Zhao Bin
Malerei
05.03.—04.04.04
Info
Wer das Gefühl hat, sein Bild vom Reich der Mitte, wo der Gesang der Nachtigall heilt und die Seite in Maos Bibel raschelt, blaue Ameisen eilen und getuschte Lebenswasserfälle auf langen Rollbildern in die Leere zurückfallen, über dem Platz des Himmlischen Friedens tödliche Stille lastet und der Turbo-Kapitalismus die chinesische Mauer durchbricht, auffrischen zu müssen, der findet bei Zhao Bin die Farben dafür. Den 1969, am Ende der Kulturrevolution in Hunan geborenen Herrn Zhao, der nach einem dreijährigen Intermezzo als freiberuflicher Innenarchitekt 97 an der staatlichen Akademie seiner Heimatstadt ein Malereistudium aufgenommen hat und dieses seit 99 in München bei Axel Kasseböhmer fortsetzt, trafen wir über die Vermittlung von Asia Intercultura, einem Verein passionierter und professioneller Ostasienkenner aus allen Sparten und mit dem einen Kulturbegriff, der Kunst, Wirtschaft+Wissenschaft gleichermassen umfasst. Zhao Bins Westarbeit besteht größtenteils aus humoristischen Serien von unz-ähligen Selbstportraits. Es sind stereotype Brustbilder wie im Ausweis, die in starken Gebärden, mit bewegtem Mienenspiel und dialogischer Untertitelung den alltäglichen Überlebenskampf als Individuum gegenüber den Prägungen durch Studium, Job, Konsum, Sprache, Fremde wiederspiegeln. Maos Forderungen nach großen Themen, bedeutsamen Inhalten und Helden werden hier ironisch konterkariert. In Zhaos schweykhaft naiv gehaltenem Stil tritt dem hiesigen Betrachter die meist unbekannte lange realistische und modernistische Tradition Chinas beispielhaft entgegen. Dabei sind auch schon die Arbeiten der sozialistischen Studienzeit mit ihren Szenerien maskenhafter Massen, von Schweineversammlungen und slapstickartigem Zeitvertreib im Privaten der Old Love der chinesischen Moderne zur Pop-Art verbunden. Zu spüren ist aber ebenso das zynische Arrangement der intellektuellen mittleren Generation mit dem Scheitern der Demo-kratisierungsbewegung 1989.