Fett Auf Mager
Die Klasse Peter Angermann,
Akademie der Bildenden Künste Nürnberg
10.02—10.03.06
Info
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe FreundInnen des Kunstverein Weiden,
im Sinne unserer Arbeitsschwerpunkte der Nachwuchsförderung und der Verbindung unseres deutsch-tschechischen Grenzlandes mit dem Leben an deutschen und tschechischen Kunsthochschulen, speziell mit den Akademien Prag und Nürnberg, stellen in den folgenden Wochen StudentInnen der Malereiklasse von Prof. Peter Angermann / Nürnberg in den Räumen des Kunstvereins aus. Als Einführung in die Ausstellung „Fett auf Mager“ können Sie hier das Katalogvorwort von Prof. Peter Angermann lesen.
Ihr Wolfgang Herzer
Kindergarten1: Machen wir uns keine Illusionen
Bildende Künstler produzieren Dinge, die keinerlei praktischen Nutzen haben, dafür aber umso teuerer sind. Wenn sie geschickt genug sind, können sie damit berühmt und reich werden. Die Gesellschaft leistet sich diesen Luxus überwiegend in Kreisen, wo Geld und Prestige bereits akkumuliert sind, weniger dagegen dort, wo, sagen wir mal „Sachzwänge“ im Vordergrund stehen. Daraus scheint zu folgen: Die Kunst dient dem Ruhm an sich und dem Geld an sich. Sie adelte dann weniger den Menschen selbst, als vielmehr seine Mittel. Diese beispielsweise in ein Sonnenblumenbild von Van Gogh zu investieren, oder noch besser in ein Becken mit einer eingeweckten Kuh, bringt den Einsatz an Geist und Geld weit prächtiger zur Geltung, als ihn bloß einem schnöden Zweck, etwa dem Bau eines Kindergartens zu opfern. Da bestünde die Gefahr, dass der offensichtliche Nutzen den Einsatz selbst in den Schatten stellt. Es signalisierte weit -weniger drastisch, dass sich hier jemand so richtig was leisten kann. Die konkreten Vorteile eines Kindergartens außer Acht lassend, könnte man sagen: Schade ums Geld! Investiert man hingegen in Kunst, trübt kein kleinlicher Utilitarismus den Glanz der ideellen und materiellen Aufwendungen. Kunst also dient anscheinend dem Ruhm und dem Geld an sich, egal, ob man als Künstler oder Sammler, Kurator, Galerist oder Kritiker auftritt. Dabei spielt sie allerdings eine eher dekorative Rolle, verglichen mit anderen Sparten, etwa der Ökonomie, wo es umschweiflos ums Geld geht, oder dem Leistungssport, der direkt auf messbare Höchstleistungen abstellt, also auf Ruhm... Und wir an der Kunstakademie bereiten junge Leute auf diesen merkwürdigen Trip vor. Wenn sie begabt, aufmerksam und fleißig sind, werden sie eines Tages berühmt und reich werden. Reicht doch, oder?
Kindergarten 2: Machen wir uns doch Illusionen
Oder war da noch was? Etwas, das im gegenwärtigen Globalisierungsstress ebenso beschworen wie verkannt und missverstanden wird? Richtig: Die Bildung! UmimzusehendssichverschärfendeninternationalenWettbewerbbestehenzukönnenunddenWohlstandunddie-
zivilisatorischenErrungenschaftenunsererGesellschaftweiterhinundinErmangelungeigenerRohstoffreservenmüssenwirindieKöpfe-
unsererjungenLeuteinvestieren. Wenn wir den anderen, die nicht schlafen, etwas entgegenzusetzen haben wollen, brauchen wir Bildung und Forschung, um unsere eigenen geistigen Ressourcen nutzbar zu machen. Das zahlt sich dann unmittelbar aus in klingender Münze, in Ruhm und Geld - - - aber gerade darauf wollte ich jetzt eigentlich nicht hinaus. Sondern auf Bildung an sich. Denn anders als Ruhm und Geld, ganz zu schweigen von der Macht, ist Bildung tatsächlich ein Wert an sich. Während dem Ruhm letztlich die Masse genügt, und das Geld die Tendenz zeigt, den Menschen überhaupt loszuwerden, ist die Mehrung des inneren Reichtums, der Wertzuwachs jedes einzelnen Menschen sowie aller zusammen, die Kultur, das einzig wirklich erstrebenswerte gesellschaftliche Projekt. Die Alternative ist, wie sich leider immer wieder zeigt, nicht Armut und Bedeutungslosigkeit, sondern die Barbarei.
Was nun die Bildung betrifft, und zwar die Bildung an sich, und nicht etwa nur die Ausbildung im Hinblick auf ihren späteren wirtschaftlichen Nutzen, so ist die Kunst hier nach wie vor die Speerspitze des Fortschritts. Anders als die so genannten „harten Wissenschaften“, die sich ohne weiteres als technik- und wirtschaftskompatibel erweisen, und mehr als die „weichen“ Geisteswissenschaften, die sich immerhin noch um Objektivität und eine gewisse Verbindlichkeit mühen, besteht die Kunst prinzipiell auf ihrer Autonomie. Das ist ihr Wesen. Die Kunst ist der Glauben des Menschen an sich selbst. Es gibt keine Vorschriften. Nur die Entscheidungen des Künstlers und des Publikums zählen. Damit garantiert die Kunst einen Freiraum des Geistes und den Bestand des humanistischen Menschenbilds, beides Ideen, auf die sich das Abendland was zugute halten kann. Ob dieser Freiraum, diese kreative Spielwiese, dieser Kindergarten in alt hergebrachter. Weise brav zum avantgardistischen Experiment genutzt wird, oder in eher ketzerischer Weise etwa zu konventioneller Portraitmalerei in Öl, oder zu noch abgedrehteren Dingen, sei dahingestellt. Wichtig ist, dass er innerhalb der Gesellschaft möglichst präsent und sichtbar ist, um bildnerisch, bildend wirksam werden zu können.
Deshalb veranstalten wir 2006 eine Klassenausstellung in den Kunstvereinen von Hof, Weiden und Schwabach, sowie in der Ausstellungshalle der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Nicht alle Studierenden sind mit Arbeiten in der Ausstellung vertreten, vielmehr habe ich im Interesse einer konzentrierten und spannenden Auswahl kuratieren müssen. Die diesmal nicht dabei sind, mögen es nicht krumm nehmen und sich künftig noch mehr ins Zeug legen.
Es handelt sich um gegenständliche Malerei, der vorherrschenden künstlerischen Position in meiner Klasse, die ich folgendermaßen beschreiben würde: Das Wesentliche an der Bildenden Kunst ist es, wie der Name schon sagt, Bilder zu machen. Man macht sich ein Bild von etwas, das heißt, man nimmt wahr. In dieser Hinsicht sind tatsächlich alle Menschen Künstler, gemäß Joseph Beuys. Doch das besondere an der Kunst besteht nun darin, dass man seine Wahrnehmung dezidiert mitteilt, und zwar nicht bloß ihr Resultat, sondern den gesamten Wahrnehmungsprozess, welcher aktiv und passiv zugleich ist. Der Maler beteiligt andere an seinem Wahrnehmungsprozess, den er in seiner Arbeit offen legt. Den lebendigen Sehvorgang zu modellieren, macht gerade im Zeitalter der automatischen Bildgewinnungsverfahren ganz besonders Sinn. So etwas ist eine großartige Aufgabe, ein Pionierjob ohne gleichen. Ich gehe soweit, zu behaupten, die Welt sei auf vergleichbare Weise erschaffen worden: Die Evolution beruht auf dem Prinzip, dass sich Wahrnehmungspfade etabliert haben, und die Welt, die wir vorfinden, ist nichts weniger als etwas Abgeschlossenes, Fertiges, mehr oder weniger intelligent Designtes, sondern die Zwischenbilanz aller Wahrnehmung aller Lebewesen. Als Künstler ist man jemand, der diese Dynamik auf besondere Weise vermittelt. Indem man malt, macht man nicht nur sichtbar was, sondern auch wie man sieht, wie das Sichtbare aus uns entsteht, auf welche Weise es sich als vorhanden erweist. Mit Malerei und Zeichnen modellieren und kommunizieren wir nicht nur das was wir sehen, sondern vor allem den Wahrnehmungsprozess selbst, das Sehen selbst. Keine andere Beschäftigung auf dieser Welt leistet das als die gute alte Malerei und Bildhauerei, und über das rein Visuelle hinaus, auch die anderen alten Künste: Singen, Tanzen, Schauspielen, Dichten, bei denen allen es sich natürlich um weit mehr als um bloße, blasse Medien handelt, sondern um grundlegende Lebensäußerungen wie Atmen und Essen.
Auch wenn man natürlich nicht bei jedem Pinselstrich solche Gedanken wälzt, sondern die Motivation sich aus ganz anderen, aus den unterschiedlichsten Quellen speist, und auch wenn für das Publikum sicherlich und ganz zurecht die Unterhaltung im Vordergrund steht, sollte man doch ab und zu den einzigartigen Bildungswert unserer Tätigkeit hervorheben. Gerade wenn es sich um die frische, suchende, immer wieder überraschende Wahrnehmung von Nachwuchskünstlern handelt! Und wenn diese hier und heute in der wohl vertrauten Form der Tafelbildmalerei auftritt, bedenken Sie: Die Kunst entwickelt sich nicht linear. Grundlegend erhellend ist eigentlich immer wieder nur die Erfindung des Rads.
Peter Angermann