Rochade – Drei Orte Ausstellung
Wolfgang Herzer, Jürgen Huber, Heiko Herrmann
15.05.—12.06.11
Info
Rochade – Drei-Orte-Ausstellung in der Oberpfalz
Wolfgang Herzer Jürgen Huber Heiko Herrmann
Die Idee zu dieser Ausstellung kam mir vor einem Jahr in Wolfgang Herzers Wohnung, in der ich sehr schöne Aquarelle sah, auf Nachfrage, von wem sie seien, erfuhr ich: von ihm selbst. Da fiel mir auf, dass ich Wolfgang Herzer bereits total als Ausstellungsorganisator besetzt und dabei vergessen hatte: hier ist auch ein Künstler mit dem ich in München vor fast dreißig Jahren studierte und mit dem sich meine Wege immer wieder kreuzten. Ähnlich ging es mir mit Jürgen Huber, den ich seit seiner Künstlergruppenzeit „Warum Vögel Fliegen“ (1986 – 94) kenne, zu der Zeit war bei mir das Kollektiv Herzogstrasse angesagt, eine Künstlergruppe in München, die mittlerweile Kunst-Geschichte ist.
Gemeinsam ist uns, dass wir aus einer linken Sozialisation kommen, wodurch der Einsatz für die Kunst, das Befinden in der Gesellschaft und die Vermittlung in die Öffentlichkeit ihre besondere Gestimmtheit erhalten haben, nach der Maxime:
„ Die Möglichkeiten des Einzelnen werden zur Wirklichkeit für die Anderen“
Aus diesem Gebräu Kunst - zu zeigen, „ wenn die Welt nicht zu uns kommt, kommen wir zur Welt“, zu erstaunen - ging die Kulturkooperative Oberpfalz (KoOPF) hervor, sie wurde 1999 in Weiden von Riepl (Schwandorf), Putz (Gotteszell), Öllinger (Cham), Münch (Amberg), Koch ( Amberg), Herzer (Weiden) und Herrmann (Pertolzhofen) gegründet und warf sich 2000 im Kultur-Bier-Zelt auf den Pertolzhofener Golan-Höhen zum ersten Male medienwirksam als regionales Markenzeichen in die Brust. Unsere Idee dahinter: die Kraft kommt von den Rändern, gemeinsam sind wir stark. Mittlerweile besteht die KoOpf aus 17 Einrichtungen in der Oberpfalz, Tschechien und Niederbayern, die das gemeinsame Ziel verbindet, zeitgenössischem Denken in Bild und Wort den angemessenen Raum zu geben.
Das geographische Raum-Bild, das die Verbindung der 17 Standorte auf der Landkarte ergibt, ist auf der Titelseite der KoOpf-Home-Page (www.koopf.de) zu sehen und lässt an ein Spielbrett denken, die freien Verbindungs-Geraden zwischen den KoOpf-Orten lassen an ein Diagramm verzwickter Spielzüge denken. Die hat es auch in Form mehrerer größerer und kleinerer Gemeinschaftsprojekte gegeben, auf den Ziehfeldern, die die Projekte auf dem Kunstspiel-Brett besetzt haben, sieht man bei genauem Hinsehen Kunst-Tatort-Fähnchen wehen. In der Region geht die Kunst um.
Kunst braucht Freunde, aus dieser Bedürfnislage sind Anfang und Ende der 1990er Jahre die Gründungen der drei Kunstvereine GRAZ, Pertolzhofen und Weiden erfolgt, die jeweils sehr individuell geprägt sind, aber über den normalen und notwendigen künstlerischen Autismus hinaus das ganzheitlich Ganze denken und mit anderen in Kontakt treten. Das wurde dann die Idee einer Landschaft als Spielbrett, eine Idee, die bislang in Einzelzügen durchaus umgesetzt wurde. Der KunstvereinGRAZ liegt in wunderbaren Räumen eines Hinterhofs mitten in Regensburg ( HYPERLINK "http://www.kunstvereingraz.de/"www.kunstvereingraz.de), in die man sich gerne verirrt. Der Kunstverein Pertolzhofen betreibt mitten im Dorf und inmitten von Wäldern und Wiesen die KUNSTHALLE PERTOLZHOFEN ( HYPERLINK "http://www.kunstverein-pertolzhofen.de/"www.kunstverein-pertolzhofen.de), einen solar-beleuchteten, braun eloxierten Überseekontainer mit Fenstern; der Kunstverein Weiden, als erster Vermittler moderner Kunst in der nördlichen Oberpfalz, birgt so etwas wie ein privates Museum für Gegenwartskunst mit Kindermalschule und angeschlossener Szenekneipe.
Und mit einem Mal war die Lust da, die uns als Knaben aufs Eis getrieben hat um kreuz und quer vom einen Abstoßpunkt zum nächsten zu gleiten. Und diesmal sollten es die Spielfelder auf dem Kunst-Spiel-Brett der Oberpfalz sein, die in all den Jahren von uns angelegt, gepflegt und poliert worden waren, hier waren wir zu Ausstellungs-Macher-Veteranen geworden, jetzt wollten wir auch einmal „randscheln“.
Auf der Suche nach dem geeigneten Titel traf das Wort Rochade ziemlich genau, was es mit dieser Ausstellung auf sich hat. Das Wort Rochade (vom Schachzug abgeleitet, im übertragenen Sinne) bezeichnet den situationsbedingten Positionswechsel von Fußballspielern, vor allem Stürmern, während des Spiels. Und noch weitere Dinge, die das so genannte königliche Spiel Schach bzw. den einstigen Proletariersport Fußball kennzeichnen, lassen sich auf die Situation übertragen, in der die 3 H so lange schon wirksam sind.
Sie waren Stürmer der ersten Grenzland-Dekade nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs. Ihre Kontakte untereinander steckten das Spielfeld ab, ihre Querpässe nach Ost und West machten den Dorf-Bolz-Platz auch mal zur Allianz-Arena, die Aufhebung der Standes- bzw High-and-Low-Unterschiede, als welche man den Austausch von König und Turm interpretieren könnte, hat ihre symbolische Entsprechung in der Nähe-Pflege der 3 H gegenüber Land und Leuten, und diese hat ihren jährlichen Höhepunkt in den Pertolzhofener Kunstdinger-Tagen, hier darf sich urige Blasmusik mit den Assonanzen Neuer Musik mischen.
Positionswechsel auf allen Ebenen, auch der im Sinne des Generationenwechsel, da seit 1999 von Weiden aus und seit 2003 auch in Regensburg tschechisch-oberpfälzische Nachwuchs-Projekte das Spielfeld beleben und insbesondere die künstlerische Arbeit von Herrmann und Huber selber dem Generationen-Transfer auf oberpfalzspezifische Art Ausdruck verleiht. Die Arbeit der beiden entstammt dem direkten Zusammenhang mit der Gruppe S.P.U.R., der Oberpfälzer Flanke zur deutschen Kunstgeschichte in den 50er, 60er und 70er Jahren; das Zusammenspiel mit der Situationistischen Internationale hat diese Flanke dann in ein Achtungs-Tor für die Oberpfalz verwandelt, über das man bis heute im Kontext von Kunst als Gesellschafts-Kritik spricht.
Der Rollenwechsel als inner- und interpersonalen Rochade, die den Künstler zum Kurator des Künstlers macht, ist, gleichwohl es in der Spiel-Logik liegt, etwas Neues.
Unabhängig von der „Gaudi“ dokumentiert die Arbeit von Herzer, Huber und Herrmann im Kontext der KoOpf auch Hintergründe des regionalen Ausstellungs-Wesens über mehr als 30 Jahre, und so wechselt auch bei diesem Zug wieder das Neue ins Alte, das Private ins Öffentliche, das Individuelle ins Allgemeine, und überhaupt: das eine ins andere.
Heiko Herrmann, Wolfgang Herzer
Februar/ März 2011