hängung, der Preisliste, und neu kommt hinzu: Schlüsselabholung,
morgen erweitert der Kunstverein seinen Aktionsradius, wir treten im Knusperhäuschen auf dem Christkindlmarkt auf, werben dort im Herzen der vorweihnachtlichen Stadt für Mitglieder, Sie wissen warum, Aktion 300, und für das Häuschen gibt es einen Schlüssel, der muss abgeholt werden.
Dank aber auch an die Sponsoren: Firma Roscher und Druckzentrum Regler,
die Baum-Bilder-Plane unten im Linda ist von Regler, die Baumbilder, die im gelben Durchgangsraum hängen und morgen auch im Knusperhäuschen angeboten werden, konnten mit Hilfe von Roscher realisiert werden.
Für Sie gibt’s das einzelne Bild, in dem eine farbig überarbeitete Mitglieder-Zeichnung mit dem Malmittel der Natur, dem Baumsamen, kombiniert ist, in zwei Versionen,
in der Klarsicht-Hülle für 10 Euro,
im Rahmen für 20 Euro, schlichte leiste,
und wenn sie Mitglied sind für die Hälfte und wenn Sie eines werden noch mal für die Hälfte,
und vergessen Sie bitte nicht die Spenden-Töpfe,
es gibt eine Firma, die mit erfolgreicher Vehemenz auftritt und sagt: Geiz sei geil,
mit derselben tief sitzenden Überzeugung behaupte und bekenne ich hier das Gegenteil.
Übrigens lügt besagte Firma. Die Fernseher, die bei uns stehen, stammen von dort, Förderung.
Einen herzlichen Gruß an alle, die heute gekommen sind, feiern Sie mit uns das Phänomen Kreativität, das Nebeneinander-Sein und Miteinander-Können, die Toleranz gegenüber der Überfremdung und Neudeutung des Eigenen durch unerwartete Positionierung und Andersartigkeit der Nachbarschaft.
Besonders freue ich mich Vertreter der Politik begrüßen zu dürfen,
den CSU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Pausch
Es PASST zum siebten Mal. Juryfrei wie die Jahre zuvor. Kunst und Leben, wie beides zusammenkommt! Besonders schön auch Beigaben von selbst erklärten Nichtkünstlern, die sich mutig und vital „einfach so“ äußern. Die Erfahrung seit 2006 zeigt, dass damit auch ein Widerhall des große Postmoderne-Mottos „Anything goes“ aus den Geschehnissen herausgehört werden darf, die in unseren kleinen Räumen stattfinden. Der Mix, der hier von rund 50 unterschiedlichsten Kreativ-Adressen aus Weiden und der Welt zusammenkommt, entspricht einem Grundzug des Künstlerisches absolut, dem der Subversion, hier wird mit dem Klischee, was zusammenpasst und nicht zusammenpasst, aufgeräumt, das Hängeteam, das bisher tätig war, hat bewiesen: Nicht-Passen gibt`s nicht. Das wurde sieben Jahre lang zusammen mit Florian Thomas bewiesen, der heuer in den Hänge-Team-Ruhestand tritt, wir wollen ihm für seine gute Arbeit danken.
Das neue Hängeteam, Uwe Müller und Wolfgang Roy haben das Erlebnis erneuert, dass unsere Mitglieder-Ausstellungen inspirierende Patch-Works zwanglosen, toleranten, babylonisch-fröhlichen Miteinanders sind. Es ist nach meiner Auffasung eine intelligente Schau entstanden, in der das einzelne Kunstwerk zum Medium spannender Reflexion wird, die weit über die Fragen der Ästhetik, der Professionalität oder des Amateurtums hinaus geht.
Der Titel der Ausstellung 2012 ist : Bäume - angerichtet. Die Themenfindung erinnert an Gründung und Namens-Suche des Blauen Reiters, Kandinsky stand auf „Reiter“, Marc auf „Blau“, schon war 1912 der „Blaue Reiter“ geboren, beim KV-Auswahl-Verfahren stand es zuletzt 7:7 für „Bäume“ und „Angerichtet“, und so ließen wir es dann.
Bei dem, was jetzt vorliegt, sind Referenzen an Dada gegeben, und es lässt grüßen die Aktion „Stadt-Verwaldung statt Stadt-Verwaltung“, mit der Beuys und 7000 Eichen 1982 in Kassel Furore gemacht haben, hier jetzt eine kleine Weidener Variante.
Dada, das ist Durcheinander-Anrichtungs-Spezialisten-Tum und Neudeutung des Alltäglichen, das den hart gewordenen Kreativ-Boden aufackert, bis es passt, die Bäume zeigen, wie sich`s darauf leben lässt.
Vielleicht ist das Miteinander der einzelnen sehr individuell gehaltenen Positionen zu den Themen Anrichten und Baum aber auch deshalb so lebendig geraten, weil wir Menschen
a: ein besonders tief verwurzeltes Verhältnis zu den Bäumen haben,
und b: bei der Was-soll-das-Bedeuten-mir-fällt-nichts-ein-Verdutztheit gegenüber „Angerichtet“ sich weniger das Ich als unser Unterbewusstsein angesprochen fühlt.
Das, was Uwe und Wolfgang in der Domino-Technik ein- und angerichtet haben, hat nicht nur die eine sichtbare und begreifbare kompositorische Verbindung, über die das Ganze, der Raum zum Bild wird, es gibt jede Menge unsichtbare Verbindungen, die von dem erzählen, was unser Es in den anarchischen Tiefen des Unbewussten außerdem gerne anrichten würde.
Ein Hinweis darauf ist der psychologische Baumtest von Karl Koch 1952. Was im Menschen an- bzw wie er eingerichtet ist, darüber spricht das Verhältnis von Stamm, Wurzeln, Krone, Zweige, es spricht Bände, ein Teil dieser Bibliothek finden Sie heute hier.
Und, um bezüglich unserer tiefenpsychologischen Baumverwandtschaft auch das noch zu sagen: der nordischen Schöpfungs-Geschichte nach waren das erste Menschen-Paar zwei Bäume.
Da raunt der Mythos zum hellen Klang wissenschaftlicher Aufgeklärtheit und technischem Fortschritt, wie er sich in einer Daguerreotypie symbolisiert.
In unserer Ausstellung mixt sich Unterschiedliches aus Regional-Geschichte, Zeitgeschichte, Kunstgeschichte, eigener Seelen-Biographie, aus dem Apfel-Bäumchen-Sein und dem Knorrige-Eiche-Werden, und gibt dem Ganzen den eigenen Glanz und Geschmack, in dem sich die moderne regionale Seele wieder finden kann.
Da ist unser kalter Baum, der street-art-umstrickte Baum, das Rentner-Frühstück ist angerichtet, der weiche Wandbehang aus Linden-Samen, die Tropenkisten, Time-Capsules, auf denen auch nach so langen Reisejahren durch den zeitgeschichtlichen Raum ein Hauch Palmenschatten liegt, Grattage bringt Archaisches zu Tage, ein Ast baum - elt, schwarzgeränderte Referenz an die Verdauung des Angerichteten, die Ausstellung ist eine Semiotik-Plantage, dort gibt es Antennenwälder, Fast-Wood, da gibt es Ideenfelder, in denen Herden zur Feier vor Maschinenpistolen-Kerzen-Apfelsaft-Weihnachtsbäumen wandern, Gras-Harfen-Atmosphäre tut sich im hohen Baumwipfel auf, Blick übers Land, Blick in das Leben, da ist der Mastbaum, an dem Käptn Haddock lehnt, da meldet sich die JUNGE KUNST in rindenhaft wulstig pastosem Farbauftrag zu Wort
und mehr und mehr und mehr, es sind 68 Positionen, der Titel der Arbeit des Ehepaars Volodarsky ist eine Ziffer, die die Menge der Kombinationen der Bildteile angibt, übertragen Sie das auf die Menge der gesamten Exponate, dann wissen Sie, was ich mit Mehr meine und warum ich hier abbreche, die Künstlerinnen und Künstler, deren Arbeiten ich jetzt unkommentiert, Ihrer Entdeckerlust überlasse, mögen mir verzeihen..
Zusätzlich zur Ausstellung gibt es Jahresgaben, eingangs habe ich darauf verwiesen, oben malt Menschenhand, mit Filzstift, Feder, Bleistift etc, unten Mutter Natur, mit der breiten Palette ihrer Baum-Samen. Die Vereins-Mitglieder waren zum Mitmachen eingeladen. 20 haben mitgemacht. So pflanzen wir Wald, so werden wir auf ideeller Ebene und auf materieller Ebene selber Wald, in dem durch neue Beitritte die Dürre in der Vereinskasse endet und dieser Ort hier, der Oasen-Charakter hat, gedeihlich weiter existieren kann .
Ziel ist mehr Unabhängigkeit von Außen-Unterstützung, der Verein ist auf einem guten Weg, in den letzten 5 Wochen sind rund 50 neue Mitglieder beigetreten, es ist nicht nur die Lust an der Kunst, die hier bewegt hat, es ist das Ganze, das in der Adresse Ledererstrasse 6, Gestalt angenommen hat, es ist dieses Mehr als die Summe seiner Teile:
das Linda, die Ausstellungen, die Räume, die Leute, die Anekdoten, der Humor,
es ist ein Stück unverwechselbarer Lebensqualität,
das Suchende hier gefunden und nicht nur gefunden haben, sondern mitgestaltet haben,
durch ihr Kommen, durch den Mut zur Hemmschwellen-Überwindung, durch ihre Anwesenheit und ihr Sichwohlfühlen und Sich-Ansprechen-Lassen, manchmal ist es im Linda so eng und voll und noch voller werdend wie in der U-Bahn zur Rush Hour und Niemand will aussteigen..
Nach 24 Uhr ist im hell erleuchteten Kunstverein Ausstellungs-Besucher-Betrieb,
kaum zu glauben, eine Geisterstunde der besonderen Art, das ist sicher einmalig, der Kontrast zwischen dem dämmerigen Linda, und dem transzendenten Gleißen hier oben, allein hat schon Kunst-Charakter.
Und da wären wir auch schon wieder beim Thema Kunst und Leben. Darauf die Gläser hoch!
Wolfgang Herzer