Positionen 1
Jennifer Danler, Katja Fischer, Hans Lankes
15.05.—26.06.15
Info
Unter dem Titel "Positionen 1" zeigt der Kunstverein Weiden vom 15. Mai bis zum 28. Juni Arbeiten von Jennifer Danler aus Mitterteich, Katja Fischer aus Nürnberg und Hans Lankes aus Regensburg.
Die 1993 gegründete Oberpfälzer Kunst-Vermittlungs- Einrichtung widmet sich seit 16 Jahren nachdrücklich den Arbeitsfeldern Junge Kunst und Regionalität, und so thematisiert sie mit der Ausstellung „Positionen 1“ einmal mehr das besondere Sein und Werden der Kunstwelt, das sich in der Metropolregion Nürnberg abspielt, im individuellen Künstler/innen-Miteinander und auf der institutionellen Ebene.
Dabei soll sich in der Freistellung der Einzelpositionen von thematischen Zusammenhängen der Fokus ausschließlich auf die künstlerische Methodik in ihrer Unterschiedlichkeit richten und dem besonderen Wie der ästhetischen Wirklichkeits-Aneignung auf den Grund gehen.
Entsprechend dazu will der Kunstverein Weiden unter dem Titel „Positionen 2“ während der Sommermonaten Vertreter der Leipziger Kunstszene zeigen.
Die Ausstellung „Positionen 1“ eröffnen die Künstlerin Jennifer Danler und der Kunsthistoriker Wolfgang Brauneis in einem Gespräch über Kunst im Spannungsfeld zwischen Provinz und Metropole und wie sich diese alte Kluft im Zeitalter des Internets verändert.
Jennifer Danler, Jahrgang 1988, ist Performance - und Concept-Künstlerin und arbeitet auf vielseitige Art zum Thema der menschlichen Individualität, der Selbst- und Fremdwahrnehmung im Wechsel kultureller, sozialer und ökonomischer Kontexte.
Dabei befasst sie sich mit dieser Fragestellung, die das Eigene im Anderen sucht, auch im Rahmen der regionalen Aura der Oberpfalz, die sich das halbe 20. Jahrhundert lang im Banne des Eisernen Vorhangs gestanden hatte, „in einem Zustand kultureller Katatonie“. Weiterhin findet Danlers künstlerische Selbsterkundung in Body - Art - Aktionen statt, die an die Grenze der körperlichen Belastung und der Konzentrationsfähigkeit führen.
„One“ ist eine solche, die an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg 2012 stattgefunden hat.“One“ könnte auch heißen: Standpunkt sein. Die Künstlerin positioniert sich mit dem Gesicht zur Wand und verharrt zwei Stunden im Zustand der Bewegungslosigkeit, sie versucht die statisch - mathematische Vorstellung von Punktgenauigkeit in der eigenen Körperlichkeit wahrzumachen und erfährt ihre Körperlichkeit als intentionalen Möglichkeitsraum, der sich in ständiger ins Offene über den Punkt hinaus zielender Unruhe befindet.
In Weiden zeigt Danler eine große Video-Installation, eine Zettelwand zum Thema „Kunst als Leitbild-Bildnerin und Erkenntnis - + Lebens-Form“, eine Fotografie, die eine Land-Art-Aktion (weißes Rechteck auf Wiese) dokumentiert, und Zeichnungen, die auf formal minimalistischer Ausdrucksebene die Beziehung zwischen Stereotypie, Muster und Abweichung behandeln.
Die Video-Installation „Pathos Deutschland“, die im verdunkelten Hauptraum des Kunstvereins stattfindet, zeigt im Dialog von Beamer-Projektion und Bildschirm zum einen ein Durchschreiten von Außen - und Innenräumen bei Konzentration auf den einzelnen Schritt in der Schrittfolge und zum anderen den Zug der Wolken am Himmel, die ständig ihre Form verändern. Beides kommuniziert über den leeren abgedunkelten Ausstellungs-Raum miteinander, Himmel und Erde, Oben, Unten und Dazwischen, zielgerichtetes, absichtsvolles Gehen gegen ein Dahintreiben, das den chaotischen Prozessen der Ökologie folgt.
Danlers Darstellungs-Repertoire insgesamt umfasst ein weites in sich gegensätzliches Feld. Es kann wie im Fall der ausgestellten Zettelwand, „o.T. 2015“, die eine endlose Material-Sammlung auf Zetteln, Kopien und Ausrissen darstellt, von größter stofflicher Fülle und höchster Intellektualität bis zum Level Null und der verschwindend feinsten Empfindung reichen.Das heißt konkret zu einer Art Tagebuch auf dem Lesepult (in der Ausstellung nicht zu sehen: Konzentration, 2012). Es macht die Differenz von Norm bzw Leitbild und individuellem Norm-Umgang am Beispiel täglicher millimetergenauer Punkt-Eintragungen deutlich.
Katja Fischer, Jahrgang 1970, ist ein Doppeltalent, das nicht nur als Malerin auftritt, sie ist auch als Orchester-Musikerin tätig und spielt Flöte und Bratsche, ihre malerische Darstellung ist impressionistisch - realistisch angelegt; sie bezieht sich schwerpunktmäßig auf den Menschen, seine Lebensstationen, seine Mitwelten, und beeindruckt durch die genaue Beobachtung komplizierter, ausdrucksstarker anatomischer Stellungen, wie sie u.a. der Umgang mit den Musik-Instrumenten erfordert. Katja Fischers Kunst schöpft aus der unmittelbaren Beobachtung und dem eigenen Leben, sie ist bedingt autobiographisch und ihrer vielseitigen Interessiertheit folgend enzyklopädisch ausgerichtet, wobei auch der Musikerwelt besonderer Raum gegeben wird.
In der Ausstellung fasziniert das Panoramabild aus neun einzelnen Leinwänden „ Der Albtraum oder ich elender Hochstapler. Einmal Emanuel Pahud sein, 2012.“
Es zeigt das Publikum in einem Konzertsaal aus dem Blickwinkel des Orchesters, eine große ästhetische Gemeinschaft nimmt den Betrachter auf, die ganz Auge und Ohr ist, und ebenso tritt ein Bruch in der Bildillusion ein, dadurch, dass die Fugen zwischen den Einzelbildern betont breit sind und als abstrakte, interpretations-offene Gitter-Form in die Wahrnehmung treten.
So erweist sich der Impressionismus als Interesse an den sinnlichen Phänomenen bei Fischer nicht nur als stilistischer Begriff, er ist auch ein übergreifendes thematisches Prinzip, das den Zusammenhang als Option in der Offenheit betont.
Exemplarisch tritt diese Haltung in der Arbeit „Mind-Wall, 2011 - 15“ auf. Vor dem Betrachter breitet sich analog zur musikalischen Partitur und ihren Klangfolgen eine unbegrenzte Auflistung von kleinformatig notierten Sichtbarkeits-Erlebnissen aus, Epiphanien eines Bewusstseinsstromes, in dem wechselnde Weltzusammenhänge und Stimmungen aufscheinen.
Aber immer wieder ist es auch ein menschlich existentielles Pathos, das in liebevoll freundschaftlicher Ironie die überraschende Einzelbeobachtung in Richtung einer verallgemeinernden klassischen Sinnbildhaftigkeit bewegt.
Hans Lankes, Jahrgang 1961, ist ursprünglich Maler und Bildhauer und fand 2009 nach einer sechszehnjährigen künstlerischen Tätigkeits-Pause zu einer Synthese, die das skulptural und chromatisch Prinzipielle in dem von ihm so genannten Messerschnitt verbindet.
Was Lankes in zunehmend thematischem Umfang herstellt, sind dabei, wie der Künstler betont, im Rahmen seiner bildnerischen Konzeption keine Scherenschnitte.
Das ist bei genauerer Betrachtung auch leicht erkennbar. Auch wenn Lankes Arbeiten formale Verwandtschaft mit der alten chinesischen Kunst und den Zeremonial-Zeichen der bildungsbürgerlichen Salons des 19. Jahrhunderts zeigen, fehlt ihnen der artifizielle Charakter, der den Scherenschnitt gewöhnlich auszeichnet.
Das Staunen am Wiedererkennen der lichten Ding-Welt in der Verfremdung der Negativ-Positiv-Umkehr des Scherenschnitts, ist eine Station auf dem Wahrnehmungsweg, die Lankes Arbeit nur streift, wenn sie auf ihre Weise mit dem Messer Licht und Dunkelheit trennt.
Auch bei Lankes sind die ästhetischen Materialien Schwarz-Weiß, Fläche und Steg, Positiv- und Negativ-Form. Doch die bekannten Elemente gewinnen hier eine sprechende Eigenwertigkeit und den semantisch doppelten Boden des Kunstwerks, der die Wahrnehmung ins Unsichtbare hin weiterbewegt.
Die Verbindung der Bausteine mit einem reliefartig starken Papier, das nach einer harten Arbeit mittels Cutter oder Skalpell verlangt, dazu die auffallende Tendenz zur Monumentalität, außerdem der kunsthistorisch reflektierte Stil der Linienführung und die typische, wiederkehrende, mehrfach variierte Ikonographie, vor allem die der Köpfe, das alles hat semantischen Mehrwert.
Es zeitigt im Artefakt eine symbolische Meta-Ebene und einen Sinnzusammenhang, der über die ersteindrückliche visuelle Attraktion der Arbeiten hinausführt: In Lankes bildnerischen Arrangements, die vom Lebensfaden einer einzigen Schnittlinie gehalten sind, werden die Bauelemente selber zu Bedeutungsträgern.
Dabei bleibt es, der visuellen Klarheit und Eindeutigkeit des Schnitts zum Trotze, inhaltlich beim Ahnungshaften, beim Warten, Horchen und Bereitsein.
Und das ist nicht nur die Situation, in der sich der Betrachter wiederfindet. Wo er es genau wissen will als Wesen des Informations- und Wissens - Zeitalters, wird er zu einer einfühlenden Annäherung an das Dasein der Dinge aufgefordert.
Ebenso ist das der Ausdruck der häufig übergroßen, entrückt dreinblickenden Köpfe, die in Lankes Werk zentrale Bedeutung haben.
Sie verweisen in doppelter Hinsicht, im Spiel des Schwarz-Weiß ebenso wie im Spiel der Mimik, auf die inhaltliche Spange, die Lankes Werk jenseits surrealer Spielerei und kunstfertiger Wirklichkeits-Wiederholung zusammenschließt.
Ihre Physiognomien scheinen, von eleganter Fin de Siecle - Linie gefasst, das Leben in seinem verborgenen Kern als die Domäne des Schlafwandler-Könnens zu spiegeln. Die schwarzen Netze aus Flächen, Schmalflächen und Stegen üben die hypnotische Kraft der Absence aus.
Die beeindruckend offensive Klarheit der Schwarz-Weiß-Sprache, die Lankes ausgehend von kleinen Kopf-Etüden entwickelt hat, ausgehend von Verbindungs - und Verbands-Strukturen, könnten Van Goghs „Selbstportrait mit Verband“ erweitern und variieren. Die formelhafte Knappheit in der Ausführung erschöpft sich nicht in der visuellen Abklärung von Sachverhalten, für die gilt, was Mephistopheles in „Faust 1“ sagt: Denn was man schwarz auf weiß besitzt, // Kann man getrost nach Hause tragen. Sie macht die Messerschnitte zu Präzisions-Geräten des Indefiniten, sie sind Balance-Hilfen der Erkenntnis-Suche auf ihrer Gratwanderung, auf der der Findende mit jedem Schritt-Schnitt weiß, dass er nicht weiß.
Je mehr Licht der Erkenntnis in die Dunkelheit kommt, desto deutlicher wird das. Scio, neschio. Das Wissen, die herausgeschnittene Wahrheit, kommt in den Dingen nicht an Ziel, nicht zu sich selber. Die Dinge sind uns immer einen Schritt voraus, sie lassen sich nicht einholen und könnten immer anders sein, als wir denken.
In diesem Sinne enthalten Lankes zahlreichen Motive auch die entsprechende interpretatorische Tiefe.
Da sind seine Architekturen und Interieurs, in denen die Gesetzmäßigkeit in ihrer Verlängerung chaotisch wird, das Gleichgewicht aus Funktion und Ästhetik kippt, die klassischen Perspektiven Ad Absurdum gehen und sich im Ornamentalen verabsolutieren.
Da sind seine Köpfe, Beardos und Trojaner, in denen der Schlaf der Vernunft Ungeahntes zur Erscheinung bringt, ebenso seine Canyons, Konstellationen und Clouds, die mit Poesie und Ironie und im Gestus des Wagemuts aus Nähe Enge, Verschmelzung und Auflösung werden lassen.
Die Reihe dieser Motive ist fortsetzbar, soweit sich bisher aber sehen lässt, bleiben sie letztendlich die Verbildlichung der einen Grenz-Raum - und Schwellen-Erfahrungen, die wir täglich angesichts unseres eigenes Schattens machen.
Der Schatten lockt und ermutigt zum Sprung, um auf die andere Seite zu kommen, um hinter die Dinge zu kommen. Aber er lässt uns nicht.
Es bleibt beim Sprung in den Sprung.
Aber, was weiß man!