Wir von hier – Inside looking out
Karl Aichinger und Max Bresele
21.10.—13.11.11
Info
Am 25.4. begeht der Weidener Maler und Bildhauer Karl Aichinger seinen 60 Geburtstag. Einer von hier. Unsere herzlichsten Glückwünsche!
In der Person Aichingers hat eine radikale künstlerische Lebenshaltung beispielhaft Gestalt angenommen, in Romantik und Authentizitäts-Streben ist sie dem Szene-Geist der 70er Jahre geschuldet, in ihrer Kompromisslosigkeit gleicht sie den nord-oberpfälzer Grenz-Land-Burgen. Die Oberpfalz, der ehemals strukturschwache, ländliche Raum zwischen Hochfranken und Niederbayern, war ein halbes Jahrhundert lang das Ende der West-Welt. Ihre Lage im Schatten des Eisernen Vorhangs und an einem versprengten Bruchstück des American Way of Life, der in Gestalt des amerikanischen Truppenübungsplatzes Grafenwöhr die Kids faszinierte, forderte nicht nur den sensiblen künstlerischen Sinn auf die harte Art heraus. Die Identifikations-Figuren: „Veste und Fels“ sind da logisch. Rock`n Roll!
Der Kunstverein stellt Karl Aichinger mit Max Bresele aus, beides Ausnahme-Künstler der Region, und tut dies in der Absicht, auf seine Ausstellung REGIONALE 1997 und das damals entstehende Regionale-Konzept zu verweisen, das sich jenseits der Begriffs-Felder von Lokal Matadorentum, Regional- und National-Liga auf die Suche nach der Welt des Kunst-Wesens machte.
Karl Aichinger ist ein außergewöhnlicher Künstler mit ausgeprägt eigener Handschrift, der sich keiner gängigen Strömung schlüssig zuordnen lässt. Aichinger lebt nach Abstechern auf die Experimental-Theater-Bühne des PROT in München in den 1970er Jahren seit den 1980er Jahren wieder in der Oberpfalz, zuletzt in Weiden. Als Maler und Bildhauer ist er seit 1974 freischaffend tätig.
Aichingers Arbeiten sind im Bezug zum erregenden Erlebnis klassischer und Neuer Musik entstanden. In seiner sehr persönlichen Darstellungsform verbinden sich die expressive Abstraktheit des Informel, mit der eigenwilligen Adaption einer stark kurvilinear ausgeprägten japanische Kalligraphie ( written paintings) und Akzenten der Farbfeldmalerei; in letzterer Hinsicht könnte strukturell eine Verbindung zu Baumeisters Montaru-Gemälde bestehen: Aichingers große Formen, die im Gegensatz zu Baumeisters schwarzer Zentral-Form stark farbig sind, verhalten sich in ihrer Erscheinung gleichermaßen doppel-wertig, sie sind in einem individuell nach außen abgegrenzter Gegenstands-Ort und nach innen ins Endlose, ins Nichts geöffnete Landschaft.Im Titel von Aichingers jährlichen Atelier-Ausstellungen "Ich schaue die Schöpfung" findet dieses Phänomen in Seelen-Verwandtheit mit Hölderlin seinen sprachlichen Ausdruck.
Der 1951 in Floß geborene Aichinger und der 1996 54 jährig verstorbene Lebens-Kunst-Werker Max Bresele aus Uckersdorf haben sich gut gekannt.
Breseles Behausung war ein kleiner ausgedienter Stall mit Scheune, dort lebte der gebürtige Fronberger auf niedrigstem Komfort-Niveau als Lebens-Kunstwerk, das alles, was es zum wahren Reichsein braucht, in sich trägt: einen „anti-imperialistischen“ Blick auf die Dinge und künstlerische Kreativität. Die bewies er durch eine Unmenge an Kunst-Objekten der unterschiedlichsten Art, Buch, Film, Objekt, Akkumulation, Gemälde, Möbel, Hörstück, Dinge, in denen sich der Freigeist aktueller Kunst mit den örtlichen und regionalen Gegebenheiten zu einer spezifischen Gestalt verband.
Besondere Bedeutung gewann Breseles Werk im Kontext der Anti-WAA-Bewegung in der Oberpfalz, die sich in den 1980er Jahren dem Bau einer Atom-Fabrik im Raum Wackersdorf widersetzte. Bresele trug das innovative, weltoffene Do-it-Yourself-Wesen und den Autonomie-Geist der Umwelt-Bewegung, die in der Lebens- und Werks-Konsequenz des Künstlers prägenden Eingang gefunden hatten, über den Baustop Ende 1980 hinaus. In seinen Arbeiten und in seiner lebenskunstwerklichen Existenz gab ihnen der Ruhelose und Europa-Durchquerer eine adäquate künstlerische Verdichtung und Interpretation. Bresele starb 1998, ein Jahr nach seinem letzten Auftritt im Außenraum der documenta X als Händler eigener Kunstwerke Marke EXIS-Art, er hatte sie mittels Moped und Kinderwagen-Anhänger nach Kassel transportiert.
Die non-konformistischen Künstler-Existenzen von Aichinger und Bresele stehen exemplarisch für die
harten Lebensbedingungen, den Eigensinn und die Zähigkeit vom Land und den Leute von hier, als die Oberpfalz noch ein Stück Granit am Ende der Walt war. Ihre Werke sind Ausdruck einer solitären auf sich selber gestellten Denk- und Lebensweise, sie verweisen auf starke Wurzeln, die harte Böden zu
meistern verstehen, haben dadurch Karl Aichinger und Max Bresele nicht zuletzt auch als Pionieren eine besondere Bedeutung gegeben.
Wolfgang Herzer