Widerschein oder
Nach der Sintflut
Malerei und Plastik
von Ulrike Donié
ab 19.02.2021
Info
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der Kunst und des kreativen Lebens,
wir, das Team vom Kunstverein Weiden, freuen uns über Ihren und Euren Besuch,
mit dieser zweiten virtuellen Ausstellung, die ich jetzt mit Uwe Müllers Handy-Hilfe besprechen werde, können wir fast wie zu Vor-Corona-Zeiten, das Werk einer starken Künstlerin würdigen, auch wenn der unersetzbare dazu gehörige gute Gläserklang aus dem Linda fehlt, die Wärme der Gemälde tritt gegen ausgekühlte Räume an.
und da ist diese Ausstellung auch gleichzeitig der Test, ob wir eingerostet sind und vergessen haben, wie schön und wichtig es ist, Kunstausstellungen zu machen und was für ein Privileg es ist, den funktionell dazu passenden Rahmen zu haben.
Es war dann alles OK, dennoch hatte diese Ausstellung aufzubauen auch etwas Oasenhaftes, es war knapp wie vor dem Verdursten:
Der Kontakt zwischen Kunstverein und Ulrike Donié besteht seit 2015, als die 1961 geborene Künstlerin, die in Linz am Rhein lebt und arbeitet, in Weiden an der Ausstellung Gärten teilnehmen sollte. Es kam dann etwas dazwischen, aber wir haben uns nicht aus den Augen verloren und der KV führt jetzt mit ihr eine Einzelausstellung durch.
Seit 1991 tritt Frau Donié mit zahlreichen Ausstellungen als freischaffende Malerin auf, mittlerweile überträgt sie auch Figuren aus der Malerei als Plastiken in den Betrachter- und Ausstellungs-Raum.
Will man ihr malerisches Gestalten auf einen Nenner bringen, so lässt sich von einer farbstarken Akryl-Malerei auf Nessel in mittleren Formaten sprechen, die das Auge in eine Zone sublunarer, schwer bestimmbarer Formationen entführt.
Die Kompositionen sind hierbei im Einzelnen so angelegt, dass sie sich im architektonischen Zusammenhang auch zu riesigen, dramaturgisch beredten Friesen und Flächen zusammensetzen lassen, im Einzelbild, das stilistisch zwischen Abstraktion und Figuration steht, steckt ein alles bestimmender Drang, sich auszubreiten, zu überwuchern und im Unendlichen zusammenzuwachsen.
Es herrscht eine hypnotisch wirkende irreale Farbigkeit. Die visuelle Empfindung wird von der Suggestion bestimmt, unter Wasser zu sein und in apokalyptische Raumfluchten und Labyrinthe einzutauchen. Das Wasser scheint sich kaum zu bewegen, scheint zu stehen und ist von geheimnisvoller Klarheit und Transparenz.
Formationen, die an Totholz und Gewurzel und Pflanzliches jedweder Art erinnern, stapeln sich zu wirren Gefügen und werden von Gruppen undefinierbarer Lebewesen pflanzlich - tierischer Herkunft bewohnt, die in dieser bizarren Umgebung voller ahnungsvoller Verstecke leicht übersehen werden.
Donie führt ikonographisch betrachtet eine Art Vanitas-Beschreibungen durch, die in ihrer klassischen Form die Fülle und die Begrenztheit des Menschlichen reflektiert. In Donies Arbeiten aber fehlen die menschlichen Lebens – und Schaffens-Zeichen, sie zeigen eine Welt freier atemberaubender, sirenenhafter, verhexender Schönheit, in der der Mensch keinen Platz mehr oder noch keinen Platz. hat.
Dass diese Betrachtung der klassischen, im Barock kultivierten Thematik relativ nahe kommt, zeigt die formale Ausführung.
Die Arbeiten sind bestimmt von einer spezifisch barocken Dynamik, Fülle und Gegenständlichkeit, die vielleicht an einen zerrütteten Archimboldo denken, lassen, dem die Welt in Scherben zerfällt. Unübersehbar auch ein grimassierend gespenstischer, veristischer Zug a la Hieronimus Bosch, Max Ernst, Otto Dix, der hier halluzinatorische Spielräume entdeckt.
Ein ikonografisch sehr bedeutsamer Raumbezug aber, der hervorsticht, ist durch die Lichtführung und die Farbgebung in den Gemälden gegeben.
Donié übernimmt Momente, die im Bereich des barocken Chiaroscuro und der Hell-Dunkel-Dramatik der niederländischen Renaissance liegen, da führen sie die Betrachtung signifikant an den Isenheimer Altar und den Seitenflügel, der die Versuchung des Heiligen Antonius darstellt.
In Reinst-Form tritt hier in Grünewalds bekanntem Werk das Hell-Dunkel als Klaviatur des polaren Werdens und Vergehens auf und als Symbole der menschlichen Trieb-Natur und des geistig-religiösen Widerstands.
Dieser stil- und ideen-geschichtliche Link wird vor allem durch das intensive Körperlicht in Doniés Arbeiten bekräftigt, durch Lichtquellen, die weniger von außen die Gegenstände anstrahlen, sondern geradezu aus dem Inneren der Körper zu kommen scheinen.
Dazu kommt noch die Eigenheit, dass der farbige Schwerpunkt pointiert auf der Farbtrias liegt. Das sind die Grundkontraste und chromatischen Allbeweger Gelb, Rot und Blau. Ihre hier realisierte Farbwertigkeit lässt erkennbar jedwede realistische Darstellungsfunktion hinter sich und macht Magie, Symbolik und die Metaphysik des Sinnlichen zum Thema.
Die drei ungebrochen leuchtenden Grundfarben werden analog zu den geschichtlichen Referenzen, ohne diese überlasten zu wollen, auch in Donies Arbeiten als inneres Feuer sichtbar, das in den versunkenen Hölzern brennt und das alles überschwemmende Wasser flüssiges Geschmeide werden lässt.
Der Gedanke an die gotischen Glasfenster lässt aus den Stämmen, die sich auf dem Gewässergrund kreuz und quer überlagern, Christi rettendes Kreuzes-Holz werden.
Und für uns Menschen der Aufklärung könnte es das Zeug haben, das auf den Masten verweist, an den sich Odysseus fesseln ließ. Nach Adorno und Horkheimer hätte er, der Repräsentant der bürgerlichen Welt, auf diese Art ungefährdet dem unwiderstehlichen Gesang der Sirenen lauschen können.
Nach Ansicht der hier vorliegenden Totholz-Texte scheint es anders gekommen zu sein.
Anders als in den historisch verwandten Bildern kommen wir hier in einen gefluteten menschenleeren Naturraum, in die Imagination einer Sintflut, formal in eine offene Komposition, die sich jenseits der Bildränder fortsetzt.
Was zu sehen ist, ist nichts Katastrophisches, das nur die einzelne Vita bzw eine lokale oder regionale Örtlichkeit betrifft, es erweitert sich, der Offenheit der Komposition folgend, im globalen Rahmen.
Da scheint es das Leben auf seine elementaren Strukturen heruntergefahren zu haben, auf die unteren Stufen der Evolution, zu den Mischwesen aus Pflanze und Tier. Es zeigt eine Welt des Anfangs, die ganz alleine sich selber gehört.
Das als Sinnbild heutiger Mensch-Natur-Verhältnisse zu sehen, ist naheliegend.
Ist es fatalistisch?
Stilistisch bewegt sich die Künstlerin, wie eingangs gesagt, in einem Grenzbereich zwischen Abstraktion und Figuration, der auch als historische Bühne erlebbar ist, bedenkt man, dass hier, wie z.B. in den Darmstädter Gesprächen 1950, nach der Katastrophe des 2. Weltkrieges Diskussionen über die richtige, die wahre und wegweisende Kunst und Ausdrucksform geführt wurden. Auf eine Formel gebracht hieß das: Abstrakt-Autonom-Demokratisch gegen Figurativ-Verdinglicht- Autoritär!
In Doniés Arbeit könnte der ästhetische Rückgriff, vielleicht zu einer besonderen Geste der Reflexion werden, zu einem fruchtbaren Impuls, der zur Vorschau in der Rückschau führt.
Wir dürfen mit einem von Doniés Bildern im Blick „Back tot he Roots“ sagen und werden dem Widerschein des Lichtes folgen, das im Inneren der Dinge brennt.
Diesmal vor der Sintflut.
Wolfgang Herzer